Polizeieinsatz am 1. Mai 2009 in Linz.jpg

5:0 – Wir warten auf Konsequenzen

Nun ist es amtlich (heisst rechtskräftig). Am 11. Februar wurde auch der fünfte Angeklagte der 1. Mai-Demonstration freigesprochen. Ein Desaster für die Polizei, die ja von einem nie dagewesenen Bedrohungspotential sprach. Politiker und Vorgesetzte hatten sich reflexartig hinter die Exekutive gestellt und den gewaltsamen Polizeieinsatz für gerechtfertigt befunden. Doch was passiert nun mit der verhinderten Maidemo? Wie kann es sein, dass eine genehmigte Demonstration eingekesselt und zerschlagen wurde? Wieso wurden Demonstranten verprügelt und festgenommen? Wieso die Anklagen? Wie kann sowas gerechtfertigt werden, wenn dann keine einzige Verurteilung rauskommt? Viel Gewalt, aber keine Schuldigen. Eine massive Einschränkung des Demonstrationsrechtes, aber keine Gründe. Etliche Vorverurteilungen seitens der Politik, aber keine Konsequenzen. Eine Schande. Das gilt jedenfalls für die Politik. Fekter, Pühringer, Watzl, Manhal versuchen den Skandal offenbar auszusitzen und schweigen eisern zu den spektakulären Ergebnissen der juristischen Aufarbeitung. So wie sie schon schwiegen, als erschütternde Details der polizeilichen Ermittlungsarbeit an die Öffentlichkeit gelangten (verschwundenes entlastendes Polizeivideo, widersprüchliche Aussagen vor Gericht, Absprachen, Aussageentwürfe von Vorgesetzten usw.)

Mal sehen, noch ist die Causa nicht vorbei. Noch sind drei Beschwerden beim Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) anhängig, noch ermittelt die Volksanwaltschaft und der Menschenrechtsbeirat, noch warten wir auf das Ergebnis der polizeiinternen Ermittlungen des Büro für interne Angelegenheiten (BIA). Eines ist sicher: Wir werden nicht zulassen, dass der Skandal auf gut österreichisch einschläft, diesmal nicht! Der 1. Mai hat nämlich nicht nur gezeigt, wie schlecht es um unser Polizei- und Rechtssystem bestellt ist, er hat auch bewiesen, dass sich die Zivilgesellschaft wehren kann, dass Solidarität auch ab und zu belohnt wird, dass es Sinn macht Bündnisse und Allianzen zu schließen und gemeinsam öffentlichen Druck zu machen. Das Bündnis gegen Polizeigewalt hat vorexerziert wie es gehen kann, nahezu alle linken Gruppen in Linz, praktisch die gesamte freie Kunst- und Kulturszene und nicht zu vergessen zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Kinderfreunde und die Volkshilfe haben das Bündnis unterstützt und mitgetragen. Danke an alle, der Erfolg gibt uns Recht!

Ideengenerator anwerfen

170.000 Euro umfassen vier Kultur-Förderprogramme der Stadt Linz. Die
vier Kategorien umfassen Leerstand, Ausland, Im Ort und Stadtteil.

LINZimPULS — Die Stadt Linz schreibt das Förderprogramm LINZimPULS 2010 in der Höhe von Euro 90.000,– aus. Der LINZimPULS unterstützt freie KünstlerInnen, Kulturschaffende und die Freie Szene in Linz.
Projektinhalt: Leerstand in Linz
Bewerbungsfrist: 27. April 2010

LinzEXPOrt 2010 — Die Stadt Linz schreibt auf Empfehlung des Stadtkulturbeirates und mit Unterstützung des Landes Oberösterreich ein Förderprogramm unter dem Titel „LinzEXPOrt“ aus, das mit einer Gesamtfördersumme in der Höhe von Euro 50.000,– ausgestattet ist.
Projektinhalt: Das Förderprogramm „LinzEXPOrt” soll im Besonderen KünstlerInnen experimentelles und prozesshaftes künstlerisches Arbeiten ermöglichen.
Bewerbungsfrist: 28. Mai 2010

LinzIMpORT 2010 — Das Förderprogramm „LinzIMpORT“ soll KünstlerInnen bzw. freie Kunst- und Kulturinitiativen mit Linz-Bezug experimentelles und prozess- bzw. projekthaftes künstlerisches Arbeiten in Linz mit Kunstschaffenden, die außerhalb von Österreich tätig sind, ermöglichen.
Bewerbungsfrist: 28. Mai 2010

LinzKultur/4 — Die Stadt Linz schreibt den Förderpreis LinzKultur/4 – Förderpreis der Stadt Linz für innovative Stadtteilkulturarbeit aus, welcher mit einer Gesamtsumme von Euro 10.000,– ausgestattet ist. Der Förderpreis LinzKultur/4 sollte einen Anreiz zum kulturellen Austausch oder zur künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Stadtteil/Viertel schaffen.
Bewerbungsfrist: 15. September 2010

Den Ideengenerator anwerfen und Einreichen!

Es ist uns nicht egal, aber …

Am Freitag, den 12. Februar, haben sich in Wien 200 Juristen aus 30 Staaten getroffen, um sich im Rahmen der 38. Europäischen Präsidentenkonferenz mit der Möglichkeiten der Verschiebung vom Rechts- hin zum Überwachungsstaat zu beschäftigen. Zentrales Thema dieses Treffens war die Vorratsdatenspeicherung. Die Vorratsdatenspeicherung, also die über mindestens ein halbes Jahr gespeicherten Daten der Telefon- und Internetkommunikation (wer wen wann von wo aus kontaktiert hat), bedingt, dass Daten quasi anlaßlos und verdachtsunabhängig, sozusagen als präventive Sicherheitsmaßnahme gespeichert werden, damit im Falle des Verdachts, die vermeintliche Täterschaft überführt werden kann. Tatsächlich beauftragte das Infrastrukturministerium letztes Jahr das Ludwig-Bolzmann-Institut für Menschenrechte (BIM) mit dem Gesetzesentwurf zur Vorratsdatenspeicherung.
Problematisch ist, dass einerseits von Seiten der Politik der Terrorismus als Hauptargument angeführt wird, andererseits negieren viele Menschen ihre Rechte mit dem Totschlagargument “ich habe nichts zu verbergen”.
Hannes Tretter, Leiter des BIM, beurteilt in einer Aussendung auf Futurezone, die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (2006/24/EG) als „schlechthin ungeeignet, um den Terrorismus und die organisierte Kriminalität zu bekämpfen. Die Vorratsdatenspeicherung trifft in Wahrheit den Normalverbraucher.“ Vorallem die Speicherung von Daten ohne Anlaßgrund widerspricht dem Schutz auf Privatsphäre in jeder Hinsicht. Europa hat ein Problem. Und der Einzelne, der von sich behauptet, er habe nichts zu verbergen, wird zum Problem für die Gemeinschaft.
Und trotzdem das BIM bemüht war, die Richtlinie zu entschärfen, fordern zahlreiche Juristen die Regierung auf, die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung zu verweigern und ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof zu akzeptieren.
Es bleibt also spannend, wie stark der Widerstand gegen diese Kultur der Kontrolle sein wird …

“Die Freiheit der Kunst, das ist ja etwas sehr, sehr Wichtiges”

…sagt Stefan Petzner, seines Zeichens Kultursprecher des BZÖ und klagt den Wiener Cernin Verlag. David Schalko hat 2009 den Prosaband mit dem Titel “Weiße Nacht” veröffentlicht. Und darin fällt das entscheidende Stichwort: Lebensmensch. Jener Ausdruck, der Ende 2008 zum österreichischen Wort des Jahres 2008 gewählt wurde und 2009 als insbesonders österreichischer Ausdruck in den Duden aufgenommen wurde. Tja. Mit der Klage gegen den Verlag jedenfalls treten einige interessante Aspekte zutage, die als Gesamtpaket als Realsatire Made in Austria gelesen werden können.

Zunächst ist es gelinde gesagt mehr als bedenklich, dass Petzner dem Autor unterstellt, Mechanismen und Stilmittel zu verwenden, die in der NS-Zeit angewandt worden sind. Parallel dazu bekennt sich Petzner in einem Interview als echter Kunst- und Kulturfan: „Ich bin immer für die Freiheit der Kunst, das ist ja etwas sehr, sehr Wichtiges, ein sehr, sehr hohes Gut.“ (Und wir wissen von Victor Klemperer, dass man hinsichtlich Übertreibungen und Überhöhungen skeptisch sein sollte)

Leider wird mit seiner Klage eines klar; weder versteht das vermeintliche Opfer medieneigene Mechanismen: mit der Klage bewirbt er das Buch. Noch kann er sich von einem Werk distanzieren, von dem er sich angesprochen fühlt, trotzdem er der Kunst ihre Freiheit zugesteht. Vermutlich stört es Petzner, dass den Protagonisten im Buch das gleiche Tattoo ziert, wie ihn selbst. Es ist ein kleiner Delfin auf dem Unterbauch. Woher Schalko das wissen konnte? Nun, Petzner posiert ja auch gerne Fotomodell, sagt das Internetorakel.

Lieber BZÖ-Kultursprecher, mögliche Ähnlichkeiten mit deiner Person sind vermutlich frei erfunden und rein zufällig! (War das nun eine Untertreibung? Zumindest ist mir entfallen, ob sich Klemperer auch dazu äußerte …)

MARA – eine Initiative zur Verbesserung der Berufs- und Lebensperspektiven von asylberechtigten und subsidiär schutzberechtigter

maiz und Frauenstiftung Steyr entwickelten aus jahrelanger Erfahrung in Bildung, Beratung und Begleitung von Frauen (mit und ohne Migrationshintergrund) ein Konzept zur Unterstützung von asylberechtigten Frauen und subsidiär schutzberechtigten Frauen bei ihrem Einstieg in eine
qualifizierte Berufstätigkeit.

Das Projekt MARA umfasst Beratung, Berufsorientierung, Auseinandersetzung mit der Lebensund Arbeitssituation in Österreich, Qualifizierung, erste Praxiserfahrungen im gewählten Berufsfeld und konkrete Begleitung und Unterstützung beim Einstieg in ein Arbeitsverhältnis oder Ausbildungsmodell (z.B.: Implacement). Die Frauen werden dabei individuell begleitet und im Rahmen eines mehrmonatigen Kurses können sie neben einer zusätzlichen Qualifizierung im Austausch mit Kolleginnen einander stärken und im Rahmen von Schnupperpraktika einen praxisorientierten Einblick in den Berufsalltag bekommen, bevor sie die persönliche Entscheidung für ihre weitere berufliche Tätigkeit und Fortbildung treffen. Ziel ist es, dass am Ende der Maßnahme jede Teilnehmerin eine sehr konkrete Perspektive für einen Ausbildungs oder
Arbeitsplatz hat.
Besonderes Augenmerk wird auf die bereits mitgebrachten Qualifikationen, interkulturellen Kompetenzen und Erfahrungen sowie auf die berufsspezifischen Aspekte und eine Auseinandersetzung mit antirassistischen und feministischen Strategien gelegt. Wir verstehen diese Maßnahme als „work in progress“, bei der bereits im Konzept, im Besonderen aber in der Umsetzung alle Beteiligten eingebunden sind und sämtliche Inhalte, sowie Methode und Evaluation in Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der Zielgruppe entwickelt und umgesetzt werden. Gleichzeitig ist MARA eingebettet in ein Netzwerk und eine fachübergreifende Zusammenarbeit von ExpertInnen unterschiedlichster Fachrichtungen und Organisationen.

Der in die Maßnahme integrierte Kurs wird am 1. März 2010 in Linz starten. Vorbereitung,
Beratung und individuelle Begleitung der Frauen starten ab sofort. Wir laden interessierte Frauen ein, sich zu melden bei:
· maiz, Klammstraße 3 und Hofgasse 11, Kim Carrington, Tel. 0732 / 89 00 77
· Frauenstiftung Steyr, Hans-Wagnerstraße 2-4, Angelika Piffer Tel. 07252 / 87 37 3-115 oder mobil: 0664 / 73 22 57 38

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Aktionstage – these are the days

Auch in den Ferien gilt das Motto: Es brennt … an den Universitäten! Der Protest geht weiter und dazu gibt es nun Aktionstage, die zu einem gesamtgesellschaftlichen Protest gegen die Ökonomisierung aller Lebensbereiche aufrufen.

Die protestierenden StudentInnen der JKU-Linz planen am 10. März eine große Auftaktkundgebung zum Bildungsgipfel in Wien, der von 11.-14. März stattfindet. Dabei sollen nicht nur Bildungsthemen transportiert werden, sondern verschiedene Problematiken, die durch die Ökonomisierung aller Lebensbereiche entstehen. Möglichst viele Organisationen sollen daran teilnehmen und ihre Themen an einem Infotisch präsentieren. Auf der Bühne wird außerdem ein offenes Mikrofon bereitstehen. Geplant ist weiters ein umfassendes Kulturprogramm, um eine möglichst große Menge an Menschen zu erreichen.

Zum Protest in Wien gibt es diese Woche an der Kepleruni (Raum K033C) den Auftakt. Am Donnerstag, den 11. und am 22. Februar treffen sich interessierte StudentInnen, Gruppen, Vereine, ect. jeweils um 18:00 Uhr an der Kepler Uni.

§278a – mit Sicherheit eine Riesensauerei

Am 2. März beginnt ein Monsterprozess, der den maroden Zustand unseres Rechtsstaates eindrucksvoll illustrieren dürfte. 13 TierschützerInnen wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. 10 von ihnen waren 2008 monatelang in Untersuchungshaft. Den AktivistInnen dürfte ihr Erfolg zum Verhängnis geworden sein. Sie hatten konsequent und auch ein wenig penetrant gegen Pelztierhaltung demonstriert und kampagnisiert. Das letzte „Opfer“ der TierrechtsaktivistInnen war Kleider Bauer, ein Konzern mit offenbar besten Kontakten ins Innenmnisterium. Die SOKO „Bekleidung“ observierte die Szene daraufhin in einem bisher nie dagewesen Ausmaß. Telefonüberwachung, Peilsender, Kameras und dutzende Beamte im Einsatz. Um Geschäftsinteressen zu wahren und wohl auch mangels islamistischer Terrorzellen in Österreich. Unmengen an Steuergeld wurden dafür aufgewendet, wohl auch ein Grund, warum eine Einstellung der Verfahren für Polizei und Staatsanwaltschaft keine Option ist, denn so viel Aufwand muss gerechtfertigt sein. Einzelne Straftaten konnten nicht nachgewiesen werden, also wird der Mafia-Paragraph bemüht. Der wurde 2002 von der Schwarzblauen Regierung mit dem Argument eingeführt gegen Schlepperbanden und Terroristen vorgehen zu wollen, was auch die weitreichenden Befugnisse der Ermittler erklärt. Nun wird der § 278a auf absurde und skandalöse Weise gegen NGOs angewendet. Diese Entwicklung ist ein Lehrbeispiel dafür, wie mit angeblichen Sicherheitsinteressen Schindluder getrieben wird.

 

Diskutiert wird über Al-Quaida, bekämpft werden NGOs. Somit haben sich alle damaligen Bedenken bewahrheitet. Details dieser Causa sind so zahlreich und so erschütternd, dass sie den Rahmen eines Blogs bei weitem sprengen würden. Nur ein Beispiel zum Abschluss: im aktuellen Profil ist zu lesen, dass das Haus einer UVS-Richterin durchsucht wurde, weil sie ein angeblich „Tierschützer-freundliches“ Urteil gefällt hätte. Kein Scherz. Also liebe SOKO Bekleidung: Ich war 12 Jahre lang Vegetarier und hab einen Tierschützer für das KAPU-Zine interviewt: Wollt ihr jetzt meine Wohnung durchsuchen? Freitag hätt ich Zeit, aber bitte erst ab 8.00 Uhr und abends geh ich dann auf den KAPU-Polizeiball.. Weg mit dem § 278a! Österreich, jetzt reiß dich mal zusammen!

Mit Sicherheit. Die Hilfs-Sherrifs kommen …

„Sicherheit bedeutet alles und nichts. Sicherheit ist eine Illusion, ein in Wahrheit nicht einhaltbares Versprechen. Sicherheit ist in politischen Auseinandersetzungen jener Trumpf, der ultimativ sticht“ liest man in der Ausschreibung zum Innovationstopf 2010. Zwar war Sicherheit/Kriminalität traditionell ein „rechtes“ Thema, jedoch ist es nun schon längst salonfähig. Auch bei den letzten Landtags- und Gemeinderatswahlen in OÖ war das Thema Sicherheit eine erfolgreiche Strategie. Es fallen dabei gleich mehrere Dimensionen zusammen: einerseits das Unsicherheitsempfinden der Menschen und auf der anderen Seite das Sündenbockphänomen: denn warum werden Asylwerberinnen in Medien und der Politik als Thema lanciert und als kriminell bezeichnet? Das Verbreiten von Kriminalitätsszenarien zeigt ja kaum Auswirkungen auf das Unsicherheitsempfinden in der Bevölkerung. Warum Szenarien, wie Asylwerberinnen = Kriminell, von Medien laciert werden, hat natürlich seine Gründe: auf der einen Seite hat das mit medieneigenen Bedürfnissen zu tun, das bringt Quoten (only bad news are good news), und wenn sich sonst nichts tut, eignet sich das immer. Und es gibt die politische Instrumentalisierung: die Ablenkungsfunktion, die Sündenbockfunktion…man kann mit Kriminalität sehr gut Politik machen. Governing through Crime. Kriminalität wird im politischen Kreislauf instrumentalisiert, um entweder das Verhalten der Menschen zu steuern, oder andere Ziele zu erreichen oder um zu demonstrieren, dass hier durchgegriffen wird; es wird „was gemacht“, man setzt sich für die Bedürfnisse der Menschen ein, um abzulenken; so nach dem Motto: wenn wir uns schon aus der Arbeitsmarktpolitik herausnehmen, weil es die neoliberale Doktrin von uns verlangt, dann greift man zumindest gegen Kriminalität durch, um ja keine Legitimations- und Vertrauenskrise entstehen zu lassen.
Bei den Wahlen im Herbst schenkten viele Wählerinnen dem „Sicherheitsversprechen“ Glauben. Wimmer von der FPÖ ist jetzt für die Stadtwache verantwortlich (Wimmer wurde beim Bundesheer der Aufstieg in einen Offiziersrang versagt, weil das Heeres-Abwehramt vor dessen Kontakten zu Rechtsextremen gewarnt hatte. Heute ist Wimmer Sicherheitsstadtrat in Linz).
In Linz kommt die Stadtwache im Sommer. Für die FPÖ soll diese in der Öffentlichkeit Präsenz zeigen und zum einen präventiv wirken, zum anderen das Sicherheitsgefühl (sic!) steigern. Und das was-wäre-wenn-Spiel eignet sich gut für Spekulationen. So ist sich Wimmer sicher, dass „wäre die Stadtwache in jener Straßenbahn anwesend gewesen, in der kürzlich ein 14-Jähriger zusammengeschlagen wurde, wäre die Sache sicher anders ausgegangen“. Wie hätte das mit 18 in Linz verteilten Stadtwächtern funktionieren sollen? Eine Wahrscheinlichkeitsrechnung muss her!
Bei strafbaren Handlungen hätten die Stadtwächter die Kompetenz zur Anhaltung; und Wimmer träumt weiter: „Täter könnten an der Flucht gehindert und der Polizei übergeben werden.“ Schwelgt da jemand in Räuber-und-Gendarm-Kindheitserinnerungen? In Wirklichkeit wurden im Vorfeld die Ausschussmitglieder vom Sicherheitsstadtrat aufgefordert, Vorschläge über die Aufgabengebiete zu unterbreiten. ÖVP und FPÖ sind sich sehr einig.

Zum Thema Stadtwache in Linz liest man, kaum ist das Kulturhauptstadtjahr vorbei, auf Standard.at „Mit Pfefferspray gegen Hundekot in der Stahlstadt”. Die Kompetenzen sollen jedenfalls „breit gefächert“ sein: Entfernung von Hundekot, Verhinderung von Schmierereien, illegaler Bettelei und Straßenmusik, Kontrolle der Sperrstunden und des Jugendschutz und der Sperrstunden. Bei Lärmerregung und Anstandsverletzungen soll die Stadtwache einschreiten. Anstandsverletzungen? Geht die Stadtwache als „Kulturpolizei“ nun gegen Graffitis, gegen Schwule im Volksgarten, gegen Punks mit grünen Haaren vorm Lentos vor? Kleidungstechnisch stellt sich Wimmer eine Uniform vor. Um gegen das Schlecht wehrhaft zu sein, wird die Stadtwache mit Pfeffersprays ausgestattet. Was also wird passieren, wenn sich eine Hundehalterin nicht an die Anweisungen der Stadtwächter hält?

Oder um es mit Evey aus V for Vendetta zu sagen: „Künstler lügen, um die Wahrheit aufzuzeigen. Politiker lügen, um die Wahrheit zu vertuschen!“ Überlegt wird jedenfalls eine externe Security-Firma zu engagieren. Der Sicherheitsriese Securitas freut sich schon über mögliche Aufträge. Und angeblich werden zur Zeit auch mehr Alarmanlagen gekauft.
Vielleicht sollten wir einfach alle eine multiple Einheit werden? V-Masken für Alle, die beobachtet, kontrolliert, diszipliniert, angehalten werden … Hundehalter, Schwule in Parks, Jugendliche, Nachtschwärmer, Graffiti-Sprayer,…wer noch?

Bilder: Vor- & Nach-

Zehn Jahre ist es schon her? Beim nichtssagenden Interview mit dem Schweigekanzler letzte Woche in Der Standard sind mir viele Bilder hochgekommen.

Zum Beispiel im Bus, irgendwo eher südlich in Linz: Bei irgendeiner Haltestelle ist eine laute Gruppe Jugendlicher eingestiegen. Forsch, selbstbewußt, dominant haben sie sich breit gemacht, und die üblichen Omas hinter uns haben unglücklich getuschelt. Mit meinen zwei Kindern dazwischen eingequetscht, überraschte mich meine plötzliche Wut auf die aufgebrachten Omas. Wieviele von denen, dachte ich, fanden die schreckliche schwarzblaue Koalition ganz in Ordnung? Und wieso konnten sie keine Verbindung sehen?

Mit solchen Vorbildern in der Politik, wie sollten sich junge, männliche, offenbar nicht gerade gut gebildete Österreicher sonst verhalten? Ellbogen einsetzen, sich forsch behaupten, alles nehmen, was man irgendwie so kriegen kann, jeden Anschein von Schwäche verachten, sich in jeder Hinsicht als berechtigt ansehen, niemals Rücksicht nehmen oder Verständnis für andere zeigen, die nicht zur eigenen Gruppe dazu gehören. Anders wäre Schwarzblau auch nicht zustande gekommen.

Zehn Jahre ist es her. Meine Kinder, die damals im Volksschulalter waren, haben die Schule inzwischen abgeschlossen und wollen – wie viele ihrer Freund_innen – Österreich auf jeden Fall verlassen. Und wo sind heute die Jugendlichen, die damals den Bus für sich beanspruchten? Fahren sie alle nun im Cabrio? Findet man sie unter den abkassierenden Banken- und sonstigen Managern? Tanzten sie beim WKR-Ball in der Hofburg mit? Oder sind sie womöglich unter den prügelnden Polizisten zu finden? Oder füllen sie bloss die Bierzelte, wo einschlägig gefärbte Politiker ihnen einreden, die „anderen“ – die Ausländer, die Linken, die Schmarotzer, die Terroristen – seien schuld daran, damit das sich vollsaufende Publikum nicht merkt, wer tatsächlich mit den ganzen gestohlenen Hoffnungen im Cabrio rasend davon fährt.

Abgrund und Leuchtfeuer

»Ich dachte, ich kotz mich gleich an«. Christian »Giro« Diabl über die Zielscheiben der politischen Aggression im Hausruck.

 

Die Halle ist zum Bersten voll, bierselig jubeln 800 echte Österreicher Strache, Mölzer und Haimbuchner zu. Frankenburg, 400 Jahre nach den Würfelspielen: »Sie soll nach Hause gehen«, gröhlen die Besoffenen, ein Hauch von Pogromstimmung. Ein Funke und der rechte Mob hätte wer weiß was getan. Ich war nicht dort, befreundete Journalistinnen erzählten mir vom blauen Wahlkampffinale im Wohnort Arigonas. »Ich dachte, ich kotz mich gleich an«, war der Grundtenor. Selbst hartgesottene FPÖ-Wahlkampfbeobachterinnen konnten ihr Entsetzen nicht verbergen. Ein 17jähriges Mädchen mußte als Projektionsfläche für den Hass der »Schlechtmenschen« herhalten. Die Schilderungen jenes Abends gehen mir durch den Kopf, als ich die Autobahn nach Wels verlasse und in einen Teil Ober-österreichs komme, den ich bisher nur aus dem Geschichtsunterricht kannte. 1934 wurde hier gekämpft, Schutzbündler an die Wand gestellt. Ich bin ein wenig besorgt, ob aus dem steten Nieselregen nicht doch Schnee werden könnte, da ich natürlich noch mit Sommerreifen unterwegs bin. Hügelig, rural und typisch österreichisch ist der Hausruck. Chris Müller, der Intendant des Theater Hausruck, hatte mich eingeladen, einer von vielen, die sich dem Abgrund entgegenstellen. Wir sprechen über die vergangenen zwei Jahre, die unglaubliche Dynamik und die erschreckende Dramatik, welche die Debatte um das Bleiberecht der Familie Zogaj entfaltete. Die Causa ist Kulminationspunkt einer sich ständig verschärfenden Migrations- und Asylpolitik in Österreich. An ihr lässt sich viel ablesen und doch nichts verstehen.

Wie konnte es soweit kommen? Im Herbst 2007 war Feuer am Dach, eine 15 jährige Frankenburgerin brachte ungeplant den restriktiven Konsens in der Asylpolitik ins Wanken. Zumindest für kurze Zeit. Statistiken erschrecken keinen mehr. Viele wissen, dass in Österreich gegen alle Konventionen Minderjährige in Schubhaft genommen werden, doch sorgt das kaum für Protest, weil zu abstrakt. Plötzlich aber gibt es ein Gesicht dazu, ein junges hübsches Gesicht, große »unschuldige« Augen, die der Unmenschlichkeit eines bürokratischen Systems Gestalt verleihen. Fast alle Medien waren auf der Seite der Zogajs, der Gemeinderat sprach sich einstimmig (!) für deren Verbleib aus, der Landeshauptmann ebenfalls. »Die Leute waren zum ersten Mal alle dafür, dass sie dableibt, haben gesagt: so geht´s nicht«, erinnert sich Chris Müller an die ersten Tage. Er hatte die beeindruckende Demonstration im Ort organisiert, auf der unter den argwönischen Augen der Staatspolizei auch Nationalratspräsidentin Barbara Prammer sprach. Für einen kurzen Moment schien ein Diskurs möglich, der, obwohl notwendig und alternativlos, so lange nicht vorstellbar war: Eine grundlegende tabulose Debatte über österreichische Identität, Migration und die Zukunft unserer Gesellschaft. »Anfangs haben alle das Gefühl gehabt, dass jetzt endlich eine positive Zäsur wäre, wie Hainburg oder so.« Wenige Tage später schlug das Imperium zurück. Der stark unter Druck geratene Innenminister Platter gab den Startschuss zur Wende. Am Rande einer ÖVP-Klausur am Wolfgangsee kommentierte er den Fall mit den Worten Helmut Schmidts, eines Mannes, der dem Tiroler Leichtgewicht politisch wohl nicht mal die Hand schütteln würde. »Ein Staat darf sich nicht erpressen lassen.« Ein fatales Signal an die Stammtische, die wie von der Kette gelassene Hunde über das Thema herfielen und die wenige Tage dauernde positive Grundstimmung in altbewährter Manier zerschmetterten. Was dann folgte, spricht für den erbärmlichen Zustand unserer Gesellschaft, die Diskursunfähigkeit, die diese unterentwickelte Demokratie kennzeichnet. Aus dem Mädchen wurde schlagartig eine Bedrohung für das gesamte Gemeinwesen. Datenbanken wurden angezapft, EKIS-Auszüge an die Medien gespielt, Gerüchte verbreitet. Professionell und erbarmungslos, zu groß war die Gefahr eines Stimmungsumschwunges in der Bevölkerung. Strafregisterdaten, Polizei- und Krankenakten, Protokolle der Fremdenpolizei und Informationen über Vermögensverhältnisse wurden publik. Peter Pilz spricht von einer gezielten Diffamierungskampagne. In diesem Zusammenhang wird gegen zahlreiche Beamte ermittelt, unter anderem auch gegen Platter und Pühringer. Zusätzlich zu den behördlichen Daten gerieten nach und nach Unwichtigkeiten und Lügen an die Öffentlichkeit. Das staatliche Mobbing ergänzte sich auf tragische Weise mit der Gerüchteküche der »einfachen Leute«. »Man hat irgendwie das Gefühl gehabt, es ziehen sich Schrauben zusammen und man kann nichts dagegen machen, auf einmal war es ganz unangenehm, man hat gemerkt, es passiert was im Hintergrund«, erinnert sich Chris Müller an das Ohnmachtsgefühl jener Tage. Kein einziges Gerücht, keine der zahllosen Unterstellungen hält einer Überprüfung stand. Aber das spielte längst keine Rolle mehr. Die beinharte Medienlogik hatte alle Protagonistinnen fest im Griff. Positive Energie mündete in eine Welle des Hasses, die bis heute ungebrochen anhält und die betroffenen Personen schrittweise kaputt gemacht hat. Die rechte Mehrheit hat ein Exempel statuiert. 20 Jahre restriktiver Asylpolitik standen auf dem Spiel und verlieren war nicht drin für Platter & co.

Leuchtfeuer Seitdem ist im Hausruck nichts mehr wie es war. Die Bevölkerung tief gespalten, die Unterstützerinnen Arigonas weithin angefeindet und eine Abwärtsspirale, die sich scheinbar unaufhaltsam weiterdreht. Die Grundfrage, wie das passieren konnte, wie so ein dramatischer Stimmungsumschwung möglich war, beschäftigt Chris Müller und seine Mitstreiterinnen bis heute. Einen spektakulären Versuch, sich der Thematik auf künstlerischer Ebene zu nähern, startete das Theater Hausruck im vergangenen Sommer. »A Hetz oder die letzten Tage der Menschlichkeit« heißt das Stück, das in bewährter Zusammenarbeit mit Franzobel entstand, Asyl- und Migrationspolitik thematisiert und in Form einer Theaterreise mit zahllosen Laiendarstellerinnen aus der Region umsetzt. Dynamisch, eindrucksvoll und verstörend soll es gewesen sein. »Wir wollten ein Stück über Gerüchte machen, angelehnt an diesen Fall mit der Frage »Wie konnte das umschwenken?«, das haben wir auch eingebaut.« Ich habs nicht gesehen, da ich im Sommer wie so oft unwichtigeres zu tun hatte. Als ich die Fotos durchblättere ahne ich, was ich verpasst habe. Kulisse und Umgebung, Zuschauerinnen und Darstellerinnen, Inszenierung und Realität verschwommen zu einem verstörenden Gesamtbild, das niemanden kalt ließ und so manchem die Grenzen der eigenen Belastbarkeit aufzeigte. Genese und Umsetzung des Projektes reihen sich nahtlos in die Ereigniskette der vergangenen zwei Jahre ein. Sponsoren sprangen ab, keine Unterstützung vom Land, lediglich Linz09 finanzierte das Theater geringfügig. Finanziell war die Inszenierung wie meist ein enormes Risiko. Glücklicherweise halfen einige bei der Publicity mit. Neben dem »Dauerbrenner« Arigona wurden nun auch das Theater Hausruck und Chris Müller als Person zur Zielscheibe der politischen Aggression. Zeitungsinserate prangerten die Kulturaktivistinnen als Nestbeschmutzer und »Gutmenschen im Dienste der Asylmafia« an. Das Wahlergebnis in der Region sprach dann Bände… Abends nimmt mich Chris Müller noch zum Theaterstammtisch mit und ich verlasse den Hausruck schließlich doch noch mit vorsichtigem Optimismus und der Gewissheit, dass es nach wie vor viele Menschen gibt, die den Status Quo nicht einfach so hinnehmen, den Finger in die Wunden legen und auch vor persönlichen Risiken nicht zurückschrecken. Ich hoffe, dass aus diesem immer wieder erneuerten Projekt eine dauerhafte Einrichtung wird und dass wir das Theater Hausruck bald als KUPF-Mitgliedsverein begrüssen dürfen.

Christian Diabl, Politikwissenschafter und Kulturaktivist in Linz und Wien