Was bisher geschah
Fair Pay, also die faire Bezahlung von Kulturarbeit, geht auf eine Initiative der Interessenvertretung IG Kultur Österreich und ihrer Bundesländerorganisationen wie der KUPF OÖ zurück. Erstmals wurde das Thema 2011 kampagnisiert, mit dem Ziel, „auf den hohen gesellschaftlichen Nutzen und das höchstprekäre Standing von freier Kulturarbeit“ hinzuweisen.
Groß war daher unsere Freude, als der Begriff Fair Pay erstmals in einem Koalitionsprogramm auftauchte, und zwar in jenem der türkis-grünen Koalition 2020-2024:
Nun wäre es natürlich auch willkommen gewesen, hätte sich der Bund einfach zur Umsetzung von Fairpay im eigenen Tätigkeitsfeld bekannt. Die angekündigte „Entwicklung einer gemeinsamen Strategie“ mit Ländern und Gemeinden trägt der aktuellen desolaten Situation der dreifachen Finanzierungszuständigkeit für den freien Kulturbereich Rechnung, die zu massiven bürokratischen Aufwänden für Staat und die Kulturszene führt.
Fairpay galt als eines der Leitprojekte der Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek. Bereits im Jahr 2020 ließ sie eine Million Euro (manche Quellen sprechen sogar von zwei Millionen) für Fair Pay budgetieren. Dann kam aber Corona und das Bild eines von der Coronakrise überforderten Kulturministeriums mit einer Staatssekretärin, die aller politischen Erfahrung zum Trotz kaum Expertise im Kultursektor vorweise konnte.
Die Wut des Resetarits
Der Druck auf Lunacek stieg und stieg und kumulierte in einem Interview mit Kabarettisten Lukas Resetarits in der ZIB2 am 11. Mai 2020. In diesem forderte er durchaus wortgewaltig den Rücktritt Lunaceks („is a scho wurscht“).
Vier Tage später gab Lunacek ihren Rückzug bekannt, als Nachfolgerin wählten die Grünen Andrea Mayer aus, die dem SPÖ Flügel des Ministeriums zugerechnet wurde. Für Mayer sprach, dass sie als langjährige leitende Angestellte das Kulturministerium gut kannte und ein gutes Netzwerk mit einer Vielzahl der AkteurInnen im Kunst- und Kulturbereich vorweisen konnte.
Durch Mayers Aufstieg war unklar, welche Priorität das Thema Fair Pay haben sollte. Nach Druck der IGs wurde versichert, dass das Thema nicht von der Landkarte der politischen Aufmerksamkeit verschwinden sollte, und so wurde im Oktober 2020 der Beginn eines „Fairness Prozess“ angekündigt. Da klar war, dass dieser Prozess kaum bis Jahresende abgeschlossen sein würde, stellte sich die Frage, was nun mit den für Fair Pay reservierten Budgetmitteln des 2020er Jahres passieren würde.
Entwütung und Faire Gießkanne
Dank des Kunst- und Kulturberichts 2020, der alle Finanzierungszusagen des Bundes zumindest mit Name des Empfängers und Höhe listet, wissen wir jetzt, was mit dem Geld geschah. Statt die Budgetmittel zurückzustellen und den Ende des Prozesses abzuwarten, entschloss sich das Kulturministerium, das Geld dort einzusetzen, wo es gerade Bedarf hatte. Hier findet ihr erstmals die komplette Liste aller Empfänger von „Fair Pay“ Geldern:
Fördernehmer | Betrag |
---|---|
Tiroler Künstlerschaft (T) Fair Pay, Diskussion, Vernetzungstreffen, Innsbruck | € 6.500 |
IG Bildende Kunst | € 7.000 |
IG Netz | € 200.000 |
Art Cluster Vienna Vienna Art Week, Fair Pay | € 10.000 |
AZ Productions – Verein zur Förderung von Kunst, Kultur und Diskurs (OÖ) Antoinette Zwirchmayr: Entlang dem Körper, Fair Pay | € 65.000 |
frameout – Verein zur Förderung neuer Filmformate (W) #Echtzeit Experiment, Fair Pay | € 65.000 |
Verein Film:riss – Verein zur Förderung der jungen Filmkultur + Filmkunst (W) Cinema Next, Fair Pay | € 5.000 |
ALPINALE Vorarlberg – Arbeitsgemeinschaft für Film (V) 35. Alpinale Kurzfilmfestival, Fair Pay | € 6.000 |
Cinema Arts – Verein zur Förderung von Vielfalt im Film, Kunst und Medien (W) Minorities Film Festival, Fair Pay | € 10.000 |
Institut Pitanga – Verein zur Förderung und Vermittlung von Wissenschaft und Kultur (W) Fair Pay | € 15.000 |
This Human World – Verein zur Förderung und Verbreitung von Menschenrechtsthemen (W) Internationales Filmfestival der Menschenrechte, Fair Pay | € 5.000 |
Viennale – Internationales Filmfestival Wien (W) 58. Viennale, Fair Pay | € 50.000 |
Interessensgemeinschaft Kabarett (Ö) Trampolin – Fair-Pay-Förderungsprogramm für Nachwuchskünstlerinnen und -künstler im Kabarett und in der Kleinkunst | € 250.000 |
Museumsbund | € 220.000 |
Summe | € 914.500 |
Laut einem Einleitungstext hat das Ministerium eine volle Million Euro für Fair Pay ausgegeben. Die Differenz von 85.500 € ergibt sich vermutlich daraus, das bei einzelnen Fällen vergessen wurde, die Zuwendung aus den Fair Pay Mitteln kennzuzeichnen.
Wie verteilen sich die Mittel auf die verschiedenen Sektoren?
Den größten Anteil des Geldes ist für eine Kabarettförderschiene namens „Trampolin“ verwendet worden. Diese wurde auf Initiative der frisch gegründeten IG Kabarett aufgesetzt. So sinnvoll die neue Förderschiene für den Kabarettbereich auch ist, es steht hier der Verdacht im Raum, dass sich das Ministerium damit erhofft hatte, so weitere Kritik der Kabarettszene verhindern zu können – ein am Ende des Tages eher aussichtsloses Ansinnen.
Etikettenschwindel 1: Weniger Geld für Kulturinitiativen
Dass diese neue Förderschiene, die sich an EinzelkünstlerInnen wendet, im Kunst- und Kulturbericht ausgerechnet im Kapitel „Kulturinitiativen“ findet, verwundert weiters. Zieht man diese Betrag ab, so ergibt der Kulturbericht sogar, dass das Förderbudget der Kulturinitiativen ausgerechnet im Coronajahr von 4,8 Mio € auf 4,6 Mio € gesunken ist. Durch das Hinzurechnen der KabarettistInnenförderung soll dieser Umstand offensichtlich verschleiert werden. Transparenz sieht anders aus.
Etikettenschwindel 2: Kulturvermittlung ohne Fair Pay
210.000 € wurden hastig vor Jahresende über den Museumsbund ausgeschüttet. Und zwar in Form einer Projektförderung, bei deren Ausschreibung das Wort Fair Pay nicht einmal erwähnt wird.
Auch hier wieder gilt: So sinnvoll diese Fördermaßnahme auch sein mag, mit der von uns IGs erhobenen Forderung von fairer Bezahlung für KulturarbeiterInnen hat sie nichts zu tun.
Die restlichen Mittel teilen sich auf eine Erhöhung der Mittel für die IG Netz der IG Freie Theater auf sowie auf eine Aufteilung einer Vielzahl von Filmfestivals und Filmprojekten. Ob und wenn ja welche Kriterien für faire Bezahlung den FörderwerberInnen auferlegt wurden ist nicht bekannt. Es steht zu vermuten, dass es kein verbindliches Reglement gibt, sondern hier einfach Gelder unter dem Titel Fair Pay ausgeschüttet wurden, weil das Geld vorhanden war.
Schließlich wurden noch zwei Diskussionsveranstaltung von Dachverbänden finanziert. Weitere 85.000 € sind wie oben erwähnt nicht dezidiert im Kunst- und Kulturbericht aufgeführt.
Fazit
Dass ausgerechnet jene Kulturinitiativen, die seit Jahren unter dem Slogan Fair Pay eine faire Förderung einfordern, im letzten Jahr kaum einen Cent aus den dafür gewidmeten Geldern erhalten haben, schmerzt. Es ist offensichtlich, dass das Geld zum Schließen von Finanzlücken und dem Verteilen von Zuckerln verwendet wurde.
Das Bundesministerium wäre gut darin beraten, für die heuer ebenfalls zur Verfügung stehenden Fair Pay Million(en) eine transparentere Vorgehensweise zu wählen. Ein erster Schritt wäre die Definition eines formalen Förderprozesses, der allen Kultureinrichtungen erlaubt, um Gelder aus dem Fair Pay Topf anzusuchen. Und dann müsste natürlich gleichzeitig auch eine Vorgabe definiert werden, welche Löhne diese Förderwerber dafür auch zahlen müssen. Die IG Kultur Österreich hat mit ihren Lohnrichtlinien hier seit Jahren ein Lohnmodell parat, dass nur als verbindliches Förderkriterium übernommen werden müsste.
Klar ist aber auch, dass es für eine flächendeckende Umsetzung von Fair Pay deutlich mehr Geld brauchen wird. Wie viel, soll aktuell eine Studie herausfinden, die das BMKOES in Auftrag gegeben hat.