Kulturinitiativen begrüßen ersten Erhöhungsschritt, mehr nötig

Kulturstaatssekretärin Mayer hat heute eine Erhöhung des Budgets für Kulturinitiativen um 700.000 € (+15%) angekündigt. Die Interessenvertretungen der Kulturinitiativen begrüßen diese Erhöhung als ersten Schritt. Weitere Erhöhungen und eine Ausweitung des Empfängerkreises sind und bleiben aber notwendig.

2021 wird das Kunst- und Kulturbudget um 30,1 Mio. Euro erhöht, davon sollen 10 Millionen an die freie Szene gehen. Davon wurden nun wiederum 700.000 € für die Unterstützung der Kulturinitiativen gewidmet. Dazu Yvonne Gimpel, Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich:  “Ein wichtiger und notwendiger Schritt um die notorische Unterfinanzierung in der freien Kunst- und Kulturarbeit zu lindern, die sich durch die Corona-Krise massiv verschärft hat. Die tausenden Kulturvereine sind das Rückgrat des zeitgenössischen Kunst- und Kulturlebens, bieten vielen Künstler*innen erste Auftritts- und Experimentierflächen, schaffen ein vielfältiges Kulturangebot, das sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, eröffnen Räume für Begegnung und Diskussion und agieren als kulturelle Nahversorger vor Ort. Die Kulturinitiativen tun all dies ohne Gewinnstreben, jeder eingenommene Euro wird in die Aktivitäten re-investiert.

Aus Sicht der Interessenvertretungen wäre zumindest eine Erhöhung von 1 Mio € nötig gewesen, um nur den Inflationsverlust der letzten 20 Jahre auszugleichen. Mit der nun geplante Erhöhung um 700.000 Euro ist ein wichtiger Schritt gesetzt, die Trendwende für eine nachhaltige Absicherung von Kulturräumen und Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Sektor ist noch nicht geschafft. Weitere Erhöhungen und Maßnahmen, begonnen bei jährlichen Valorisierungen, die zumindest den Wertverlust ausgleichen, bis zur Etablierung von Mindeststandards der Entlohnung professioneller Kulturarbeit – Stichwort: Fair Pay – müssen folgen.  

Die Kulturplattform Oberösterreich (KUPF OÖ) weist darauf hin, dass der Bund derzeit nur einen kleinen Teil der Kulturinitiativen fördert: “Aktuell erhalten etwa 15% der oberösterreichischen Kulturvereine eine Unterstützung für ihr Jahresprogramm vom Bund, weitere 15% für einzelne Projekte. Die große Mehrzahl der Kulturinitiativen ist also von der Bundesfinanzierung ausgeschlossen, auch das muss sich ändern. Wir treten daher weiterhin für eine drastische Erweiterung und Erhöhung der Kulturinitiativen Förderung ein. Besonders wenn der Bund Fair Pay verspricht ist klar, dass weitere zweistellige Millionenbeträge nötig sein werden, um die Unterbezahlung im Kultursektor zu beheben. Wie viel Geld wir für Fair Pay genau brauchen, muss rasch die von uns geforderte österreichweite Erhebung zum Status Quo der Kulturfinanzierung zeigen”, so KUPF OÖ Geschäftsführer Thomas Diesenreiter abschließend.

Unabhängig davon stehen die Vereine durch die Corona-Krise mehr denn je mit dem Rücken zur Wand. Kompensationen für Einnahmenausfälle und Mehrkosten greifen nur punktuell, ein Gesamtpaket, das das Überleben in den nächsten Monaten sichert, fehlt weiterhin. Weitere offene Baustellen sind das angekündigte Instrument für Ausfallshaftungen für Veranstaltungen und der Umsatzersatz für alle nicht vorsteuerabzugsfähigen Vereine und die Umsetzung der geplanten Fortführung des NPO Fonds.

Offener Brief an die Regierung

Offener Brief an
Bundeskanzler Sebastian Kurz
und Staatssekretärin Andrea Mayer
sowie an
die Österreichische Bundesregierung
und den Nationalrat


Sehr geehrte Damen und Herren!
Im Zuge der Verordnungen zum neuerlichen Lockdown in Österreich wurde auch gegen die Kulturbetriebe sowie die Kunstschaffenden in Österreich ein Erscheinungsverbot in der Öffentlichkeit verhängt.
Im humanistischen Sinne und der Vernunft folgend, akzeptieren wir diesen Affront, im Gegensatz zum Frühjahr können wir dies diesmal jedoch nicht unkommentiert und widerspruchslos zur Kenntnis nehmen.

Warum?

Bereits Ende des Frühjahres wurde vonseiten der Bundesregierung darauf hingewiesen, dass, mit Vorausblick auf den zu erwartend schwierigen Herbst und Winter, wirksame Konzepte entwickelt werden müssen und in Aussicht gestellt, dass ebendies auch von der Bundesregierung in Angriff genommen werden würde, was auch in Ihren Aufgabenbereich fällt.
Basierend auf den Erkenntnissen des ersten Lockdowns, Vorsicht und Voraussicht, sowie dem Mut zum Bekenntnis, dass “die Dinge nun einmal anders sein werden”, haben unzählige Kulturbetriebe Veranstaltungskonzepte entworfen, die nicht nur in vielen Fällen nur unter erhöhtem Engagement unzähliger Freiwilliger durchführbar waren, sondern vor allem so effektiv sein sollten, dass mit ihnen mittelfristig ein geregelter Betrieb stattfinden können würde.

Dies verlangte von den meisten Einrichtungen auch den Mut, ihr Publikum mit Umständen zu konfrontieren, die unter normalen Umständen diametral zum Anspruch der Einrichtung standen, vor allem im Alternativen Kultur- und Kunstbereich. Nicht wider Erwarten, sondern aufgrund dieses Vertrauens auf die Vernunft des Publikums, erfuhren all diese Einrichtungen positive Reaktionen und Bekenntnisse zu den veränderten Bedingungen.
Während alle Bereiche der Gesellschaft, in denen nicht konsequent Solidarität GEFORDERT und DURCHGESETZT wurde, mit Clusterbildungen und steigenden Infektionszahlen zu kämpfen hatten, konnte sich die Kulturszene als “safe spot” in der SARS-Cov2 Situation etablieren. Und zwar schlicht, weil konsequent die selbst entwickelten Konzepte durchgesetzt und eingehalten wurden.
Konzepte, die der Österreichischen Bundesregierung sogar als Blaupause für ein wirksames Konzept für ALLE ÖFFENTLICHEN RÄUME (Schulen, Büros, Kulturbetriebe und Dienstleistungswirtschaft) dienen könnten. (siehe https://www.daswerk.org/covid-19-praeventionskonzept-2-0/?fbclid=IwAR3UcsGpEogJgwdlVrLVbd5Okt_fxz67OEdWpzMyVtjKkzYuxtmxTJf48-Y)

Darauf begründet unsere Fassungslosigkeit gegenüber der aktuellen Entscheidung:

Während Sie damit beschäftigt waren, alle populären Klüngel von der Leine zu lassen und weitestgehend den überholten Status Quo wiederherzustellen, haben Sie die tatsächlich wirksamen und langfristig wirksamen Konzepte, die in der Kulturszene entworfen wurden, ignoriert, obwohl sie am Präsentierteller liegen! Konzepte, die einen erfolgreichen Umgang mit der Pandemie und ihren gesellschaftlichen Konsequenzen garantieren. Nicht nur haben wir unsere Aufgabe der intellektuellen und emotionalen Erweiterung der Gesellschaft weiterverfolgt, sondern nachweislich gezeigt, dass wir uneitel, flexibel und dynamisch an der reellen Gestaltung eines neuen Alltags teilnehmen können. Wenn von einem Beitrag zur Gesellschaft die Rede ist, den die Kunst und Kultur leistet, so ist dieser nun unmissverständlich und greifbar erfolgt.

Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, also von “Kulturverliebtheit” so abschätzig sprechen, sollte das eigentlich mit Dankbarkeit verknüpft sein, denn wir Kulturbetriebe lieben tatsächlich unsere Gesellschaft, in aller Vielfalt und Widersprüchlichkeit. Denn unser Erfolg basiert auf Respekt. Denken Sie darüber nach und staunen Sie.

Kulturverein KAPU
et al.

Dazu noch zwei Video links:

https://www.youtube.com/watch?v=uohOnYX3ZaM

https://www.zdf.de/comedy/heute-show/heute-show-vom-30-oktober-2020-100.html

Offener Brief: Jetzt handeln: Stabile Bedingungen für die freie Szene schaffen

Die IG Freie Theaterarbeit hat heute folgenden offenen Brief veröffentlicht, den die KUPF OÖ vollinhaltlich unterstützt:

Jetzt handeln: Stabile Bedingungen für die freie Szene schaffen

Sehr geehrter Herr Vizekanzler Mag. Werner Kogler,
sehr geehrte Frau Staatssekretärin Mag. Andrea Mayer,
sehr geehrte Frau Landeshauptfrau Mag. Johanna Mikl-Leitner
sehr geehrte Frau Stadträtin Mag. Veronica Kaup-Hasler,
sehr geehrte Frau Landesstatthalterin Dr. Barbara Schöbi-Fink,
sehr geehrte Frau Landesrätin Dr. Beate Palfrader,
sehr geehrter Herr Landeshauptmann Dr. Peter Kaiser,
sehr geehrter Herr Landeshauptmann Mag. Hans Peter Doskozil,
sehr geehrter Herr Landeshauptmann Dr. Wilfried Haslauer,
sehr geehrter Herr Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer,
sehr geehrter Herr Landesrat Mag. Christopher Drexler,

die am Samstag verkündeten neuen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid 19-Pandemie treffen die Künstler*innen und Veranstalter*innen hart. Gerade erst wurde mit der Realisierung der verschobenen Projekte vom Frühjahr begonnen, die nun präsentiert werden konnten – nun kommt eine weitere Unsicherheit und Unterbrechung auf alle Beteiligten zu. Weitere Lockdowns sind nicht auszuschließen.

Dass die Künstler*innen der freien Szene flexibel und schnell mit Inhalten und Formaten reagieren können, ist ein Vorteil. Dennoch ist auch hier die Politik gefordert. Die bestehenden Förderformate entsprechen nicht den ständig neuen Herausforderungen und Bedingungen, unter denen Kunst und Kultur derzeit produziert und gezeigt werden kann.

Als wirksame Instrumente braucht es zumindest bis Ende 2021 kontinuierliche Absicherungen für die Künstler*innen, unabhängig von künstlerischen Produktionen, aber auf die Fortführung der künstlerischen Arbeitspraxis abzielend (etwa durch langfristige halbjährliche / ganzjährige Arbeitsstipendien bzw. „künstlerisches Grundgehalt“ oder „Basishonorar“)

  • Förderungen für die geplanten und nun notwendigerweise abzusagenden Produktionen sollen zur Gänze – zum Zeitpunkt der Absage – anerkannt und alle vereinbarten Honorare und Gagen zur Gänze an alle Beteiligten ausbezahlt werden.

    Wichtig: Die Erfahrungen aus dem ersten Lockdown dürfen sich nicht wiederholen! Es darf keine zweite Welle von einseitigen Vertragsauflösungen von Seiten der Häuser und Institutionen geben – die Künstler*innen müssen für die vereinbarten Leistungen entlohnt werden, auch wenn diese aufgrund der Pandemie nicht erbracht werden können. Eine Gleichstellung der Angestellten und freischaffenden Akteur*innen ist unbedingt anzustreben.
     
  • Wenn Produktionen noch einmal verschoben werden müssen, sollen für den weiteren Arbeits- und Wiederaufnahmeprozess gesonderte Mittel zur Verfügung stehen. Hiermit soll das zusätzliche Arbeitsaufkommen, neue Honorare, Kommunikation, Werbung, Mieten, Corona-Testungen etc. abgedeckt werden.
     
  • Alternative Förderformate, die auf hybride, digitale, ortsunabhängige, nicht auf Live-Publikum bedachte Produktionen und künstlerische Arbeitsprozesse abzielen, sollten schnell etabliert und auf Dauer gestellt werden. In Abstimmung mit den Akteur*innen der Szene können hier schnell passende Formate gefunden werden.
     
  • Training von professionellen Künstler*innen muss gleichgestellt werden mit dem Training von Spitzensportler*innen – und immer möglich sein.
  • Die Raum- und Arbeitsplatzsituationen gerade für freischaffenden Künstler*innen muss sichergestellt werden:
     
    • Jetzt müssen die bestehenden Proben- und Arbeitsräume, die oft in bestehenden Koproduktions- und Kooperationshäusern für die freie Szenen existieren, unbedingt offen gehalten werden. Häuser sollen ihre Proberäume nicht schließen.
       
    • Ergänzende Räume, die den Hygienevorschriften (Platz, Lüftungsmöglichkeiten etc.) entsprechen, sollten jetzt der Szene zur Verfügung gestellt werden und Gelder zur Anmietung solcher Räume schnell und einfach bereitgestellt werden.
       
    • Mittelfristig müssen die vorhandenen Kapazitäten erweitert, vergrößert und verbessert werden (Stichwort: Neue, interdisziplinäre Arbeits- und Produktionshäuser, niederschwellig, groß, serviciert statt kuratiert).
       
  • Dringend anzugehen ist ein Monitoring dieser Zeiten – und wissenschaftliche Begleitung. Was hat sich für die Künstler*innen verändert, wo sind die Häuser und Institutionen gefordert, was braucht das Publikum? Kunst- und Künstler*innenförderung soll neu gedacht werden und gleichzeitig soll aufgrund einer soliden Datenbasis die Kulturpolitik künftige Handlungsfelder wie etwa Förderprogramme, Infrastrukturen etc. neu bestimmen.
    Der Europäische Dachverband der freien darstellenden Künste lanciert derzeit europaweit eine Studie bezüglich der Situation der freischaffenden darstellenden Künstler*innen; wichtig ist parallel die Erfassung der konkreten Situation auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene.
     
  • Die soziale und finanzielle Absicherung der Künstler*innen muss erweitert werden  – künftige Sozialversicherungsmodelle für Künstler*innen und Kulturschaffende berücksichtigen einen „Artist Status“ mit einer durchgehenden Versicherungsleistung und einer entsprechenden Kranken- und Pensionsversicherung.
     
  • Die Beratungs-, Fort- und Weiterbildungsangebote für Künstler*innen und Kunstschaffende müssen gestärkt und weiter professionalisiert werden – darunter fallen vor allem die Angebote bezüglich organisatorischer, juristischer, förderspezifischer, medialer Expertise. Die IG Freie Theaterarbeit sieht den dringenden Bedarf, das bestehende Angebot in ganz Österreich weiter auszubauen – und in direktem Feedback mit den Künstler*innen stetig zu adaptieren. 

Wir sehen die wiederkehrenden Unsicherheiten gerade für den Kunst- und Veranstaltungsbetrieb auch als Chance, die gesamte Fördersystematik für diesen Sektor zu überarbeiten. Neue Förderformate, neue Ideen bezüglich neuer Arbeitsorte und einer nachhaltigen sozialen Absicherung gerade für die freischaffenden Künstler*innen und neue Weiter- und Fortbildungsangebote können nun entwickelt werden.

Trotz allen Herausforderungen gibt es genug Ideen, um über 2020 hinaus eine lebendige, stabile zeitgenössische und in die Gesellschaft wirkende freie Tanz-, Theater- und Performer*innenszene in Österreich nicht nur erhält, sondern ausbaut. Wir laden alle Kulturpolitiker*innen und Verantwortlichen ein, gemeinsam die Strukturen für Kunst und Kultur weiterzuentwickeln.