Anlässlich der Herbstausgabe der KUPFzeitung zum Thema „Klimakultur“ hat Katharina Serles mit Isabella Herber, Obfrau der Aktionsgemeinschaft Social Impact, über Aktivismus, Kunst und Klima gesprochen.
Katharina Serles: Zunächst ganz allgemein gefragt: Wie gehen Aktivismus und Kunst zusammen und wie sieht dieses Verhältnis bei Social Impact genau aus? Ist da Kunst das Vermittlungsmedium für den aktivistischen Inhalt oder umgekehrt?
Isabella Herber: Bei Social Impact ist Kunst auf jeden Fall das Vermittlungsmedium für unsere Inhalte. Wir machen hauptsächlich Kunst im öffentlichen Raum, unsichtbares Theater oder performative Kunst. Dabei setzen wir auf das überraschende Moment für das Publikum – und das unterscheidet uns von reinem Aktivismus, wo es etwa eine angemeldete Demo gibt und jeder weiß, was da abgehen wird. Wir inszenieren die Überraschung bis zu einem gewissen Grad. Alles geht recht schnell eigentlich, wir verkleiden uns und stürmen Bühnen, stören Veranstaltungen. Oft merkt unser Publikum gar nicht, wenn wir da etwas aufbauen. Das ist schon Teil der Verwirrung, die gestiftet wird.
Kommen die Vorbilder für euch entsprechend aus der Kunst oder aus dem Aktivismus?
Ich würde Christoph Schlingensief als großes Vorbild nennen, der bezüglich Aktivismus und Kunst formuliert hat, dass Widerstand zu wenig ist, und dass Widersprüche hergestellt werden müssen. Ich glaube, das trifft unser Vorhaben ganz gut. Abgesehen davon finden wir natürlich das Zentrum für politische Schönheit super und Peng! und Monochrom zum Beispiel.
Denkt ihr, dass Kunst auch noch mehr kann, als vermitteln? Also dass eine künstlerische Aktion zum Beispiel auch etwas beantworten, etwas lösen kann?
Wir glauben schon, dass Wissenschaft und Kunst eng miteinander verbunden sind und keine Gegensätze bilden. In der Kunst wird ja auch Erkenntnis erzeugt. Unser Anliegen ist entsprechend auch, Situationen zu erschaffen, die Reaktionen erzeugen und dann zu Erkenntnisgewinn auf beiden Seiten führen. Dabei ist uns wichtig, keine fertigen Botschaften zu vermitteln, sondern Menschen zum selbständigen Denken anzuregen. Wir wollen keine Lösungen aufzeigen. Wir wissen in Wirklichkeit auch nicht, wie die Welt zu retten ist.
Sammelt ihr die Ergebnisse? Habt ihr eine Möglichkeit, den Erkenntnisgewinn auf beiden Seiten zu dokumentieren?
Eines unserer Mitglieder, Thomas Duschlbauer, beschäftigt sich tatsächlich wissenschaftlich damit und publiziert Bücher über Aktivismus wie zum Beispiel Guerilla. Exploration, Improvisation und Kommunikation (2017) oder, gemeinsam mit Carlos Anglberger und Barbara Larcher, Die Freunde des Wohlstands. Rat und Hilfe für Menschen der Premiumklasse (2013).
Und wie kommt man an Förderungen, wenn man zwischen den Stühlen von Gesellschaftspolitik und Kunst sitzt?
Wir haben jedes Jahr weniger Förderungen bekommen. Während wir zuerst ziemlich gut gefördert waren, wurde es immer schwieriger. Wir überlegen jetzt, andere Mittel auszuprobieren, Crowdfunding zum Beispiel. Letztes Jahr reichten wir gar nicht mehr ein, bei Stadt, Land und Bund. Es ist schwierig. Wie wir genau weitermachen, ob wir nächstes Jahr wieder etwas einreichen, wissen wir eigentlich nicht.
Wie geht ihr denn grundsätzlich an ein neues Projekt heran? Habt ihr zuerst eine These, die ihr dann an einer Aktion austestet?
Wir haben immer ein gesellschaftspolitisches Thema, das uns nahe geht oder das uns ärgert. Dafür konzipieren wir dann Situationen der Überzeichnung oder Übertreibung, beobachten die Reaktionen und entwickeln Projekte daraus weiter. Mit unserem Projekt Freunde des Wohlstands gelingt uns das oft am besten: Hier spielen wir die Super-Reichen, sind schön angezogen und treten für ganz merkwürdige Positionen ein. Es ist spannend, dass wir plötzlich mit den absurdesten Forderungen ernst genommen werden, nur weil wir Anzüge tragen und nicht wie links-linke Gfraster aussehen. Nicht zu glauben, welchen Sachen die Leute dann teilweise zustimmen… Am meisten mögen wir ja die, die einsteigen und mitspielen.
Wie viele seid ihr und wie seid ihr alters-/geschlechtsmäßig zusammengesetzt?
Der harte Kern besteht aus etwa fünf Personen, im Ganzen sind wir bis zu 15. Wir sind ca. gleich viele Männer wie Frauen, aber insgesamt zu alt. Wir brauchen ein bisschen Verjüngung. Wir suchen immer Leute, die Lust darauf haben, sich zum Narren zu machen. Die es spannend finden, unterschiedliche Rollen einzunehmen und dabei Konventionen und Regeln auszuloten, auszudehnen, oder zu brechen.
Wie lange gibt es Social Impact?
Gegründet wurde es bereits 1997. Ich bin seit 2007 dabei.
Was hat sich seit der Gründung verändert und was habt ihr verändern können?
Es ist schwierig. Weltpolitisch hat sich noch nichts geändert durch unsere Aktionen. Wir haben mit vielen Menschen diskutiert und vielleicht manche davon zum Nachdenken gebracht, vereinzelt.
Aber immerhin wart ihr dieses Jahr beim Oberösterreichischen Umweltkongress eingeladen. Also es gibt dieses Interesse von Politik und Wissenschaft – Stichwort „Artistic Research“ -, die Kunst als Ideenbringerin und Lösungsfinderin einzubinden. Das könnte ja vielleicht hoffnungsvoll stimmen…
Das wäre schön, ja, man merkt es aber nicht recht.
Was treibt euch dann an?
Was uns allen ziemlich gefällt, ist das unmittelbare Erleben in den von uns inszenierten Situationen. Du weißt nie genau, was passieren wird, es entstehen so viele interessante und skurrile Gespräche, Begegnungen und Situationen. Das, glaube ich, treibt uns an – und wir verstehen uns auch untereinander gut.
Kannst du eure klima-aktivistischen Projekte für den Umweltkongress skizzieren?
Das ist natürlich ein Thema, das uns immer schon interessiert, das wir aber bisher eigentlich nie richtig bearbeiten konnten. Da kam die Anfrage vom Land Oberösterreich gerade recht. Prinzipiell war es super, weil es großteils liebe, harmlose Geschichten waren, die niemanden aufregten. Einmal positive Utopien erzeugen zu können und nicht beschimpft zu werden, war zur Abwechslung eine angenehme Erfahrung. Es gab da zunächst einen mobilen Pop-Up-Garten, gestaltet von meiner 19-jährigen Tochter Lucia Herber, in den man von unten hineinklettern konnte. Eine weitere Aktion war das Escort-Service der Bäume, unser „Beschattungsunternehmen“. Dabei standen zwei als Bäume verkleidete Menschen auf dem Hauptplatz und boten ihre Dienste an, begleiteten Menschen beim Einkaufen, spendeten Schatten und ließen sich natürlich auch umarmen. Das wurde ungemein positiv angenommen. Dann haben wir einen Rollrasen auf der Landstraße verlegt, von der Mozartkreuzung bis zur Passage, und ausgestopfte Tiere aus dem Jagdmuseum Asten darauf positioniert. Damit drehten wir Universum-ähnliche Dokus über die Tiere, die sich die Stadt wieder zurück erobern. Und so fuhr der Feldhase auf der Rolltreppe im Kaufhaus hinauf oder wühlte der Bär im Stadtmüll herum. Das waren also alles sozusagen ‘positive Utopien’. Verwirrter waren die Leute von der „Shadow-Challenge“: Dafür traten zwei Gruppen gegeneinander an, mit Solarzellen ausgestattet, um auf dem Weg durch die Altstadt so wenig Sonnenlicht wie möglich abzukriegen. Einige rauften und kämpften in Folge um die Schattenplätze, was einige Zuseher*innen schon kopfschütteln weggehen ließ. Das war eine negative Utopie.
Was war bei all diesen klimabezogenen Interventionen besonders spannend für dich?
Die Shadow-Challenge war schon heftig und beängstigend. Als direkt Beteiligte hat mich dieses Kämpfen um Ressourcen noch lange nachher bewegt. Wir haben aber noch nicht alle Aktionen, die wir geplant haben, durchgeführt.
In euren Arbeiten geht es immer stark um die Entwicklung von Narrationen und Bildern. Wie ist euch das in Bezug auf die Klimakrise gelungen?
Es ist sehr schwierig, hier treffende Bilder zu erzeugen. Wir alle kennen dieses Eisbär-Bild auf der wegschmelzenden Scholle. Das ist allerdings relativ weit weg von der österreichischen Alltagssituation, was auch das Problem daran ist: Die Klimakrise ist global, schleichend und so wenig greifbar…
Immer häufiger hört man, dass Klimapolitik auch Kapitalismuskritik sein muss, dass die Wachstumslogik als Verursacherin der Klimakrise hinterfragt und radikal verändert werden muss. Was sagen denn die Freunde des Wohlstands dazu?
Die Freunde des Wohlstands finden das natürlich total blöd. Im Gegenteil: Die Wirtschaft wird’s schon richten. Sie hat ja auch Vorteile, diese sogenannte Klimakrise, weil wir im Winter viel weniger heizen müssen! Außerdem können wir jetzt wieder viel mehr in Russland investieren, weil da so viele Gebiete abgetaut werden, die man dann für Landwirtschaft und Industrie intensiv nutzen kann. Also es ist ja nicht so, dass die nur Nachteile hat, diese sogenannte Klimakrise. Für die Freunde des Wohlstands tun sich dadurch viele neue Möglichkeiten auf.
Die Klimakrise als positive Utopie sozusagen.
Genau. Und die Natur regelt das ohnehin von selbst, oder? Es hat immer wieder Phasen gegeben, in denen sich das Klima verändert hat. Das passt schon. Man muss das halt zu nutzen wissen.
> Zum Thema Klimaaktivismus und Kunst siehe auch den Artikel "Provokant beharrlich" von Valentine Auer "Provokant beharrlich".
> kupf.at/zeitung/171