FAIR PAY NOW! Workshop

Einladung zum Fair Pay Treffen – Gemeinsam den nächsten Schritt setzen

Liebe Mitglieder – Ihr seid gefragt!

Fair Pay steht nun endlich auf der Tagesordnung österreichischer Kulturpolitik. Aber was heißt das? Was können wir von der Regierung erwarten? Und was genau meinen WIR mit Fair Pay?

Wir wollen von Euch wissen, welche Erfahrungen ihr mit Fair Pay gemacht habt und welche Fragen es von Euch zu Fair Pay und zum Umsetzungsprozess auf Regierungsebene gibt!
Daher lädt die IG KULTUR jedes Bundesland zu einem Mitgliedergespräch per ZOOM ein, um gemeinsam ein Manifest zu verfassen, das die wichtigsten Forderungen und Vorschläge zur Umsetzung zusammenfasst. Das Manifest soll bis zum Fair Pay Symposium des BMKOES im Herbst fertig gestellt sein.
Für Oberösterreich gibt es, gemeinsam mit der KUPF OÖ, diesen Termin:

3.8.21 // 10-12 Uhr

Zum Hintergrund

Die Kampagne für faire Bezahlung im Kulturbereich startete vor 10(!) Jahren im Büro der IG Kultur Österreich. 

Seit einem Jahr wird nun auch vom Bund mit allen Bundesländern an dieser Schraube gedreht und im Staatssekretariat für Kunst und Kultur wurde im Herbst 2020 das „Forum Fairness“ gegründet, zu dem die Interessenvertretungen der Kulturschaffenden eingeladen wurden.

In den ersten Terminen des „Forum Fairness“ wurden die Interessenvertretungen um einen Aufriss der Problemlage ersucht und allgemeine Informationen wurden ausgetauscht. Die Frage nach den erforderlichen Budgeterhöhungen ist da auch schon aufgetaucht, konnte aber nicht verlässlich beziffert werden. Daher hat das Staatssekretariat das Gallup Institut beauftragt eine systematische Erhebung des Fair-Pay-Gaps durchzuführen. Gefragt ist die Differenz zwischen den tatsächlich bezahlten Honoraren bzw. Gehältern und den von Interessenvertretungen empfohlenen Mindeststandards. Die Erhebung wird demnächst an Euch weitergeleitet.

Wie ihr wisst, gibt es außerdem von der KUPF OÖ seit mehreren Monaten den Fair Pay Rechner. Die KUPF OÖ stellt damit ein Rechentool zur Verfügung, mit dem Dienstgeber*innen im Kulturbereich einfach berechnen können, wie hoch die zusätzlichen Kosten für eine Bezahlung nach Fair Pay ausfallen würden. Wir ermutigen alle Dienstgeber*innen, mit diesen Zahlen bei den Fördergeber*innen vorstellig zu werden und so eine Erhöhung der Förderung einzufordern.

Auch wenn sich das Manifest an den Bund richtet, ist für die Umsetzung das Zusammenspiel mit den Bundesländern und allen Mitgliedern unerlässlich!

Nehmt daher bitte die Gelegenheit wahr, eure Fragen und Forderungen bei dem Meeting einzubringen.

Wir freuen uns auf euch!

IG Kultur und KUPF OÖ

Kulturarbeit muss zuMUTbar sein!

Anlässlich der Landtags- und Gemeinderatswahlen 2009 starten dieKUPF OÖ und der Nichtkommerzielle Rundfunk OÖ eine Kampagne für zumutbare Bedingungen in der Freien Kultur- und Medienarbeit.

Die KUPF thematisiert im Rahmen der Kampagne „Kulturarbeit muss zuMUTbar sein“ die Rahmenbedingungen für Freie Kultur- und Medienarbeit. Als Grundlage dient der kulturpolitische Maßnahmenkatalog „zuMUTungen – kulturpolitische Maßnahmen für ein noch junges Jahrtausend“. http://www.zumutungen.at

Warum es notwendig ist, auf breiter Basis für zuMUTbare Bedingungen zu kämpfen!

Freie Kultur- und Medienarbeit ist jenes Feld, auf dem gesellschaftliche Modelle in der Praxis erprobt und Analysen für zukünftige Entwicklungen gezogen werden. Dies passiert oft kleinteilig und im (vertrauten) Kreis des eigenen Vereins – aber es passiert. Anlässlich der Landtagswahlen 2009 in Oberösterreich stellt Freie Kultur- und Medienarbeit ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis, macht die Rahmenbedingungen unter denen die Arbeit passiert sichtbar und arbeitet an deren Verbesserung.

Freie Kultur- und Medienarbeit kämpft dafür, dass: – eine offene Verteilungsdebatte über Fördergelder in Gang gesetzt wird. – kulturpolitische Schwerpunkte aus einem Dialog mit den handelnden Personen heraus gesetzt werden. – Freie Kultur- und Medienarbeit – egal ob sie ehrenamtlich oder bezahlt erfolgt – als Arbeit anerkannt wird. Als Arbeit an der Gesellschaft. – Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine qualifizierte ehrenamtliche Arbeit ermöglichen. – der gesellschaftliche Rechtsruck gestoppt wird und politische Botschaften statt Phrasen getätigt werden. – ein offenes Klima der Auseinandersetzung geschaffen wird.

Zur Sichtbarmachung dieser Aktionsfelder initiiert die KUPF – Kulturplattform OÖ mit dem Nichtkommerziellen Rundfunk OÖ die Kampagne „Kulturarbeit muss zuMUTbar sein“. Die Landtags- und Gemeinderatswahlen 2009 sind eine entscheidende Wegmarkierung für die politische Entwicklung in Oberösterreich.

Freie Kultur- und Medienarbeit die alle Bereiche der Gesellschaft durchdringt, mischt sich ein und arbeitet daran, dass die Rahmenbedingungen zuMUTbarer werden.

 

Fakten zur Kampagne / Was passiert? PolitikerInnenbefragung: Wie schon im Jahr 2003 bei den letzten Landtags- und Gemeinderatswahlen in OÖ wird die KUPF von den zur Wahl antretenden Parteien kulturpolitische Positionen einfordern.

Aktivitäten der Mitglieder Ein Schwerpunkt der Kampagne liegt darin, die kulturpolitischen Forderungen auch gezielt auf kommunaler Ebenen zu kommunizieren und unzuMUTbare Bedingungen aufzuzeigen.

Workshops Im September 2009 finden Workshops und Vorträge in den Regionen statt, die sich mit politischem Antirassismus und gesellschaftlichem Rechtsruck auseinandersetzen.

Materialen zur Kampagne (Plakate, Sticker..) und nähere Infos finden sich auf der eigens eingerichteten Website: http://www.zumutungen.at

Kulturarbeit im Gespräch: Verein(t) die Welt und sich selbst verändern!

Ein Audiomitschnitt des dritten und letzten Teils der Reihe „Kulturarbeit im Geschpräch“. Das Motto lautete diesmal „Verein(t) die Welt und sich selbst verändern!“
Unter der Moderation von Stefan Haslinger, sprachen die PodiumsteilnehmerInnen:
Gertrude Piontek, Obfrau des Frauenforums Salzkammergut
Riki Müllegger, Obfrau des Kulturvereins Kino Ebensee
Josef Piontek, Vorsitzender der Friedens-Städtepartnerschaft Prato-Ebensee und
Eva Sagmeister, Mitfrau im Trachtenreferat des Verbandes der Heimat- und Trachtenvereine Salzkammergut
sehr offen und deutlich von der harten (Arbeits-)Realität der so leicht und vergnüglich scheinenden Vereinsarbeit.

Zum download/stream: Kulturarbeit im Gesprach: Verein(t) die Welt und sich selbst verändern!

Kulturarbeit im Gespräch: Die Kultur(haupt)stadt des Innviertels

Hört einen Rückblick auf den zweiten Akt der Veranstaltungsreihe „Kulturarbeit im Gespräch“. Die Veranstaltung am 5. Juni 2008 stand unter dem Motto: Ried – Kulturhauptstadt des Innviertels. Ausgangspunkt der Überlegungen für diese Veranstaltung war unter anderem der Umstand, dass es in Ried 36 Kulturvereine gibt, die mit unterschiedlichster Gewichtung und Ausrichtung Kulturarbeit betreiben. Die Diskussion behandelte, zum Teil durchaus abstrakt, große Themen initiativer aber auch institutionalisierter Kulturarbeit, und kam immer wieder auf die Frage nach dem Stellenwert von (freier) Kulturarbeit in Ried zurück.

Zum download/stream: Kulturarbeit im Gespräch – Die Kultur(haupt)stadt des Innviertels

Kultur machen oder managen?

Von
Andrea Mayer-Edoloeyi

McKinsey & Company ist die weltweit führende Topmanagement-Beratung*. Die tauchen überall dort auf, wo es in Unternehmen, der öffentlichen Verwaltung, ja der Kirchen, darum geht marktkompaktibler und effizenter zu werden. Einsparungen und damit Massenentlassungen oder Verlagerung von Produktionen an billigere Standorte sind die Folge. Perfekt durchgestylter Neoliberalismus eben.

Was hat das jetzt in Spotzs zu suchen? Ich möchte ein Gedankenexperiment wagen: Was wäre, wenn McKinsey kommt und die 09-GmbH und die freie Szene berät. Da fürchte ich, da würden die KulturarbeiterInnen, die engagierten AktivistInnen in den Vereinen, schlecht aussteigen. Was in der Kulturarbeit geschieht, ist nicht oder nur bedingt an Veranstaltungszahlen, Quoten, am Output zu messen. Die 09-GmH hat natürlich das X-fache an Geld, aber sie ist ja auch dafür da, Output zu produzieren – polemisch gesagt massen- und tourismuskompatible Eventformate garniert mit ein bisserl Kritik (aber immer im Rahmen! Ziel der Kritik kann wohl nicht 09 selbst sein). Oder sogar noch schlimmer: Es geht darum, den Standort Linz mittels Kulturhauptstadt zu attraktiveren, endlich Schluss zu machen mit diesen dauernden Störungen – egal ob es da um gesellschaftskritisch arbeitende KünstlerInnen und Initiativen geht oder um Obdachlose, die das saubere Strassenbild der Innenstadt stören.

Ja, Kulturinitiativen würden schlecht aussteigen, wenn sie sich neoliberalen Kriterien unterwerfen müssten. Vermutlich gar nicht auf der Ebene des Geldes (denn eine Eintrittskarte in der KAPU ist weitaus weniger subventioniert als eine Eintrittskarte im Landestheater), sondern auf der Ebene der Formen und Inhalte der Kunst und Kultur. In Kulturinitiativen wird etwas getan, das sogar nicht en vogue ist: Es geht um demokratische Beteiligung, es geht darum, dass hier Kultur nicht „gemanagt“ wird, sondern Kultur gemacht wird, die aus dem persönlichen Antrieb der Beteiligten entsteht, die sich schon im Ideenfindungs- und Entwicklungsprozess einer demokratischen Auseinandersetzung stellen muss. Das ist manchmal mühsam, schwierig, aber letztlich doch immer wieder lustvoll, denn dabei wird etwas vorweggenommen, was heutzutage immer mehr aus dem Blick gerät: Alle können in vielfältiger Form an der Gestaltung der eigenen Lebenswelt, der Gesellschaft teilhaben. Nicht vermittelt über Parteipolitik oder sonstige VertreterInnen, sondern durchs direkte Einmischen und Gestalten. Dazu gehört unabdingbar Auseinandersetzung und auch Konflikt – im Sinne eines produktiven Austausches von Argumenten. Kommunikation wird da nicht simuliert, sondern real getan.

Naja, wo ich mich jetzt dann doch nicht mehr so sicher bin, ist, ob Kulturinitiativen wirklich so schlecht aussteigen würden. Denn eine vorschnelle Assoziation mit freier Kulturarbeit stimmt sicherlich nicht: Dass das alles unprofessionell und chaotisch wäre. Das Gegenteil ist der Fall: nicht im Mainstream mitzufließen, bedeutet einerseits, dass das Geld nie so gut fließt wie anderswo und damit andererseits gleichzeitig, dass es viel an Anstrengung, viel an Engagement mit langem Atem braucht, um überhaupt etwas machen zu können. Ohne jetzt wirklich in eine 09-GmbH. reinschauen zu können, traue ich mich aber doch zu behaupten, dass Freie Kulturarbeit im Sinne einer produktiven Organisation der Arbeit „effizienter“ arbeitet: Wäre es anders, gäbe es die freie Kulturszene gar nicht mehr angesichts der prekären Rahmenbedingungen. Aber es gibt sie diese Szene: lebendig und vielfältig, oftmals ob der unterschiedlichen Aktivitäten gar nicht so genau zu fassen – sie gibt`s, und die Spannung zwischen Notwendigkeiten und demokratisch-partizipativem Anspruch ist bleibend.

Die KUPF – Kulturplattform Oberösterreich schreibt im Rahmen ihrer aktuellen Kampagne „Kulturarbeit ist Arbeit“: „Kulturarbeit gibt zu denken, wer da wo Gesellschaft gestaltet. Kulturarbeit gestaltet Gesellschaft. Kulturarbeit ist Arbeit“. Damit ist auch klar, dass Arbeit nicht nur Erwerbsarbeit – funktionierendes Rädchen im neoliberalen Universum sein – ist, sondern dass der Begriff Arbeit, genau auch dieses Tätigsein im Sinne einer demokratisch-politischen Gestaltung der Gesellschaft meint, wie es Kulturinitiativen in der Stadt und im ländlichen Raum exemplarisch tun. Und irgendwann wird es dann McKinsey & Company nicht mehr geben.

erschienen in spotsZ 06/08

* http://www.mckinsey.com/

Kulturarbeit im Gespräch: Diskussion in Permanenz – Kulturarbeit mit Entwicklungsplänen

Hört einen Rückblick auf den Auftakt der Veranstaltungsreihe „Kulturarbeit im Gespräch“. Diese Gesprächsreihe stellt die Kulturinitiativen in den Mittelpunkt der (kultur)politischen Diskussion, und lotet ihrer Anliegen, Forderungen und Befürchtungen im Kontext regionaler / kommunaler Kulturarbeit aus.

Die erste Veranstaltung hat am 19. Mai 2008 in Steyr im Kulturverein Röda stattgefunden. Vier DiskutantInnen waren eingeladen um zum Thema „Kulturarbeit mit Entwicklungsplänen –Diskussion in Permanenz“ zu diskutieren.

Zum download/stream:Kulturarbeit im Gespräch: Diskussion in Permanenz – Kulturarbeit mit Entwicklungsplänen

Kultur, Arbeit, Misere

Im Rahmen der Kampagne würde die Broschüre „Kultur, Arbeit, Misere“ (2008) produziert. Diese Publikation mit den Begleittexten zur Kampagne „Kulturarbeit ist Arbeit“ kann hier als PDF heruntergeladen werden.

Inhalt der Broschüre:

  • FAQ zur KUPF-Kampagne „Kulturarbeit ist Arbeit“
    Klemens Pilsl, Stefan Haslinger

 

  • Accessoires des Politischen
    Franz Fend

 

  • Kulturarbeit Arbeit und Arbeit ist …was wert?
    Elisabeth Mayerhofer, Monika Mokre

 

  • Beabsichtigt ist eine tiefe Veränderung im kollektiven Denken
    Klemens Pilsl im Gespräch mit Rubia Salgado

„BEABSICHTIGT IST EINE TIEFE VERÄNDERUNG IM KOLLEKTIVEN DENKEN “

Klemens Pilsl
im Gespräch mit
Rubia Salgado
(maiz)über Kulturarbeit,politischen Aktivismus von MigrantInnen,Gegenhegemonien den Sinn des ganzen:Wo soll denn das hinführen?

Klemens Pilsl:
Was ist Kulturarbeit in unserem gesellschaftlichen Kontext beziehungsweise was könnte und sollte sie sein?
Rubia Salgado:Wenn wir einen Blick auf die verschiedenen Praxen werfen,haben wir eine enorme Vielfalt. Ich glaube differenziert ist der Ort,wo und woher sich diese Kulturarbeit artikuliert. Ich beziehe mich oft auf die Definition der KUPF für freie Kulturarbeit in den „Zumutungen “.Ich finde es sehr gelungen,wie dort der Begriff definiert wird:Kulturarbeit
im Sinne von Grenzüberschreitung. Eine Arbeit,die Grenzen überschreitet,eine Arbeit,die nationalstaatliche wie geschlechtliche Konstruktionen in Frage stellt und dekonstruiert. Eine Arbeit,die heteronormative Modelle in Frage stellt. Das würde ich als autonome Kulturarbeit,als Begriffsdefinition, mittragen.Ich interessiere mich für die Herstellung eines gegenhegemonialen Standortes der Beobachtung.

K.P.:
Zum „gegenhegemonialen Standort “in der Kultur:Wird politischer Aktivismus als Kulturarbeit getarnt,weil dies im gesellschaftlichen Kontext momentan opportun und eine der letzten Möglichkeiten dafür ist. Oder aber:Sollte freie,autonome Kulturarbeit per se politisch sein?
R.S.:Also ich bin überzeugt von der zweiten Variante,wobei ich die erste Variante nicht außer acht lassen will. Denn die Frage nach dem „Ort “des politischen Handelns ist absolut aktuell. Wo sind die traditionellen Orte wie Gewerkschaften,politische Parteien?Und andererseits,ausgehend von meiner Situation als Migrantin,wo oder in welchem Rahmen können wir als Nicht-BürgerInnen uns auch politisch artikulieren? Da bietet sich der Kulturbereich als ein interessanter Ort für Selbstorganisation und politischen Aktivismus an.

K.P.:
Heißt das dann,dass freie Kultur irgendwie ein politischer Rückzugspunkt geworden ist,wo man sich politisch selbst eine Stimme geben kann,wo man selbst politisch agieren kann?
R.S.:Ich denke maiz ist dafür ein gutes Beispiel:Hier wird seit über 10 Jahren versucht,in verschiedenen Feldern politisch aktiv zu sein –die Strategie dabei sind sich ergänzende Tätigkeiten. Unsere Kulturarbeit steht in starker Verbindung mit Bildungsarbeit. Und diese ist nicht getrennt zu denken von unseren Tätigkeiten im sozialen Bereich.Und damit ist sie nicht getrennt von politischem Aktionismus zu denken. Es ist eine verschränkte,sich ergänzende Strategie,die sich ihre Räume jedoch sehr stark im kulturellen Feld schafft. Räume der Vermittlung eigentlich. Selbstorganisierte Orte,die es uns ermöglichen, bestimmte Öffentlichkeiten anzusprechen und bestimmte Anliegen bekannt zu machen.

K.P.:
Zur Selbstorganisation:Immer mehr Aufgaben,die früher der Staat übernommen hat,werden mittlerweile selbstorganisatorisch von AktivistInnen erledigt. Gerade im angesprochenen Sozialbereich ist die Tendenz sehr stark, dass Behörden ihre Tätigkeiten an Vereine auslagern. Wie groß ist die Gefahr oder auch die Chance bei Selbstorganisation im kultur- und politaktivistischen Bereich, dass man plötzlich originäre Funktionen des institutionalisierten Staates übernimmt?
R.S.:Das ist eine lange Diskussion,eingeschrieben in bestimmte Traditionen. Du hast vollkommen Recht,die Entstehungsgeschichte der Selbstorganisation im Bereich der Kulturinitiativen Ende der 1970er und 80er lag in einem ganz anderen Kontext:Es galt Hierarchien und Illegitimitäten von Strukturen zu hinterfragen. Im Entwicklungszusammenhang des Neoliberalismus ist aber eine Umkehrung der Selbstorganisation erfolgt. Heute gibt es ein neoliberales Diktat zur Selbstorganisation,zur Selbstversorgung,zur Autonomie.„Autonomie “hat eine ganz andere Bedeutung bekommen. Heute redet man von „aktiver Arbeitsmarktpolitik “–was so nett klingt heißt aber:Du bist für dich selbst verantwortlich. Für deinen Erfolg und auch für deinen Misserfolg. Wenn du keinen Erfolg hast,bist du selber Schuld. Wenn wir das auf die kulturelle und politische Selbstorganisation übertragen,bedeutet das natürlich eine enorme Veränderung. Die Gefahr ist absolut vorhanden,dass wir mit unseren selbstorganisatorischen Ansätzen letztendlich systemerhaltend wirken. Die einzige Möglichkeit dem zu entgehen ist eine kontinuierliche Reflexion und Auseinandersetzung mit dieser Gefahr. Immer wieder die Strategien zu reflektieren,zu hinterfragen,neue Schritte zu planen.Und hier ist es der Begriff der „Kollektivität “,der nicht konform geht mit den neoliberalen Ansätzen zur Selbstorganisation. Denn dort geht es um Ich-AG ’s,um sehr individualisierende Prozesse. Aber wie wir den Kulturbereich erleben und wie wir uns definieren,das ist kollektiv. Das ermöglicht eine Verschiebung und eine Distanz.

K.P.:
Dort wo Selbstorganisation quasi-staatliche Aufgaben übernehmen darf und soll oder wo keine andere Möglichkeit bleibt,gibt es in freien Initiativen eine andere Tendenz:Initiativen mit freien,fast revolutionären Ansprüchen aus den 1970er/1980er Jahren werden im Laufe ihrer Institutionaliserung von selbstorganisierten Gruppen mit politischen und kulturellen Anliegen immer mehr zu kulturellen Dienstleistern. Ähnlich einem Supermarkt,der billige Kultur in eine Region bringt.
R.S.:Hier kommen wir auch zur ersten Frage zurück. Das Phänomen der Entpolitisierung,in verschiedenen gesellschaftlichen Fällen,in westlichen Gesellschaften,ist nicht zu leugnen. Auch nicht im freien Kulturbereich;dieses „weg “von autonomen Ansätzen. Aber es gibt jetzt andere,neue Orte,wo diese Arbeit stattfindet, die ja eine hinterfragende,eine prozessorientierte Arbeit ist. Es sind neue Felder entstanden,neue Artikulationen. In der KUPF sind zum Beispiel Behindertengruppen,die Kulturarbeit machen und da Prozesse entwickeln und nicht nur an der Herstellung von Produkten und Dienstleistungen interessiert sind. Und das kann man auch bei MigrantInnen feststellen.Wenn wir uns bestimmte selbstorganisierte Kontexte anschauen,sehen wir,dass auch andere Formen und Kontexte entstehen, die nicht zu vergleichen sind mit den Bewegungen der 80er.Aber das Ziel der Hinterfragung,das Ziel des Prozesses,das Ziel der Partizipation,diese Ziele werden von anderen weiter verfolgt.

K.P.:
Du stimmst also mit der KUPF überein,dass freie Kulturarbeit einen gesellschaftlichen Mehrwert produziert und durch ihre kulturelle Praxis wirklich eine gewisse „Umwegrentabilität “erzeugt. Die „Nützlichkeit “und „Umwegrentabilität “von Kultur taucht ja auch aktuell in der Kulturhauptstadtdebatte auf –ich gehe jetzt einmal davon aus, dass Linz im Jahr 2009 Kulturhauptstadt wird um sich als Standort zu profilieren. Und die KAPU,die Initiative aus der ich komme,ist in der Linzer Bewerbung zur Kulturhauptstadt plötzlich als „wertvolle Kulturinitiative “aufgeschienen und somit zum Standortfaktor geworden. Ich denke maiz ist auch von diesen Vereinnahmungen betroffen. Wie geht es dir damit,dass man plötzlich zum Standortfaktor wird –ob man will oder nicht.
R.S.:„Kulturarbeit von MigrantInnen “wurde im Bewerbungspapier auf jeden Fall genannt. Was besonders drastisch ist,da dadurch impliziert wird,dass Migrantinnen hier in Linz einen Platz als AkteurInnen haben. Was nicht der Realität entspricht.

K.P.:
Und ist es nicht auch gefährlich für freie und autonome Kulturarbeit,gerade in Zeiten verschärfter Standortdebatten,wenn sie immer ihre eigene Nützlichkeit betont oder meint,diese betonen zu müssen?
R.S.:Es geht hier nicht um eine Rechtfertigung der Kulturarbeit im Sinne von „wir leisten etwas “;im Sinne von Mehrwert an der Gesellschaft,um diese zu verändern. Wir bei maiz denken Kulturarbeit nie getrennt von der Idee des Erreichens einer Hegemonie im Feld des Symbolischen. Ich spreche vom Feld des Immateriellen. Da geht es darum,bestimmte Bilder und Narrative,die als gegenhegemoniell gelten,herzustellen und zu verbreiten. Beabsichtigt ist eine tiefe Veränderung im kollektiven Denken,im kollektiven Imaginären.

K.P.:
Vom Underground heraus den Mainstream beeinflussen?
R.S.:Na ja,die Frage die sich hier natürlich stellt ist:Was passiert wenn wir tatsächlich hegemonial werden? Ich plädiere dafür auf dem Weg zum Hegemonialen zu bleiben. Wir wollen nicht im Hegemonialen ankommen. Es geht darum,auf dem Weg dorthin Spannung zu schaffen;sich in der Spannung zu bewegen. Also wirklich im Sinn von Macht als Spannung. Die Spannung soll erhalten werden!

Rubia Salgado
ist Mitbegründerin und Aktivistin bei maiz und lebt in Linz;

Klemens Pilsl
arbeitet in der KAPU und lebt in Linz.

ACCESSOIRE DES POLITISCHEN

Die Beschwörung der Zivilgesellschaft ist ein Ersatzstoff für politisches Handeln, meint
Franz Fend
.

Der Begriff der Zivilgesellschaft hat auch schon viel mitgemacht. Begegnet er einem,wirkt er leicht abgerissen,zuweilen leicht schmuddelig,weil ihn zu viele schon in der Hand oder gar im Mund hatten. Dass sich mit der mannigfaltigen Verwendung des Begriffs durch die unterschiedlichsten Szenen,auch dessen Bedeutung einem Wandel unterlegen ist, ist müßig zu betonen. Der Begriff der Zivilgesellschaft hatte immer schon etwas Ambivalentes,aber die jüngste Geschichte seiner Verwendung trägt bizarre Züge. Wir erinnern uns,dass selbst der katholische Fundamentalist und ehemalige Parlamentspräsident Andreas aus der Zivilgesellschaft eine Bürgergesellschaft bastelte,die freilich eher volksgemeinschaftliche Züge trug und als ideologische Marschmusik zur Zerschlagung sämtlicher sozialer Sicherungssysteme diente. Aber Khol reklamierte die Zivilgesellschaft für sich und seine Zwecke. Etwa zur gleichen Zeit,als die Demonstrationen gegen die damalige schwarz-blaue Regierung ihren Höhepunkt erreichten und viele gesellschaftliche Gruppen und Milieus ihre Opposition zur neoliberal-rechts-konservativen Wende zum Ausdruck brachten,veranstaltete die IG-Kultur eine Konferenz zur Zivilgesellschaft. Als Teil dieser Opposition beanspruchte die Kulturszene,relevante zivilgesellschaftliche Akteurin zu sein.Die globalisierungskritische Bewegung wurde ebenso als zivilgesellschaftliche Kraft beschrieben. Doch ist ihre Bandbreite enorm. Sie reicht von den radikalen Protesten gegen die G8 Gipfel bis zu ultranationalistischen Ansagen eines José Bové,dessen Globalisierungskritik darin gipfelte,zu verhindern,dass angelsächsische Stiere die französischen Kühe besprängen.
Seit die extreme neue Rechte die Zivilgesellschaft und das Konzept der kulturellen Hegemonie für sich entdeckt hatten,sind ohnehin alle Dämme gebrochen und es verwundert nicht,dass hierzulande selbst die so genannte Antitemelin-Bewegung,ein von der Landesregierung finanziertes und gesteuertes Projekt,das in erste Linie anti-tschechische,revanchistische Reflexe zu mobilisieren trachtet,als zivilgesellschaftliche Einrichtung gelten darf. Die Verwirrung ist beträchtlich und der Begriff der Zivilgesellschaft riecht nicht nur komisch,sondern es dreht einen den Magen um,wenn man ihm begegnet.

WAS ZIVILGESELLSCHAFT ALLES MUSS
Ein Blick auf die Geschichte des Konzepts der Zivilgesellschaft und der kulturellen Hegemonie zeigt,dass die naive und romantische Lesart,die in den aktuellen Debatten,beispielsweise in den Szenen der initiativen Kulturarbeit,vorherrschend ist, nicht immer vorhanden war. Für Antonio Gramsci bedeutete Zivilgesellschaft einzig die Gesamtheit der nicht-staatlichen Organisationen,welche wesentlich die öffentliche Meinung bestimmen. Er zählte dazu Kirchen, Gewerkschaften,die Presse,aber auch Schulen,Vereine bis hin zur Architektur. Heute muss Zivilgesellschaft,so sie in einem bürgerlich demokratischen Kontext verhandelt wird,auch noch gewaltlos sein,die Menschenrechte respektieren,die Prinzipien der repräsentativen Demokratie anerkennen:„Gemeinhin meint Zivilgesellschaft eine Vielfalt gesellschaftlicher Gruppen,Initiativen und Bewegungen,die weitgehend unabhängig von staatlichen,parteipolitischen oder privat-wirtschaftlichen Institutionen wirken. Die Zugehörigkeit zu diesen gesellschaftlichen Gruppen ist freiwillig,die Organisationsstruktur demokratisch. Achtung der allgemeinen Menschenrechte,Toleranz gegenüber anderen Meinungen und Wertvorstellungen,Anerkennen der Grundsätze des bürgerlich-demokratischen Gesellschaftsmodells und des demokratischen Rechtsstaats gehören ebenfalls zu den zivilgesellschaftlichen Prinzipien.“Diese Definition,die Joachim Kolb vorschlug,ist auch hierzulande weit verbreitet,doch auf Gramsci lässt sich mit ihr nicht Bezug nehmen. Ausgangspunkt für dessen Überlegungen zur Zivilgesellschaft war die Frage,warum im rückständigen Russland die Revolution erfolgreich war und im wesentlich weiter entwickelten Westen so grandios scheiterte.Und hier brachte Gramsci die Zivilgesellschaft ins Spiel, nämlich als Hindernis für die Revolution. Allein das Ausbleiben der Revolutionen in Westeuropa sowie deren Niederlagen,dort wo sie stattgefunden hatten,war der Grund für die Auseinandersetzung Gramscis mit der Zivilgesellschaft,und nicht die Tatsache,dass der Zivilgesellschaft per se etwas Revolutionäres oder zumindest Fortschrittliches anhaftete. Zwischen der ökonomischen Basis und dem staatlichen Überbau,der „politischen Gesellschaft “ mit seinen Zwangsapparaten,so die heutige Lesart,stehe die Zivilgesellschaft,in welcher der Kampf um die Hegemonie,die Vorherrschaft über die Köpfe der Massen,ausgefochten wird.Gewiss, Gramsci hat das Feld der Zivilgesellschaft als wichtiges markiert, doch als den entscheidenden Schauplatz der Auseinandersetzung zwischen Fortschritt und Reaktion,wie diese in zeitgenössischen Debatten noch immer überhöht wird,hat er sie ebenfalls nicht beschrieben.Weil erstens die freiwillige Unterwerfung der Mehrheit in den kapitalistischen Staaten,dort wo die Zivilgesellschaft am weitesten entwickelt sei, wesentlich ökonomisch hergestellt wird,erst in zweiter Linie der gesellschaftliche Konsens aus dem Wirken der zivilgesellschaftlichen Akteure resultiert. Sabine Kebir, eine der bedeutendsten Gramsci-Forscherinnen im deutschsprachigen Raum,hat diesen Gedanken hervorgehoben,nicht ohne darauf hinzuweisen,dass Gramsci den ökonomischen Determinismus des vulgären Marxismus vehement bekämpfte.

MIT ZWANG GEPANZERT
Vielmehr beschrieb Gramsci in seiner These vom „integralen Staat “das Streben des Staates,die Zivilgesellschaft zu integrieren.„Im konkreten Leben sind politische und Zivilgesellschaft ein und die selbe Sache “,notierte Gramsci in diesem Zusammenhang. Die Zivilgesellschaft wird in diesem Prozess vom Feld der Auseinandersetzung um Hegemonie zu einem Werkzeug zur Herstellung von Hegemonie,die,wie Gramsci ebenfalls anmerkte,stets mit Zwang gepanzert sei. Der integrale Staat unterläge,so die These von Gramsci,stets einer doppelten Bestimmtheit von Zwang und Konsens,von Diktatur und Hegemonie. Die Überlegenheit der herrschenden Eliten manifestiere sich immer als „Herrschaft “und als „Intellektuelle und moralische Führung.“Gramsci ging es also um die Revolution und um die Analyse dessen,was sie vorantriebe und behindere,dazu gehörte nun auch die Zivilgesellschaft. Heute hierzulande von der Revolution zu
schwärmen wäre naiv und romantisch.Die Hegemonie der herrschenden Eliten ist besser aufgestellt denn je,der
Repressionsapparat effizienter denn je und die Zivilgesellschaft ein Surrogat von politischem Handeln und daher eine nette Dekoration des politischen und ökonomischen Status quo.
Dass zivilgesellschaftliche Zusammenhänge und Strukturen in den zeitgenössischen Auseinandersetzungen ausschließlich die Funktion haben,die Hegemonie der jeweils Herrschenden zu festigen zeigt auch die Tatsache,dass sie
von den politischen Repräsentanten stets aufs Neue beschworen werden,wenn wieder einmal Feuer am Dach ist. Gegen rassistische und antisemitische Ausfälle und Übergriffe wird sie von den Regierenden in Stellung gebracht,es geschieht selbstverständlich nur dann,wenn die Regierenden nicht gedenken,gegen Antisemitismus und Rassismus etwas zu unternehmen. Wenn der Neofaschismus wieder einmal besonders degoutant am dampfen ist,muss ebenfalls die Zivilgesellschaft herhalten,damit die Regierenden keine schärferen Gesetze gegen ihn machen muss und damit die Exekutive die Gesetze nicht durchsetzen muss. Die Zivilgesellschaft hat immer dann besonders Konjunktur,wenn sie die Regierenden und ihre Apparate selbst aus der Verantwortung entlassen möchte,sie wird dadurch zum zeitgeistigen Accessoire der vorherrschenden Politiken.

ZIVILGESELLSCHAFT ALS POLITIK-BERATUNG
Als sich zu Beginn dieses Jahrzehnts die Initiativen und Verbände der freien Kulturarbeit zum kulturellen dritten Sektor,also zur kulturellen raktion der Zivilgesellschaft formiert hatten,Demonstrationen und Resolutionen,Aktionen und Konferenzen organisierten,die allesamt zum Ziel hatten,den unerträglichen Zustand der nach der Machtergreifung der blauschwarzen Koalition herrschte,zu beenden,war Aufbruchstimmung. Das Bemühen der Aktivistinnen ging in Richtung „posteuphorischer Nachhaltigkeit “,die sich jedoch bald in Agonie auflöste.Der Widerstand gegen blau-schwarz hielt nicht einmal so lange wie diese Koalition regierte,und jene Regierung,die ihr nachfolgte,und wesentlich das Selbe macht wie ihre Vorgängerin,ist von Widerstand gar nicht mehr behelligt. Just zu einem Zeitpunkt,als die freie Kulturszene sich zu einem relevanten gegenpolitischen, kritischen Faktor entwickeln hätte können,hat sie sich als eine kulturelle Fraktion der Zivilgesellschaft konstituiert,und wurde somit zur Werbeveranstaltung für Politik selber. Die freie Kulturszene hat sich einen gesellschaftlichen Ort zugewiesen,den sie nicht hätte einnehmen müssen und den sie gewiss auch nicht einnehmen wollte. Die Vernetzung,die man angestrebt hatte,war eine Vernetzung von Expertendiskursen,die Ausschlüsse erzeugten,die Oben und Unten konstruierten. Expertendiskurse,die erst recht nicht zu Teilhabe am Politischen einluden,sondern in der politischen Repräsentation gefangen waren. Überdies wurden die zivilgesellschaftlichen Vorschläge als eine Art Politikberatung dargebracht und nicht als fundamentale Kritik derselben. Wer Politik berät,nimmt bald ihre schlechten Manieren an. Man kann Boris Buden zustimmen,der bereits im Jahr 2000 angemerkt hat:„In und mit der Zivilgesellschaft lässt sich nichts politisch Relevantes bewegen,dass die Zivilgesellschaft nur noch den Leerlauf der heutigen Politik darstellt –die wahre Form der Entpolitisierung. Erst jenseits des zivilgesellschaftlichen Horizonts öffnet sich die Möglichkeit, kreativ auf die politischen Herausforderungen zu reagieren.“

Franz Fend
lebt und arbeitet in Linz und ist Vorstandsmitglied der KUPF-Akademie.