Nach und nach werden weitere Details der Folgen der massiven Kürzungen im Kulturbudget sichtbar. Dass der Budgetansatz für die Förderung der oberösterreichischen Musikszene besonders betroffen ist, ist seit Herbst bekannt und wurde von uns bereits kritisiert. Eine der konkreten Folgen ist nun die Einstellung der Förderung der sogenannten CD Förderung. Die oberösterreichische Musikszene ist wenig überrascht entsetzt und hat folgenden offenen Brief an Landeshauptmann Stelzer und Kulturdirektor Kräter verfasst, den wir gerne teilen:
Mögen Sie Musik aus Oberösterreich?
Dann ist das wichtig für Sie: Die einzig verbliebene Fördermaßnahme für Musikproduktion auf Landesebene wurde ersatzlos gestrichen. Das erfahren MusikerInnen, die dieser Tage beim Land OÖ um Förderung ihrer geplanten CD oder LP ansuchen. Öffentlich gibt es dazu bislang keine Information, obwohl seit Anfang 2018 in Kraft. Die Nachlässigkeit in der Kommunikation verdeutlicht den geringen Stellenwert, den die Politik diesem wichtigen Förderinstrument für die Musikszene beimisst. Dass die Betroffenen in keiner Weise standespolitisch vertreten oder öffentlich organisiert sind, wird die Entscheidung erleichtert haben: „Abschlägige Auskunft bei Bedarf“ ist offenbar die Devise bei der klammheimlichen Umsetzung dieser weiteren, vermeintlichen „Spar-Maßnahme“ am Kultursektor.
Oberösterreich ist Kulturland, Wirtschaftsstandort und Lebensraum – zugleich und alles in einem. Die Streichung der CD-Förderung, so klein diese Maßnahme scheinen mag, betrifft deshalb keineswegs nur die Minderheit der antragstellenden Personen. Es ist ein weiterer Einschnitt in das vielfach vernetzte System aus kulturellen, ökonomischen und sozialen Zusammenhängen, das insgesamt die Lebensqualität und wirtschaftliche Prosperität im Land ausmacht. Die Politik trägt die Verantwortung für dieses empfindliche Netzwerk. Sie müsste es bewahren und ausbauen, stattdessen bringt sie es in Gefahr.
Wir haben einige Argumente gesammelt, warum die CD-Förderung wichtig ist. Wenn Sie diese Ansicht teilen, dann verschicken Sie dieses Mail an Interessierte, Musikschaffende und MusikliebhaberInnen, Online- und Printmedien, und teilen Sie den politisch Verantwortlichen (Landeshauptmann Thomas Stelzer, Kulturdirektor Reinhold Kräter) mit, dass Sie die Streichung der CD-Förderung für einen Fehler halten!
Musikland
Das Land Oberösterreich hat in den letzten Jahren sehr viel Geld in die musikalische Infrastruktur des Landes investiert. Das Musiktheater oder die Anton Bruckner Privatuniversität sind prominente Beispiele. Es wird Jahre und Jahrzehnte dauern, bis sich diese Ausgaben bezahlt machen. Bezahlt machen sie sich nur dann, wenn die bestehende Struktur auch belebt wird, wenn die Angebote nachgefragt und weiterentwickelt werden. Eine lebendige, lokale Musikszene wird dafür unersetzlich sein. Die CD-Förderung trifft gerade den Nachwuchs, der für diese Vitalität sorgen wird.
Bildungsschwerpunkt
Oberösterreich ist zurecht stolz auf seine Landesmusikschulen, die seit gut vier Jahrzehnten als regionale Musikimpulse das kulturelle Leben prägen. Mit der Bruckneruni gibt es zudem eine hochrangige akademische Ausbildungsstätte für Musik im Land. Dieses dichte Netzwerk musikalischer Bildung wird überregional und international wahrgenommen und gilt als vorbildlich. Umso unverständlicher, dass diese Schwerpunktsetzung in Frage gestellt wird: Mit der Streichung der CD-Förderung entfällt ein wichtiges und dabei sehr kostengünstiges Element der Nachwuchsunterstützung, ein Bindeglied zwischen Ausbildung und Ausübung der musikalischen Profession.
Konsumanreiz
Die CD-Förderung wird zweckgebunden ausbezahlt für die Produktion von Tonträgern (CDs oder LPs). Diese Tonträger müssen irgendwo aufgenommen werden, die CDs oder LPs müssen gepresst werden, die Grafik erarbeitet werden, etc. All das sind Vorgänge wirtschaftlicher Wertschöpfung, die überwiegend in Oberösterreich erfolgen. Die Förderung deckt dabei die Kosten meist nur zum Teil ab. Das Geld des Landes ist also Anreiz, um hier am Wirtschaftsstandort ein Mehrfaches der erhaltenen Summe auszugeben.
Wirtschaftsförderung
Oberösterreich will moderner Wirtschaftsstandort sein, sich den Herausforderungen von Digitalisierung und Globalisierung stellen. Nun sind gerade Unternehmen im Bereich Musikproduktion und -vertrieb (Medienunternehmen, Druckproduktion, Tonstudios, Merchandising, Softwareunternehmen, etc.) Vorreiter in diesen Gebieten. Die von der Politik vielfach hochgehobenen und geförderten Start-Up-Unternehmen am Technologie-Sektor sind gerade in diesem Marktsegement stark involviert.
Starproduktion
Oberösterreich ist Musikland. Viele bekannte Interpretinnen und Interpreten quer durch die Genres zeugen von dem hohen Stellenwert, den die Musik hier hat. Hubert von Goisern, Bilderbuch, Attwenger, Texta, Parov Stelar, Mavi Phoenix, Austrofred, folkshilfe, Frau Tomani, Krautschädl, Blonder Engel, Manuel Normal, Leyya sind nur einige von vielen namhaften Projekten. Sie alle haben „klein“ angefangen, waren in vielen Fällen vermutlich Nutznießer der nun gestrichenen Förderung. Der Erfolg einiger „Stars“ beruht auf dem Gesetz der großen Zahlen. Es braucht also eine gewisse Masse an Musikschaffenden, um den Durchbruch einiger weniger wahrscheinlicher zu machen. Um dies zu gewährleisten, ist eine stabile Infrastruktur notwendig: Aufführungsorte, Ausbildungsstätten und Förderungen.
Exportschlager
Musik ist Exportgut. Was wäre Österreich ohne Mozart? Was wäre Oberösterreich ohne Anton Bruckner? Die CD-Förderung trägt dazu bei, dass Oberösterreich international gehört und wahrgenommen wird. Die Musikgruppen, die Cds oder LPs produzieren, wollen ihre Songs auch aufführen. Sie organisieren Konzerte, unternehmen Tourneen, füllen Wirtshäuser, Clubs und Musiksäle. Mit den Tonträgern tragen sie nicht nur ihre Musik, sondern auch die Namen ihres Herkunftslandes und ihrer Heimatorte in andere Städte, Regionen, Länder – in die Welt hinaus.
Experimentierfreude
Nicht jede Musik ist kommerziell verwertbar. Manchmal braucht es Zeit, bis der „Wert“ einer Musik erkannt wird. Andere Musikstücke werden sich nie außerhalb einer kleinen Fangemeinde durchsetzen. Gerade diese Musik ist es aber, die auf Förderung angewiesen ist. Gerade diese Musik ist es außerdem, die für die entscheidenden Impulse in der musikalischen Entwicklung sorgt: Künstlerinnen und Künstler, die mit neuen Instrumenten experimentieren, mit andern Formen der Aufführungspraxis, mit alternativen Konzepten der Komposition. Das Land Oberösterreich würde gut daran tun, insbesondere die experimentellen Musikformen zu fördern und hervorzuheben. Sie sind der kreative Boden, auf dem die kommerzielle Musikkultur gedeiht.
Förderung Neu
Die Kürzung der CD-Förderung ist ein Irrtum, der am besten rückgängig gemacht wird, noch bevor sich die schädigende Wirkung der Maßnahme auch nur ansatzweise entfalten kann. Stattdessen sollte die Förderung auf digitale Produktionen ausgeweitet werden. Denn auch für die nicht-physische Musikproduktion für MP3-Anwendungen im Netz fallen Kosten für die Aufnahmen im Tonstudio, für Mastering, Artworks und ähnliche Dinge an. Die Herstellung der Tonträger verursacht nur einen Teil der Musikproduktionskosten – das gilt auch für die konventionelle Produktion auf CD und für das nach wie vor sehr beliebte Vinyl.
Ob diese Kritik gehört wird, bleibt offen. Denn die Literatin Dominika Meindl, die seit seit 12 Jahren für den offiziellen Kulturbericht des Landes OÖ die Kolumne „Kulturfolgerin“ schreibt, wollte in der jüngsten Ausgabe über dieses Thema schreiben. Allerdings wurden die dementsprechenden Sätze ohne Rücksprache mit ihr aus dem Artikel gestrichen. Daraufhin hat Meindl aus Protest ihre Tätigkeit für das Land OÖ eingestellt. Traurig, aber ein mutiger Schritt wie wir finden.
Es ist schade, dass das Land OÖ sich der öffentlichen Debatte um die Folgen der kulturpolitischen Entscheidungen kaum stellt.