Am Samstag, dem 5.März 2011, protestierten Menschen der sogenannten Zivilgesellschaft gegen das sogenannte Bettelverbot, das der OÖ Landtag am 10.März beschließen möchte. Der Protest manifestierte sich in einer bettelnden Menschenkette vom Linzer Taubenmarkt bis zur Bethlehemstraße.
Zwei Tage später spaziere ich ebenda, von der Bethlehemstraße kommend, Richtung Taubenmarkt. Plötzlich bremst eines der regelmäßig patrouillierenden Polizeiautos abrupt ab, legt den Rückwärtsgang ein und lenkt rasant auf die Landstraße. Ich schrecke auf, der Grund für den testosteronlastigen Autostunt wird mir nur Sekunden später klar: ein dunkelhäutiger Mensch mit Krücke, offensichtlich einer jeder „ausländischen Bettler“, die in Linz um Geld bitten und laut Medien und gesundem Volksempfinden der Bettelmafia angehören, spaziert mir entgegen.
„Du da, Passport!“, zischt der beifahrende Polizist aus dem Fenster. Der derart unhöflich Aufgeforderte reicht seelenruhig ein Dokument durchs Fenster. Der Polizist wird ihn von nun an während der gesamten Amtshandlung ungefragt duzen. Dem Bettler ist es egal, er versteht ohnehin kaum ein Wort deutsch. Ich hingegen bin fassungslos und beschließe, die Amtshandlung zu beobachten. Zum Missfallen des Polizisten, selbstverständlich.
Der Polizist fordert den mutmaßlichen Bettler auf, die Taschen zu leeren. Ohne Begründung, ohne ein „bitte“. Der derart Beamtshandelte leert stoisch seine rechte Tasche und zeigt Zigaretten, währenddessen fasst ihm der Polizist bereits ohne Vorwarnung ins Gewand und man hört Kleingeld scheppern, dass der Polizist offenbar, ich kann es nur schlecht sehen, einzieht. Ohne Begründung, ohne Erklärung. Ich staune.
Nun schreibt der Polizist etwas, nach einiger Zeit überreicht er dem jungen Mann einen kleinen Zettel sowie die Ausweispapiere. Stoisch nimmt der junge Mann beides entgegen und dreht sich weg, die Amtshandlung wurde offenbar ebenso wortlos beendet wie sie eröffnet wurde. Ich wende mich an den Mann und frage ihn, ob er soeben eine Strafe bekommen hat. Er versteht mich schwer, aber dann dennoch. Er weiß es nicht – hat er soeben einen Strafzettel bekommen, vielleicht auch nur eine Quittung für das eingezogene Geld? Es ist ihm egal, zahlen kann er sowieso nichts und die Amtshandlung beanstanden liegt ebenfalls außerhalb seiner Möglichkeiten. Mein Angebot zu übersetzen lehnt er mit müdem Blick ab.
Beschämt drücke ich dem Mann eine Zehn-Euro-Note in die Hand, der Polizist überlegt sichtlich, ob er einschreiten soll. Er unterlässt es. Denn das gesunde Volksempfinden maßregelt meine Spendenbereitschaft umgehend: drei ältere Damen aus dem Shopping-Mob beginnen sofort, nachdem ich die 10 Euro hergeschenkt habe, auf mich einzuschimpfen: ob ich wahnsinnig wäre, diesem aggressiven Bettler Geld zu geben? Ob ich nicht wisse, dass der ein Ausländer war? Ob ich die Mafia unterstützen möchte?
Zufrieden grinst der Polizist die Damen an: „Keine Sorge, wir kümmern uns schon darum.“
Links:
die Homepage der Bettellobby
Bilder und Infos zum Massenbetteln