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F13 Aktion „Sauberes Linz“

Die Kupfermuckn hat am Freitag den 13. eine eigene Stadtwache aufgestellt, die den LinzerInnen ihre Stadt zurückgeben will. Als PolizistInnen verkleidete KupfermucknverkäuferInnen überprüften im Volksgarten, inwieweit die PassantInnen den Vorstellungen anständiger ParkbesucherInnen entsprechen. Wie sieht die Haartracht aus? Wie die Kleidung? Riecht man womöglich eine Fahne? Alle, die den Test bestanden haben, erhielten das Pickerl „Sauberer Linzer“ oder „Saubere Linzerin“. Mit dieser Aktion will die Sraßenzeitung darauf hinweisen, dass alle Menschen ein Recht darauf haben, sich im öffentlichen Raum unbehelligt aufzuhalten.

 

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IMG_1031 Heinz Zauner ist Geschäftsführer der ARGE für Obdachlose in Linz.

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Welches Land? Welche Zeit?

In welchem Land leben wir? In welcher Zeit?
Ein Mädchen verschwindet aus der Klasse. Die Nachbar_innen sind plötzlich weg. Der freundliche Mensch, den man bis jetzt täglich gesehen hat, ist nicht mehr da …
Das Land heißt ja Österreich, aber in welcher Zeit leben wir jetzt? Solche Erfahrungen stammen nicht aus der dunklen Vergangenheit, der Schreckenszeit des 20. Jahrhunderts, sie häufen sich hier und jetzt – heute im 21. Jahrhundert. Und es wird immer enger, dafür bürgen die bestehenden und noch mehr die geplanten „Verschärfungen“ im „Fremdenrecht“.
Die zunehmenden Abschiebungen lassen sich in keinster Weise rechtfertigen oder schlüssig erklären. Der bürokratische Aufwand, die enormen Kosten stehen in keinem Verhältnis zu „Ersparnissen“ im Staatshaushalt. Die sich verbreitende Verunsicherung trägt sicherlich nichts zu einem gemeinschaftlichen Leben bei. Welche Interessen stecken wirklich hinter diesen menschenverachtenden Repressionen?

Im Zuge meiner Erfahrungen mit Grenzüberquerungen bei einer Zugreise von Linz nach Istanbul und zurück, entstand bei mir der Eindruck, dass die Grenzsicherung im umgekehrten Verhältnis zur Stabilität im jeweiligen Land steht. Schon seit längerer Zeit sehen wir, dass jede nationalstaatliche Politik in der globalisierten Welt zunehmend impotent und bedeutungslos wird. Bestimmungen werden zugunsten global agierenden Konzernen beschlossen, lokal lebende Menschen werden gezwungen, sich damit abzufinden. Versucht die österreichische Politik also die eigene Bedeutungslosigkeit dadurch zu kaschieren, dass sie gerade jenen Menschen verfolgt, die sich am Wenigsten wehren können?

Das sinnlose Geplapper von wegen „Integration“, alle Versuche, Menschen in „guten“ oder „schlechten“ Ausländer_innen aufteilen zu wollen, sind lediglich Ablenkungsmanöver. Angesprochen soll scheinbar eine zunehmend schwindende Mehrheit (?), die das gute Leben in einem funktionierenden Sozialstaat seit ca. 50 Jahren genossen hat. Diese Art zu leben, die von Vornherein recht unstabil vor allem auf der unbezahlten und nicht anerkannten Reproduktions- und Dienstleistungsarbeit von Frauen aufgebaut wurde, wird nun tatsächlich bedroht. Diese Bedrohung auf Menschen, die ebenso leben wollen, zu projizieren, zeugt nur von der Ratlosigkeit und Hilflosigkeit der Politik. Es mag sein, dass die wenigen Menschen, die heute noch so leben können und diese Bedrohung spüren, solche Schuldzuweisungen (noch) glauben (wollen). Es gibt aber immer mehr Menschen, die in allen gesellschaftlichen Bereichen prekarisiert werden, die sich immer weniger auf den Sozialstaat verlassen können. Das heißt, es gibt immer weniger Menschen, die noch einen Grund hätten, dieser politischen Ausrede Glauben zu schenken. Somit wird der Staat und diejenige, die für diesen Staat politische Verantwortung tragen, immer unglaubwürdiger.

Die vielfach beschwörenen „Wirtschaftskrisen“ in allen westlichen Industrieländern wurden nicht durch die Menschen verursacht, die auf der ganzen Welt unterwegs sind/sein müssen. Sie haben damit zu tun, dass Produktion und Verbrauch abgekoppelt wurden, dass Profit über Gemeinschaft gestellt wurde, dass Finanztransaktionen immer fantasievoller und richtig märchenhaft werden. Global agierende Konzerne haben kein Interesse daran, einen gerechten Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, weil sie in keiner Gemeinschaft verankert sind. Spekulationen in Kombination mit überzogenen Konsumvorstellungen führen zu einer Abwanderung aus den Städten, die dadurch an Lebensqualität verlieren. „Mobilität“ ist teuer. Doch die politisch Verantwortlichen, die inzwischen mehrheitlich aus der Manager_innenschicht kommen, schaffen es nicht einmal, die eigenen Kontos im Überblick zu behalten, geschweige denn, die realen Problemen der Prekarisierten zu begreifen. Also greifen sie auf bewährte Ablenkungsmanöver zurück: Ein Sündenbock muss her.

Diese menschenverachtende Abschiebungspraxis, diese endlosen Schikanen mit unerfüllbaren Anforderungen im wuchernden „Fremdenrecht“, dieser armselige Umgang mit Menschen – damit werden überhaupt keine echten Probleme gelöst. Das Leben aller wird dadurch nur schlechter.

Luzenir Caixeta, Rede für die Käthe-Leichter-Preisverleihung

Trotz Allem – Freude

In den letzten Wochen werden die Nachrichten scheinbar immer noch schlechter und schlimmer, doch manchmal gibt es auch schöne Momente, die einfach gefeiert werden müssen – und in letzter Zeit gab es gleich zwei davon.

Am Mittwoch, den 27. Oktober, wurde der Käthe-Leichter-Staatspreis von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek an Dr.in Luzenir Caixeta verliehen. Zunächst wurde in den opulenten repräsentativen Räumlichkeiten des Bundeskanzleramts Erika Weinzierl für ihr Lebenswerk geehrt, ein wirklich bewegender und zutiefst erfreulicher Moment. Als Luzenir Caixeta nach Erika Weinzierl ihren Preis entgegen nahm, erklärte sie ruhig, souverän und bestimmt, warum sie diese bedeutende Auszeichnung nur mit höchst ambivalenten Gefühlen annehmen konnte: In einem derart schlechten gesellschaftlichen Klima, der von Fremdenfeindlichkeit und Vorurteilen geprägt ist, darf eine Migrantin sich nicht instrumentalisieren lassen, um sich quasi als Feigenblatt von einer Regierung missbrauchen zu lassen, die eine nicht vorhandene Offenheit zur Schau stellen wolle. Luzenir gibt sich ganz sicher nicht als ein solches Feigenblatt her. Genau so wenig darf man mit ihr eine Aufteilung in „guten Ausländer_innen“ und „unerwünschten“ forcieren. Das hat sie mit ihrer kurzen, doch ganz klaren Rede eindeutig demonstriert. Sie hat aber auch erklärt, warum Käthe Leichter für sie und für ihre Arbeit wichtig war, und wieviel sie von den Haushaltsgehilfinnen, Pflegerinnen und Sexarbeiterinnen bei ihrer Forschungsarbeit gelernt hat. Gerade in diesem Rahmen tat es gut, diese Frauen genannt zu hören. Betont hat Luzenir aber auch, dass es ihre Arbeit ohne MAIZ gar nicht geben konnte, and sie bat alle anwesenden Mitstreiterinnen kurz aufzustehen.

Zum Glück hat Marty Huber die Preisverleihung aufgenommen und zur Verfügung gestellt: Käthe Leichter Preis 2010 auf Radio Orange

Am Donnerstag, den 28. Oktober, ging es mit der Freude and dem Feiern in Linz gleich weiter: Der Marianne-von-Willemer-Preis für Digitale Medien wurde im AEC Marissa Lobo für ihre Arbeit „Was spricht Anastácia“ feierlich überreicht. Marissa betonte ebenfalls wie wichtig MAIZ für ihre Arbeit ist, aber ich glaube, ihre Arbeit ist auch für MAIZ wichtig – und nicht nur MAIZ. Bei dieser Arbeit geht es um die Figur der Anastácia, eine legendäre von Afrika nach Brasilien verschleppte Sklavin, die mit einem metallenen Maulkorb zum Schweigen gezwungen werden soll, und wie sie als Projektionsfläche für alle möglichen Sehnsüchte dient. Es ist beeindruckend und ermutigend, wie Widerstand in einer solchen Arbeit sichtbar und hörbar gemacht werden kann.

Es ist gut und wichtig, dass Menschen, die in Österreich und anderswo leben, sich empören und gegen menschenunwürdige Gesetze gegen „Ausländer_innen“ protestieren. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass Menschen, die jetzt in einem anderen als ihr Herkunftsland – aus welchem Grund auch immer – leben, immer noch handlungsfähige Subjekte sind und bleiben. Die Frauen, die im kurzen Ausschnitt aus Marissas Arbeit zu sehen waren, haben alle ihre je ganz eigene Stimme erhoben, und zwar trotz allen Versuchen, sie zum Schweigen zu bringen.

Am Freitag habe ich schließlich einen Aufruf gelesen, die „most powerful black women in Europe“ zu nennen. Sofort sind mir die Frauen, die im Video und vor Ort am Abend davor erschienen sind, in den Sinn gekommen. Vorschläge werden noch bis 29. November angenommen, darüber nachzudenken ist jeder Zeit erwünscht.

Und es geht auch weiter: Am 27. Oktober wird MAIZ sex&work mit dem Lifegala-Award Eferding 2010 ausgezeichnet. Tatsächlich leistet MAIZ sex&work ausgezeichnete und wichtige Arbeit, die es nun gebührlich zu feiern gilt.

Doch bei aller Freude um solche Anerkennungen darf auch nicht vergessen werden, dass Preise – und seien sie noch so wichtig und renommiert – keine Existenzsicherung bieten können. Die erste Voraussetzung für preistragende Arbeit ist grundsätzlich die existentielle Möglichkeit, fundierte Arbeit leisten zu können. Eine Gesellschaft, die sich solche Arbeit nicht leistet, verarmt.

Dummheit

Falls es irgendwer noch nicht mitgekriegt hat, die oberösterreichische Landeskulturdirektion hat sich jetzt eine unglaubliche Dummheit erlaubt: So nicht!

14 Jahre lang galt der Kupf-Innovationstopf als vorbildliches, hoch angesehenes, mancherorts gar beneidenswertes und nachahmungswürdiges Modell. Das Land Oberösterreich stellte Fördermittel zur Verfügung, engagierte Akteur_innen der lokalen Kulturszene bestimmten das Thema, und wissende, erfahrene, respektierte Fachleute wurden eingeladen, eine unabhängige Jury zu bilden. Aus diesen aufgeteilten Verantwortlichkeiten entstand eine Art Freiraum, um Projekte auszuprobieren, die sonst nicht realisiert werden könnten – bei manchen schon deswegen nicht, weil sich niemand leisten konnte, den Kopf herzuhalten und die gesamte Verantwortung dafür zu übernehmen: Weder die Fördergeberinnen noch die einzelnen Projektträgerinnen. Kunst braucht eben auch die Freiheit, Risiken einzugehen, möglicherweise auch scheitern zu können.

Doch mit der einseitigen Aufkundigung der jahrelang erprobten Aufteilung der Verantwortlichkeiten hat das Land Oberösterreich weit mehr als ein paar möglicherweise etwas lästige Projekte verloren.

Vor etwa einem Jahr fühlte ich mich immer wieder von Wahlkampfplakaten irritiert, speziell von einem in meiner Nachbarschaft aufgestellten Plakat, das „Unser Land für unser‘ Leut‘!“ gefordert hat. Dass LH Pühringer dieser Forderung so entgegenkommen würde, hätte ich mir allerdings nicht vorgestellt: Mit dieser Einengung eines bestehenden und anerkannten Freiraums wird das kleine Land Oberösterreich sowie die kleine Stadt Linz noch kleiner, noch enger. Und schon gibt es noch einen Grund, warum intelligente, talentierte, kritisch denkende Menschen nicht länger hier bleiben wollen.

Damit will ich dem Kupf-Innovationstopf keine unangemessene Wichtigkeit zuschreiben, aber es war ein Zeichen, hatte dadurch eine gewisse Symbolwirkung. Die Signalwirkung der Umständen, dass der Beamtenapparatus der Landeskulturdirektion die fachlich qualifizierte Empfehlungen der unabhängigen Expertinnenjury missachtet, der Jury eine ungerechtfertigte Respektlosigkeit entgegenbringt, ist ein Alarmsignal. Und die Wirkung zeigt sich schon: Kaum erschien ein kurzer Bericht in den OÖ Nachrichten, folgte schon ein Kommentar: „Entartete Kunst braucht keine Förderung. Weil es keine Kunst ist, sondern blanker Unsinn.“* Solche Begriffe werden nie nur zufällig, unwissend or unabsichtlich verwendet. Und das Land wird noch kleiner, die Stadt noch enger …

Vordergründig ist es nicht einmal klar, um was es geht. Die FPÖ verdächtigt, dass „der Widerstand gegen den Ordnungsdienst“ gefördert wird und beschwört einen „Missbrauch von Steuergeldern“. Das ist ja nichts Neues: Die FPÖ wittert schnell immer und überall einen „Missbrauch von Steuergeldern“ – nur nicht im eigenen „Freundeskreis“. Zieht diese abgedroschene Masche überhaupt noch? Scheinbar schon. Die vom LH Pühringer vertretene ÖVP kontert mit der Beschwichtigung, beim beanstandeten Projekt sei „kein kultureller oder künstlerischer Inhalt“ festgestellt worden, das Projekt werde also nicht gefördert. Soll das nun bedeuten, jetzt sind sämtliche Steuergelder gut aufgehoben? Oder wird eher dadurch behauptet, alle bisherige durch den Innovationstopf geförderten Projekte wären an kulturellen bzw. künstlerischen Inhalt so reich, dass bis jetzt nie darüber diskutiert werden musste? Mit sämtlichen seit 1995 geförderten Projekten sei die Landeskulturdirektion durch und durch glücklich und zufrieden gewesen, und Steuergelder wären ausschließlich zweckmäßig (zu welchem Zweck eigentlich?) verwendet worden? Ja, und es ist sicher nur reiner Zufall, dass es sich hier um ein Projekt (inzwischen zwei Projekte) handelt, das für die FPÖ unangenehm sein könnte.

Wenn die Menschen in Linz und Oberösterreich tatsächlich so dumm sind, wie diese Politiker_innen scheinbar glauben, dann kann es nicht weiter verwunderlich sein, wenn so viele denkenden Menschen nur weg wollen. Sich für gesellschaftliche Offenheit und Kritikfähigkeit einzusetzen, wäre dann nur verlorene Liebesmühe. Ich bin noch – noch – nicht bereit, es zu glauben.

*Dieser Kommentar ist von der Seite inzwischen verschwunden.

Ada Lovelace Day 2010: Honoring Women in Technology

Ada Lovelace Day 2010: Ushi Reiter

Heute, der 24. März, ist Ada Lovelace Day: Heute geht es darum, Frauen in Technologie und Wissenschaft zu nennen und zu ehren. Aus diesem Anlass möchte ich heuer eine Frau nennen, die in Linz lebt und arbeitet – und in dieser Stadt wichtig ist: Ushi Reiter.

Als Künstlerin arbeitet Ushi schon lange mit verschiedenen Medien. Seit 2005 ist sie auch Geschäftsführerin von servus.at. Ende der 90er Jahren waren „Art Servers“ viel im Gespräch und stellten ein wichtiges Alternativ zu kommerziellen Angeboten dar. Doch einen kleinen unabhängigen Server zu betreiben, ist keine Kleinigkeit, und um den Art Servers ist es inzwischen sehr still geworden. Dass servus.at in Linz nicht bloss noch existiert, sondern auch ein wichtiger und lebendiger Knotenpunkt im Kulturleben dieser Stadt und darüber hinaus ist, ist ganz und gar nicht selbstverständlich. Dass es so ist, ist im Wesentlichen Ushi zu verdanken.

Neben dem Alltagsgeschäften von servus.at werden auch größere und kleinere Veranstaltungen rund um Freie Software sowie kritische Auseinandersetzungen mit Technologie und deren Anwendungsbereiche organisiert und durchgeführt, wobei sowohl „Geeks“ wie auch Kunstschaffende angesprochen werden. 2007 war Ushi Mitorganisatorin vom Eclectic Tech Carnival in Linz, eine internationale Zusammenkunft von Frauen mit einem kritischen Interesse an Freie Software und Technologie. Als weitere Mitorganisatorin kann ich nur sagen, die Zusammenarbeit war eine Wohltat, und ich kann mir gar nicht vorstellen, wie wir es ohne Ushis besonderen Fähigkeiten geschafft hätten – und /etc07 in Linz gilt bis heute als ein Höhepunkt in der Entwicklung dieses internationalen Geflechts.

Es wurde zwar leise Kritik geäußert, dass Eclectic Tech Carnival – im Gegensatz zu den Linux Tagen – ausschließlich (bis auf dem Abendprogramm) Frauen vorbehalten war. Im darauffolgenden Jahr wurde wieder LiWoLi (Linux Woche Linz) veranstaltet. Danach bemerkte Ushi lakonisch: „2007 – 100% Frauen, 2008 – 98% Männer, 2009 – ?“ Dass es bei servus.at verstärkt immer wieder Angebote speziell für Frauen gibt, ist wohl kaum ein Zufall bei dieser Geschäftsführung.

Nicht zuletzt basieren auffallend viele Webseiten der Linzer Freien Szene auf Drupal (u.a. auch die Kupf-Seite mit diesem Blog), und nach und nach bildet sich ein gemeinsames Basiswissen in Bezug auf Drupal. Auch diese vorbildliche Vorreiterinnenstelle habe wir Ushi mit ihrem Team zu verdanken.

Weil heute also Ada Lovelace Day ist: Danke Ushi!

Foto von vikroth: http://img534.imageshack.us/i/johanna006.jpg/

Spät aber doch

Eigentlich wollte ich ganz was anders schreiben. An einem gewissen Samstag gingen mir beim Aufstehen soviele Gedanken durch den Kopf, doch als die ersten Nachrichten vom Tod Johanna Dohnals auf Twitter auftauchten, stiegen ganz andere Gedanken und Erinnerungen hoch. Dann beschloss ich, die Gedanken bei einer mechanischen Tätigkeit einfach fließen zu lassen und fing an, in der Küche aufzuräumen. Gedankenversunken und unachtsam, blieb ich mit dem Fingernagel am alten Obstkorb hängen, ein Stück vom Korbgeflecht brach ab und setzte sich unter dem Fingernagel fest. Schließlich mußte mir der ganze Fingernagel abgenommen werden, um das Holzstück zu entfernen, und somit war es mit dem Schreiben zunächst einmal aus.

Welche Ironie: Beim Nachdenken über Johanna Dohnal eine solche schmerzhafte Verletzung durch Hausarbeit zuzuziehen, die mich an meine vertrauten Tätigkeiten als selbständige Frau hindert.

Die körperlichen Schmerzen lassen inzwischen nach, die Gedanken aber nicht. Ich bekenne mich dazu: ich bin eine alte Feministin, eine linke Emanze, gehöre jener unmöglichen Generation Frauen an, die überall als Abschreckung dienen sollen, wenn Feminismus diskreditiert und ins Lächerliche gezogen wird. Und ich bin stolz darauf.

Und ich kann mich an jenen fernen Zeiten erinnern, als Männer sich über Johann Dohnal aufgeregt haben, doch Frauen jedes Alters sagten ganz unter sich: “Aber eigentlich hat sie ja recht!” Damals – ja, “damals” sagen die alten Frauen – schienen tiefgreifende Änderungen möglich und Hoffnung lag in der Luft, glaubte ich zumindest.

Aber ich kann mich auch erinnern, dass es einmal ein “Skandälchen” im Parlament gab, als alltägliche “Grapschgeschichten” an die Öffentlichkeit drängten. So armselig und lächerlich, wie das Verhalten der männlichen Kollegen im Parlament war, masste sich Jörg Haider an, im Bierzelt am Urfahraner Markt, Johanna Dohnal bei dieser Gelegenheit anzugreifen. Seinem johlenden, angetrunkenen Publikum im Bierzelt erzählte er, Johanna Dohnal würde sich nur deswegen über die sogenannte “Grapschaffäre” aufregen, weil sie “so häßlich” sei, dass sie niemand begrapschen wolle.

Ich persönlich habe ihm diesen “Witz” nie verziehen, aber bis auf ein paar linke Emanzen hat sich niemand darüber aufgeregt. Gehört diese Einstellung, dass sexuelle Belästigung ein “Kompliment” sei, auch zur Abschreckungsstrategie? Freuen sich junge, schöne Frauen wirklich über Grapschversuche und blöde Anmache?

Johanna Dohnal habe ich immer als eine ehrenhafte, integere Politikerin wahrgenommen, die ihre Prinzipien und Anliegen intelligent, präzis, nachvollziehbar und grammatikalisch korrekt formuliert hat. Von welchen Politikerinnen könnte dies heute behauptet werden? Wer bietet sich heute als Vorbild an? Etwa Maria Fekter? Gar Barbara Rosenkranz? Könnte es vielleicht überhaupt eine Strategie sein – eine von konservativ bis ganz rechts eingesetzte –, dass unmögliche Frauen an wichtigen Positionen gesetzt werden, um zu veranschaulichen, dass Frauen in der Politik nichts zu suchen haben? Die wichtigen Entscheidungen dann doch lieber den dünnhaarigen, bierbäuchigen Männern überlassen, nicht wahr? Wo sind wirklich inspirierende Vorbilder zu finden? In der Politik jedenfalls nicht. Wenn ich die kläglichen Figuren anschaue, die heutzutage nur hirnlosen Populismus betrieben, statt politische Verantwortung zu tragen, spüre ich nur Wut.

Aber wen kümmert es, wenn ich wütend bin? Ich bin eben nur eine hässliche alte Emanze.

§278a – mit Sicherheit eine Riesensauerei

Am 2. März beginnt ein Monsterprozess, der den maroden Zustand unseres Rechtsstaates eindrucksvoll illustrieren dürfte. 13 TierschützerInnen wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. 10 von ihnen waren 2008 monatelang in Untersuchungshaft. Den AktivistInnen dürfte ihr Erfolg zum Verhängnis geworden sein. Sie hatten konsequent und auch ein wenig penetrant gegen Pelztierhaltung demonstriert und kampagnisiert. Das letzte „Opfer“ der TierrechtsaktivistInnen war Kleider Bauer, ein Konzern mit offenbar besten Kontakten ins Innenmnisterium. Die SOKO „Bekleidung“ observierte die Szene daraufhin in einem bisher nie dagewesen Ausmaß. Telefonüberwachung, Peilsender, Kameras und dutzende Beamte im Einsatz. Um Geschäftsinteressen zu wahren und wohl auch mangels islamistischer Terrorzellen in Österreich. Unmengen an Steuergeld wurden dafür aufgewendet, wohl auch ein Grund, warum eine Einstellung der Verfahren für Polizei und Staatsanwaltschaft keine Option ist, denn so viel Aufwand muss gerechtfertigt sein. Einzelne Straftaten konnten nicht nachgewiesen werden, also wird der Mafia-Paragraph bemüht. Der wurde 2002 von der Schwarzblauen Regierung mit dem Argument eingeführt gegen Schlepperbanden und Terroristen vorgehen zu wollen, was auch die weitreichenden Befugnisse der Ermittler erklärt. Nun wird der § 278a auf absurde und skandalöse Weise gegen NGOs angewendet. Diese Entwicklung ist ein Lehrbeispiel dafür, wie mit angeblichen Sicherheitsinteressen Schindluder getrieben wird.

 

Diskutiert wird über Al-Quaida, bekämpft werden NGOs. Somit haben sich alle damaligen Bedenken bewahrheitet. Details dieser Causa sind so zahlreich und so erschütternd, dass sie den Rahmen eines Blogs bei weitem sprengen würden. Nur ein Beispiel zum Abschluss: im aktuellen Profil ist zu lesen, dass das Haus einer UVS-Richterin durchsucht wurde, weil sie ein angeblich „Tierschützer-freundliches“ Urteil gefällt hätte. Kein Scherz. Also liebe SOKO Bekleidung: Ich war 12 Jahre lang Vegetarier und hab einen Tierschützer für das KAPU-Zine interviewt: Wollt ihr jetzt meine Wohnung durchsuchen? Freitag hätt ich Zeit, aber bitte erst ab 8.00 Uhr und abends geh ich dann auf den KAPU-Polizeiball.. Weg mit dem § 278a! Österreich, jetzt reiß dich mal zusammen!

Bilder: Vor- & Nach-

Zehn Jahre ist es schon her? Beim nichtssagenden Interview mit dem Schweigekanzler letzte Woche in Der Standard sind mir viele Bilder hochgekommen.

Zum Beispiel im Bus, irgendwo eher südlich in Linz: Bei irgendeiner Haltestelle ist eine laute Gruppe Jugendlicher eingestiegen. Forsch, selbstbewußt, dominant haben sie sich breit gemacht, und die üblichen Omas hinter uns haben unglücklich getuschelt. Mit meinen zwei Kindern dazwischen eingequetscht, überraschte mich meine plötzliche Wut auf die aufgebrachten Omas. Wieviele von denen, dachte ich, fanden die schreckliche schwarzblaue Koalition ganz in Ordnung? Und wieso konnten sie keine Verbindung sehen?

Mit solchen Vorbildern in der Politik, wie sollten sich junge, männliche, offenbar nicht gerade gut gebildete Österreicher sonst verhalten? Ellbogen einsetzen, sich forsch behaupten, alles nehmen, was man irgendwie so kriegen kann, jeden Anschein von Schwäche verachten, sich in jeder Hinsicht als berechtigt ansehen, niemals Rücksicht nehmen oder Verständnis für andere zeigen, die nicht zur eigenen Gruppe dazu gehören. Anders wäre Schwarzblau auch nicht zustande gekommen.

Zehn Jahre ist es her. Meine Kinder, die damals im Volksschulalter waren, haben die Schule inzwischen abgeschlossen und wollen – wie viele ihrer Freund_innen – Österreich auf jeden Fall verlassen. Und wo sind heute die Jugendlichen, die damals den Bus für sich beanspruchten? Fahren sie alle nun im Cabrio? Findet man sie unter den abkassierenden Banken- und sonstigen Managern? Tanzten sie beim WKR-Ball in der Hofburg mit? Oder sind sie womöglich unter den prügelnden Polizisten zu finden? Oder füllen sie bloss die Bierzelte, wo einschlägig gefärbte Politiker ihnen einreden, die „anderen“ – die Ausländer, die Linken, die Schmarotzer, die Terroristen – seien schuld daran, damit das sich vollsaufende Publikum nicht merkt, wer tatsächlich mit den ganzen gestohlenen Hoffnungen im Cabrio rasend davon fährt.