Die Gefahr, die Gefahr

Letzte Woche sprach Anne Roth (Pseudonym) in dem Vortrag „Du bist Terrorist?“ über jenen Terrorismusverdacht, der ihren Lebensgefähren und ihre Familie betraf.

 

In Short: Der besagte Lebensgefährte ist Soziologe und forscht im Bereich Stadtsoziologie/Gentrification. Wie es zu der vermeintlichen/tatsächlichen Verdächtigung kam, entnimmt man am einfachsten über eine Radiosendung im FROzine.

Doch wie kam der Wissenschaftler ins Visier der Polizei? Nun, man kennt die Geschichten, die Verschwörungstheorien, dass der Verfassungsschutz, Geheimdienst oder die Polizei auf bestimmte Begriffe „sensibel“ reagieren. Was genau wann wie warum ermittelt wird, bleibt geheim. Es ist ja eine Ermittlung. Bei Andrej Holm war es so, dass seine wissenschaftliche Auseinandersetzung im Feld Gentrifizierung/Gentrification durch einen Zufall ausreichend war, um verdächtig zu werden. Und das ist keine Vermutung, sondern ergab sich durch das monatelange Studium der „Verdächtigen“ mit den Vorwürfen durch die Polizei. Jedenfalls, der Fall ist ein Indiz dafür, dass der Begriff und die Aktionen um Gentrification vom Staat unerwünscht sind. Goethe revisited: „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens goldner Baum.“ Tja. Ein Begriff ist nicht nur bloße Theorie, sondern kann auch BürgerInnen-Bewegungen nachsichziehen; in diesem Fall, wenn Stadtteile durch Verschönerung/Verteuerungs-Interessen durch Investoren für BürgerInnen nicht mehr leistbar ist. Das ist Prostest, vor dem der Staat das Kapital schützen will.

Anna Roth zählte in Ihrem Vortrag noch weitere 6 Begriffe auf, die aus der Polizei-Perspektive verdächtig sind.

Einer davon ist: das Prekaritat.

 

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Éric Cantona

Christlich-sozial. Sozial-demokratisch. Heute wurde das neue Fremden“recht“, durch die Koalition (wieder einmal neu) beschlossen. Menschen werden in jene, die „wir brauchen“ und jene die – freundlich formuliert – „geduldet werden“ separiert. Zweitere oder letztere müssen zudem schon vor oder mit der Einreise über Deutschkenntnisse verfügen. In der wirklichen Welt, unter wirklichen Umständen, weiss man, dass dies in den meisten Fällen nicht der Fall sein wird. Auf der Flucht innerhalb von wenigen Tagen eine Sprache zu lernen, das vermag vermutlich nur der eine oder andere Idiot Savant.

Ute Bock hatte schon recht mit Ihrer Einschätzung, dass PolitikerInnen, die ihr Leben zwischen Enqueten, Empfängen, informellen Verbindlichkeiten, Wirtschaftsabkommen, Homepages und schwindlichen Privatisierungen fristen, in einer Welt, in welcher ein Chauffeur oder
Chauffeuse, die Verantwortlichen von der Tiefgarage zum nächsten Treffen fährt, von der Wirklichkeit eines Asylsuchenden keine Ahnung haben.

Éric Cantona, enfant terrible des französischen und englischen Fussball erregte mit einer Boykottaktion gegen Banken Aufmerksamkeit
als er im November 2010 durch seine Unterstützung die Internet-Aktion bankrun2010.com unterstützte.
In diesem Zusammenhang forderte Cantona die BürgerInnen dazu auf, am 7. Dezember 2010 sämtliches Geld von Bankkonten abzuheben. Dadurch sollte das Finanzsystem zum Zusammenbruch gebracht werden. Angeblich haben 14.000 Aktivisten, vor allem in Großbritannien und Frankreich, ihre Unterstützung zugesagt.

Und wir? Geben wir nun unsere Staatsbürgerschaft zurück? Vielleicht, wenn Sie besonders qualifiziert sind, bekommen ja dann ohnehin die Rot-Weiss-Rot-Card.

48 zu 52

52% waren in der Sonntagsfrage für Neuwahlen. In den letzten Jahren reichte ein trotziges „Es reicht“ und schon krachte es in der Regierung. Das erinnert an italienische Verhältnisse. Gewinner dieser zerrütteten Regierungskoalition, die durch die Nachwehen von Blau-Schwarz nur auf wackligen Prinzessinnenbeinen steht, könnte die F sein. Denn viele von denen, die nach Neuwahlen rufen, könnten aus „Protest“ wohl die Blauen wählen.
Und, dass Österreich ein ungesundes Verhältnis zu Protest hat, hat auch der FM4-Protestsongcontest gezeigt. Da wird bierernst musikalischer Protest zerlegt und kritisiert und Martin Blumenau wirft infantil, wie großkotzig das Revolutionsjahr von 1848 als sein Verständnis von Protest ein.

Aha.

H.C. Strache: „Der Islam bezieht sich auf den Islamismus, wie der Terror auf den Terrorismus.“

Aha.

Und Pazifismus kommt von Pazifik …

Wolfshaut

Florian Klenk’s Blogeintrag mit dem Titel „Fall Krems: Die Geschichte der verbannten Mutter“ zeigt ein „Wolfshaut“-Österreich, ein Österreich, wie es Jelinek beschreibt, ein Österreich, das in seinem Gesamtgefüge erbarmungslos handelt, wie auch Unterlassungssünden begeht, damit es schuldlos bleibt.
Und dabei denkt man gerne, dass eine solche Haltung in der jüngsten Vergangenheit begraben liegt, weil heute doch alles ganz anders ist.

Lifestyle-Kids

In die Luft gucken, flanieren, die Menschen sehen.
Heute in der Innenstadt: Vor mir 3 kleine Jungs, zwei davon mit Skateboard; sie kommen gerade von der Schule und unterhalten sich. Sie sehen nett aus, diese, wirklich noch recht kleinen, 7-jährigen urbanen Kids; langes Haar und dieser typische Skaterstil, den sie von den jungen oder Nicht-mehr-jungen Eltern vererbt bekommen haben. Burton-Rucksack in Schwarz/Weiss, Vans, Stacheldrahtmuster auf der gefütterten, warmen Weste, schrill gefärbte Billabong-Hauben – ein cooler Dresscode, der aussagt, die nächste Skaterbahn ist nicht weit, oder auch das Meer zum Surfen.

Dann werde ich stutzig. Sie wirken zu sicher. Es scheint ihnen die Welt selbstverständlich zu sein. Kann es sein, dass sich der Lifestyle in den Habitus ungut eingeprägt hat – und sich dann … ja was nur?
Morgen, der 11. November. Die Zeit, in der sich Kinder in Piraten, Feen oder Clowns verwandeln. Das faszinierende ist, dass sich Kinder diese zauberhaften Rollen selbst abnehmen. Das ist dann immer etwas Phantastisch. Ich stelle mir die 3 Jungs in Faschingskostüme vor. Irgendwie gelingt es nicht. Sie würden es vermutlich selbst nicht glauben. Wäre es ihnen lächerlich sich zu verkleiden, und wenn es auch nur mit Steve-Jobs-Maske wäre? Ich hätte sie fragen sollen.

Aber irgendwie erinnert mich das Ganze jetzt auch an diese DDR/BRD-Identitäts-Geschichte. Und die geht so: Die Menschen in der DDR waren so viel kreativer, da sie nicht viel kaufen konnten.

Vermutlich ist auch das bloß eine weitere Sozial-un-Romantik.

AMS Performance

Das Prestige des AMS ist, glaube ich, nicht besonders hoch. Zumindest muss ich sagen, dass sich so manches Klischee nach meinem zweiten Besuch bestätigt hat. Und ich denke nicht, dass KulturarbeiterInnen dort schlechter gestellt sind, als andere Berufsgruppen. Jedenfalls hat es mich erwischt und ich landete beim AMS. Und ehrlichgesagt, dachte ich nicht im entferntesten daran, dass diese Termine in irgendeiner Form herausragend sein könnten, obwohl ich Amtsbesuche stets kafkaesk empfinde.

Ein wertvolles Mitglied

Ich sitze also das erste Mal in einer solchen Koje. Der immergleiche Amts-Chic: Pflanzen, Poster mit weisen Sprüchen, kleine Keramik- und Plüschfiguren, Familienfotos. Die Frau Sachbearbeiterin fragt mich nach meiner Versicherungsnummer und willkommen in der Informationsgesellschaft: alle relevanten Daten tauchen vor ihr auf dem Bildschirm auf. Langsam kräuselt sich ihre Stirn, erste Sorgenfalten tauchen wegen meiner Versicherungsjahre auf. Ich soll einmal sagen, was ich die letzten Jahre so machte, wo meine Fähigkeiten liegen und was ich einmal werden will, wenn ich groß bin. Ich fange zu erzählen an und ende bei meiner Unpäßlichkeit (Krankheit), die mich das letzte halbe Jahr etwas aufgehalten hat und spreche über Kulturarbeit. Die Dame mir gegenüber zieht ein sorgenvolles Gesicht und eine Unzulänglichkeit spiegelt sich dort, die mich etwas bestürzt. Ich zweifle, ob ich für eine AMS-Tour de force schon genug Energie habe. Dann wird mir die Arbeitswelt erklärt: „…in das System einsteigen“ … „funktionieren“ … „einen 40-Stunden-Job annehmen und um 7 Uhr morgens aufstehen, das heisst das“ … „ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft werden“ …”diese Kulturarbeit, schön und gut, aber das ist eine Negativspirale.” „Und ausserdem, Sie sind ja überhaupt nicht krankenversichert!!“ Dass ich schon öfter und länger nicht krankenversichert war, verheimliche ich der Dame; auch, dass ich in einigen ehrenamtlichen Funktionen tätig bin.

Automaten

Dann wird alles wirklich kompliziert und die AMS-Dame verlangt, dass ich zum Hausarzt gehe und mit ihm aushandle, mich noch 2 Wochen krank zuschreiben, was schwierig wird, da ich nicht versichert bin und außerdem schon längst arbeite. Die Logik erschließt sich mir nicht. Aber da mein Verwirrungsgrad einigermaßen hoch ist, mache ich was von mir verlangt wird.
Die kurze Episode beim Hausarzt am nächsten Tag ist ähnlich unerfreulich. Ich versuche ein 5 Minuten Gespräch beim Arzt bei der Sprechstundenhilfe auszumachen, was mir nicht gelingt, da sie automatisch wiederholt: „Ja, aber … Sie sind nicht versichert!“ Dann gelingt doch der Eintritt ins Arztzimmer und der Herr Doktor gibt noch eines drauf und erklärt sich mit einem Vergleich: „Wenn Sie zum Trafikanten gehen und Zigaretten kaufen, brauchen’s auch a Geld“. Er vergißt zu fragen, wie es mir geht und ob ich noch Medikamente habe. Ich gehe. Ich bin menschlich enttäuscht und ärgere mich, dass mich das so betroffen macht. Einigermaßen nervenzerstört lese ich Zweigs „Die Welt von gestern“. Gute Literatur ist wie Aspirin. Man wirft es ein, es löst sich auf und es wirkt.

Performance lernen

Der nächste AMS Termin wird von mir auf unbestimmte Zeit verschoben. Ich lese und erhole mich von der äußeren Welt. Zwei Tage später öffene ich den Postkasten und merke, dass ich tags zuvor einen verpflichtenden Termin beim AMS wahrnehmen hätte müssen. Niemand ist postalisch schneller als das AMS. Herrje. Meine mir vermittelte Unzulänglichkeit habe ich soeben bestätigt. Ich fahre also wieder die Wienerstraße entlang und bin auf meinen neuen Sachbearbeiter gespannt. Ich bin nämlich jemandem Neuen zugeteilt worden. Das AMS ist auch am Vormittag wenig besucht. Wo sind alle arbeitslosen Menschen? In irgendwelchen Kursen. Beschäftigungstherapie – wird mir auch noch blühen. Niemand wartet vor Zimmer 2. Ich trete also ein. Ein schweres Vergehen. „Wer sind denn Sie? Haben Sie überhaupt einen Termin. Das ist ja noch schöner, da können wir uns den Zettel an der Tür ja überhaupt sparen!“, entsetzt sich der Herr Sachbearbeiter. Er scheint persönlich beleidigt zu sein. Seine Unfreundlichkeit ist so groß und so selbstverständlich, dass ich beinahe lachen muss. Er telefoniert, tippt in die Tastatur, er registriert, er spricht mit einer Kollegin und immer ist da dieser pikierte Zug um seine Lippen. „Jetzt setzens Ihnen schon hin! Laufens nicht so nervös herum. Für was haben wir Sessel?“ mault er gnädig in seinem Reich. Der Dünkel ist enorm in diesen Zimmern. Es widerstrebt mir mich zu setzen, vorher will ich aufklären, warum ich hier bin. Er räumt ein, dass der Termin tatsächlich sehr kurz angesetzt war. Und ich sei im Übrigen eh versichert. Fragezeichen im Kopf. Das ist alles schrecklich langweilig. Ich unterschreibe ein Formular, mit dem ich meine Säumigkeit entschuldige. Wir schieben Daten hin-und her und streiten ein wenig, weil ich nicht schon ab 7 Uhr früh arbeiten will.

Das ist alles nur eine Performance.

Und weiter … ?

Es kann sein, dass die Grünen zur Causa Förderskandal KUPF Innovationstopf eine Anfrage im Landtag stellen. Das ist gut und notwendig. Aber letztlich geht es nicht „nur“ um die bislang gefallenen Projekte „Wachschatten“ und „Watchdogwatcher“, sondern um Grundsätzlicheres: Um die Freiheit des Kunst- und Kulturschaffens, frei von politischer Einflussnahme.

Ist die KUPF nun die Einzige die Widerstand gebietet? Ist die Petition das einzige Mittel? Haben KünstlerInnen schon interveniert, einen Schlachtplan erstellt?

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Niedlich

Als die einzige Uni-Rektorin (Anm.: Boku) vor etwa zwei Jahren das Handtuch warf, sprach sie von undurchdringlichen Männerbündnissen. Aktuell hat das liebe Österreich wieder eine weibliche Uni-Rektorin vorzuweisen.
Die Tageszeitung „Österreich“ titelte dazu in der Sonntagsausgabe: „Frau Rektor und die 20 Männer“. Diese Seite war vorallem durch eine große Aufnahme von Sonja Hammerschmid, ihres Zeichens Unirektorin der Veterinärmedizin Universität in Wien, gekennzeichnet. Sie habe Stil, steht dort (und eine gute Figur?).

War immer von Tieren umgeben

Das Interview war ebenso knapp, wie seltsam. Hammerschmid wurde weniger nach ihrer wissenschaftlichen Laufbahn befragt, sondern nach ihren Hobbies, „man hörte sie seien recht sportlich“. Und man fragte sie nach ihren Haustieren. Die geneigte Leserin weiß nun, daß Frau Hammerschmid immer schon Katzen um sich hatte. Das Interview stand im Übrigen unter der Headline: „War immer von Tieren umgeben …“
Das Zitat könnte man zwar auch anders auslegen als Verniedlichung, und doch erinnert die Darstellung irgendwie an Maggie Entenfellner. Aber Herr Fellner, Herausgeber von Österreich, hat es in einer Pressestunde ja selbst gesagt: „Ich war stets ein Begleiter der Kronen Zeitung“.

Hüben wie drüben …

Zombies

Ein Kommentar zu dem im KUPF-Blog, neben der Kulturhauptstadt, größten Tag der Schlagwortmatrix: Bananenrepublik.

Zombies sind Untote. Sie sind tot, aber irgendwie leben sie noch. Oder wie im Film: sie sind scheinbar Lebende, ihrer Seele beraubte, willenlose Wesen. In dem Blog Sprengsatz wurde die deutsche schwarz-gelbe Regierung (die Tigerente) zur Zombie-Regierung erklärt. Als K.o.alition. Deutsche Medien sprechen unter anderem auch von den 100 Tagen Oben-Ohne, da der Präsident in einer Kurzschlussreaktion sein Amt – das eigentlich ihn hat – zurücklegte. Soviel zum großen Bruder.

Nunja, und hierzulande?
Man redet von Sparkursen trotz Bankenaffairen, redet viel von Asylmissbrauch und weniger von Menschenrechten. Etwas widerwärtig tanzt der Kongress am Kanzlerfest und Medien reden vom Wetter. Es wird von Straches seichter Facebook-Konversation (hier braucht es nun wirklich keinen Link!) mit seiner Kurzzeitflamme berichtet, die ohnehin von den potentiell 400 Millionen fbook-UserInnen gelesen werden kann. Glawischnig schimpft mit der ÖMV und übersieht die BP-Katastrophe als globales Problem; also, dass man in dieser Causa politisch handlungsfähig wäre. PolitikerInnen reden, Medien berichten. Und wenn es da nicht die Satire gäbe …

Aber ich Polit-Pessimistin habe scheinbar jeden Überblick verloren in Etwas, das vielleicht keinen Einblick erlaubt. Man hört von Korruption, Nichtigkeiten und Parteipolitik-Streitereien; und wird in RL so oft mit gnädigem Polit-Getue konfrontiert.

In einer Petition mit dem Titel „100 Statements zu Menschenrechten“ formulierte es der Universitätsrektor Gerald Bast so:

Für Karl-Heinz Grasser gilt die Unschuldsvermutung.
Für Alfons Mensdorff-Pouilly gilt die Unschuldsvermutung.
Für Uwe Scheuch gilt die Unschuldsvermutung.
Für Josef Dörfler gilt die Unschuldsvermutung.
Für Walter Maischberger gilt die Unschuldsvermutung.
Für Asylsuchende gilt die Unschuldsvermutung nicht.
Sie werden sicherheitshalber interniert.

Mein Pessimismus schlägt voll durch. Aber politsche Apathie ist er nicht.
Dum di du – man wurschtelt sich halt so durch …