Publikumsrückgang in der späten Pandemie

Wir befinden uns in einer Zeit der „späten Pandemie“, die Politiker*innen sprechen von einer „vierten Welle“, es gilt „2G“ für Besucher*innen von Kulturveranstaltungen und die Gerüchte über einen neuerlichen harten Lockdown erhärten sich.
Kein Wunder, dass da das Publikum ausbleibt. Die Rahmenbedingungen für die Kulturvereine durch die Corona-Krise sind immer noch äußerst prekär. Die meisten Veranstalter*innen verzeichnen Besucher*innenrückgänge von 30-50% gegenüber der Vorkrisenzeit.
Wir haben uns darüber mit unseren Vereinen unterhalten.

Dem Publikum ist ja nicht klar, dass Veranstaltungen abgesagt werden – sie sind sich ihrer Verantwortung als Publikum nicht mehr bewusst und wir hoffen, dass sich das im nächsten Jahr wieder ändern wird. Dieses neue post-Lockdown Biedermeiertum ist ein Todesstoß für Kunst- und Kulturveranstaltungen.

Kino Ebensee

Im Oktober 2021 lag der Rückgang der Kinobesuche bei etwa 50 %, bei Veranstaltungen bei etwa Minus 30%.

Wie sind die Vorverkaufszahlen für die nächsten drei Monate gegenüber der Vorkrisenzeit?

-> Wir hatten schon früher nur sehr selten Vorverkauf bei unseren Veranstaltungen und haben uns jetzt dazu entschieden, gänzlich darauf zu verzichten. Reservierungen sind zwar unverbindlicher, aber im Fall von Absagen auch mit weniger Aufwand zu administrieren.
Aktuell gibt es sehr wenige Reservierungen und wenn, dann oft nur aus dem Grund, weil das Publikum glaubt, damit auf die Anforderung der Covid-19-Registrierung erfüllt zu haben.
Unser „Stammpublikum“ weiß, dass es immer noch Tickets gibt und entscheidet daher ganz kurzfristig.

Plant ihr aufgrund der sinkenden Zahlen weniger Angebot? Werden Änderungen im Programm vorgenommen?

Es gibt sicherlich eine Veränderung im Angebot. Es wird sich erst zeigen, inwiefern internationale Tourneen im Frühjahr wirklich wieder umsetztbar sind. Eine Reduktion des Angebots ist vorläufig nicht geplant, hängt aber natürlich davon ab, in welchem Ausmaß es Förderungen gibt.

Musikclub Lembach

Im Oktober hatten wir jetzt eine Veranstaltung. Das war eine Band, die wir bereits öfters gebucht hatten und die ein sehr gutes Standing in der Region hat. Für gewöhnlich ist so eine Veranstaltung ausverkauft. Diesmal lagen wir bei 60% Auslastung, obwohl das Konzert sogar stärker beworben wurde als sonst

Bezüglich Auslastungszahlen kann man einen sehr guten Vergleich mit unserem etablierten Musikclub Open Air herleiten: 

Ticketverkäufe:

– 2019: Freitag SOLD OUT / Samstag: 90%

– 2020: Freitag 55% Auslastung / Samstag: 65% Auslastung

Hier war wirklich sehr stark zu erkennen, dass wir um einiges mehr an Energie benötigt haben um überhaupt auf die 55-65% Auslastung zu kommen. Wir dachten die Menschen lechzen nach Veranstaltungen und die Karten werden uns aus den Händen gerissen – dem ist leider nicht so! 

Wie sind die Vorverkaufszahlen für die nächsten drei Monate gegenüber der Vorkrisenzeit?

​Die VVK-Zahlen für die nächsten drei Monate liegen bei Null. Unser Publikum kauft sehr spät und wartet wie sich die Lage entwickelt. Die meisten kaufen spontan vor der Show oder an der Abendkasse. Dadurch gehen viele Ticketkäufe verloren. All das macht es für die Planungssicherheit noch prekärer als es ohnehin schon ist. 

Plant ihr aufgrund der sinkenden Zahlen weniger Angebot? Werden Änderungen im Programm vorgenommen?

​Natürlich! Wir planen viel kurzfristiger und kleiner. Buchen Acts mit geringeren Gagen. Wagen weniger Experimente in den Genres. Das wirkt sich langfristig unglaublich schlecht auf die Region aus. Viele Kultureinrichtungen brechen komplett ab. 

Wie geht ihr mit der neuen 2G-Regelung bei Veranstaltungen um?

Wir haben ein ziemliches Sparprogramm. Aus unserer Sicht ist es aber kulturpolitisch nicht zielführend aus Angst vor neuen Richtlinien alle Veranstaltungen abzusagen. Die Regeln sind klar, es ist mittels Apps einfach zu Kontrollieren und wir werden auf jeden Fall so lang es geht Veranstaltungen für unser Publikum anbieten.

Festzuhalten ist, dass die ungewisse Lage nicht nur das Publikum der Freien Szene, sondern aller Häuser in ihrer Lust Kunst & Kultur zu konsumieren beeinflusst. Problematisch sind nicht nur die weiterhin stark sinkenden Auslastungszahlen sondern auch die Planbarkeit für das Jahr 2022. Zum Teil müssen immer noch Veranstaltungen aus den letzten Jahren nachgeholt werden, internationale Acts sind viel schwieriger buchbar und manche Veranstaltungen müssen überhaupt abgesagt werden, wenn die Künstler*innen nicht vor einem halb leeren Saal spielen wollen. Die großen, staatlichen Häuser versuchen ihre Auslastungszahlen mit kostenlosen oder stark vergünstigten Tickets hoch zu halten, um nicht als Problemfälle dastehen zu müssen. Wie lang diese Taktik gut gehen kann, ist höchst fraglich. Klar ist, dass die österreichischen Kunst- und Kulturschaffenden nach wie vor tief in der Krise stecken und hier weiterhin mit öffentlichen Geldern und Hilfsleistungen gegen gesteuert werden muss.

Mehr zum Thema auch im Kulturmontag von 8.11.2021 mit dem Theater Phönix und Thomas Diesenreiter.

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