BMKÖS stellt Fördermittel zur Verfügung und schafft Anlaufstelle für ukrainische Künstler:innen

300.000 Euro Sonder-Förderbudget: „Office Ukraine – Shelter for Ukrainian Artists“ wird in Kooperation mit der Zivilgesellschaft im Museumsquartier eingerichtet.

Das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport setzt gemeinsam mit Akteur:innen der Zivilgesellschaft und der Kunst- und Kulturszene einen Akt der Solidarität mit Künstler:innen aus der Ukraine.

Das Kulturressort stellt ab sofort Sonderfördermittel in Höhe von 300.000 Euro für Arbeitsstipendien und Projektförderungen ukrainischer Künstlerinnen und Künstler zur Verfügung.

Außerdem wird ein Koordinationsbüro – das Office Ukraine. Shelter for Ukrainian Artists – für ukrainische Kulturschaffende eingerichtet. Es dient als Plattform für die Koordinierung vielfältiger Zivilgesellschaften und institutionellen Initiativen und tritt als Verbindungsstelle zwischen den Institutionen in Österreich und Kulturschaffenden aus der Ukraine auf.

Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer. „Die ukrainische Bevölkerung erfährt aktuell eine in Europa schon lange nicht mehr dagewesene militärische Aggression – einen massiven Bruch des Völkerrechts gegenüber einem souveränen Staat.

Mit den Ukrainerinnen und Ukrainern verbindet uns mehr als eine räumliche Nähe. Wir teilen demokratische Grundwerte, von der persönlichen Freiheit und der Meinungsäußerungsfreiheit bis zur Freiheit der Kunst. Es ist daher eine Auseinandersetzung zwischen einem autoritären Regime und einer demokratischen Gesellschaft. Die Leidtragenden sind in diesen schwierigen Tagen die Menschen in der Ukraine, gleichzeitig dürfen wir nicht vergessen, der Angriff gilt auch uns.

Die freie Ausübung von Kunst und Kultur ist nicht nur Indikator und Impulsgeber, sondern geradezu Essenz demokratischer Gesellschaften. Daher unterstützen wir in dieser Phase unter anderem flüchtende Künstlerinnen und Künstler, die in Zeiten des Kriegs besonders vulnerabel sind, und ermöglichen somit, dass sie in Österreich in Sicherheit leben und arbeiten können. Es ist unsere Verantwortung, die Solidarität mit der Ukraine auf allen Ebenen mit Leben zu erfüllen.“

Office Ukraine. Shelter for Ukrainian Artists

Das Office Ukraine. Shelter for Ukrainian Artists wird seine zentrale Anlaufstelle im Museumsquartier in Wien (Verein tranzit.at) haben, mit Verbindungsbüros in den Bundesländern, insbesondere in Graz (< rotor >) und Innsbruck (Künstlerhaus Büchsenhausen).

Ab Freitag, dem 4.3.2022, wird das Office hilfesuchenden Personen aus dem kulturellen Umfeld der Ukraine sowohl online als auch vor Ort als Vermittlungs- oder Koordinationsstelle zur Verfügung stehen. Kulturschaffende aus der Ukraine und Institutionen, Personen und Initiativen aus Österreich, die diese in Krisensituationen unterstützen wollen, werden auf dieser Plattform miteinander verbunden.

Das Office Ukraine. Shelter for Ukrainian Artists wendet sich einerseits an alle österreichischen Personen und Institutionen, die Arbeits-, Unterkunfts- und Projektmöglichkeiten für ukrainische Kulturschaffende zur Verfügung stellen wollen und vermittelt diese. Andererseits wird die österreichische Kunst- und Kulturlandschaft eingeladen, ukrainische Kunst- und Kulturschaffende bei der Vergabe von Ausstellungsbeteiligungen, Werk-, Text-, Konzertaufträgen, Einladungen zu geladenen Wettbewerben etc. verstärkt einzubinden. Alle Personen, Initiativen und Institutionen, die in dieser Kriegssituation ihre Solidarität mit ukrainischen Künstler:innen und dem künstlerischen Feld zum Ausdrucken bringen wollen, sind eingeladen, sich bei dieser Plattform zu engagieren. Das BMKÖS wird die Initiative maßgeblich finanziell und organisatorisch unterstützen.

Die Anträge für die Arbeitsstipendien und Projektförderungen werden von den teilnehmenden Institutionen, welche ukrainische Künstler:innen aufnehmen bzw. betreuen, direkt an das BMKÖS gestellt. Die Abwicklung erfolgt durch die Fachabteilungen des BMKÖS.

Zusätzlich wird eine eigene Kontaktstelle im BMKÖS eingerichtet, um Anfragen gezielt bearbeiten zu können.

E-Mail:  ukrainehilfe@bmkoes.gv.at

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Gastbeitrag: Eine Frage und eine Bitte an uns als Menschen

Corinna Antelmann reagiert auf die kürzlichen Schließungen von Schulen und Kindergärten sowie Absagen von Kulturveranstaltungen in Oberösterreich in einem offenen Brief an Landeshauptmann Stelzer.

– Juli 2020, anlässlich der Entscheidung in Oberösterreich, nach der Entdeckung eines Clusters in fünf Bezirken ausnahmslos alle Veranstaltungen abzusagen (auch outdoor und gewissenhaft organisiert wie in Ottensheim) und alle Schulen und Kindergärten zu schließen. –

Wir sollten entscheiden, wie wir als Menschen leben wollen und uns gewahr zu werden, wo es hingehen soll mit dieser Menschen-Gemeinschaft. Frage: Was macht eine Gesellschaft aus? Woher nehmen wir Sinn und Gehalt und Nahrung für die Seele? Das Gefühl für Schönheit? Die Freude und innere Gesundheit?

Der Weg dorthin ist ebenso gepflastert mit Entscheidungen, zum Beispiel die Entscheidung, wie wir mit unserem Leben umgehen wollen. Und zwar langfristig, weil Krankheiten uns weiterhin begleiten werden, je länger wir das Leben weiterhin mit Füßen treten, missachten, und uns von allem Verbindenden und Verbindlichen abschneiden.

Anfang Juli stieg in Oberösterreich die Zahl der Infizierten abermals (und erstmals in diesem Maße nach dem Shutdown), nicht ganz überraschend für alle, die ohnehin Vorsicht haben walten lassen, um ihren Wiedereinstieg ins berufliche und gesellschaftliche Leben nicht zu gefährden, zum Beispiel uns KünstlerInnen. Nach dem kurzen Aufatmen dann kamen erste zarte Bemühungen (und hier kommt die persönliche Betroffenheit), als Kunstschaffende unter Berücksichtigung von Vorsichtsmaßnahmen an Strategien zu basteln, die Veranstaltungen möglich machen könnten, wie es gehen könnte, ohne Teil des Problems zu werden, sondern Teil einer Lösung zu sein. Dieses erstes Wiederaufblühen ist noch vor der Blüte (vor der Ernte sowieso) wieder niedergetreten worden. In meinem Falle: eine Freiluft-Lesung mit Kollegin Irene Kepl in kleinem Rahmen, mit Abstand und Maske,ohne direkten Körperkontakt. Durch die pauschale Absage an ALLE Veranstaltungen in fünf oberösterreichischen Bezirken, ohne Differenzierung, musste sie ausfallen, während alles andere unangetastet blieb, selbst die Maskenpflicht nicht mit sofortiger Wirkung wieder eingeführt wurde. Aha. Kultur, und ebenso pauschal die Bildung unserer Kinder, deren Schulalltag abermals von einem auf den anderen Tag ausgesetzt wurde (das trifft mich als Mutter UND freischaffende Künstlerin doppelt), das zutiefst Humane, Sinnstiftende, Nährende, gelten also als weniger wert, weniger relevant als die Bereiche, die uns in erster Linie als KonsumentInnen sehen?

Es dürfte sich herumgesprochen haben, dass Geld nicht sinnstiftend sein kann und auch nicht heilend. Ja, Unterstützung braucht es dennoch – für viele von uns, und ich bin dankbar, in einem Land wie Österreich aufgefangen zu werden, aber: Es geht nicht nur um Geld; der Mensch will (allen anders lautenden Meinungen zum Trotz) arbeiten! Ich will arbeiten, ja, denn ich halte Arbeit für wichtig und erfüllend. Meine Eltern wollen Berührung und mein Kind will eingebettet sein in soziale Zusammenhänge und sein Recht auf Bildung ausüben (anders lautenden Meinungen zum Trotz, auch hier). Studierenden wollen „in Beziehung“ lernen, bevor die Wut um sich greift, die jede Solidarität in ihren Flammen erstickt. Fallengelassen zu werden, aber als Konsumentengruppe willkommen zu sein, das hält eine kindliche Psyche bedingt aus.

Fallengelassen zu werden, weil es sich nicht rechnet, hält niemand aus.

Also fragen wir uns bitte, und ich frage auch Sie, Herr Stelzer: Wie wollen wir die Säulen Gesundheit, Kultur, Bildung stabilisieren, auf denen jede Gemeinschaft fußt? Wie wollen wir der allgemeinen Frustration entgegenwirken: von den Kindern, den Eltern, von all jenen, die ihre Arbeit nicht ausüben dürfen, nicht berührt werden, nicht gehört werden, keine Stimme haben, keine Sprache? Bitte, bitte keine undifferenzierte Willkür mehr, wann welche Maßnahmen getroffen werden. Allein deshalb, um die Solidarität ALLER nicht zu gefährden. Wo ist Vorsicht sinnvoll, unvermeidbar und zielführend, wo pauschal, undurchsichtig und krankmachend, ja, kränkend? Bitte, überlegen wir eine Strategie, die soziale, psychische, emotionale, kreative Aspekte vor Umsätze reiht.

Denn auch deshalb will ich arbeiten und sehe es als sinnstiftend an, (im Rahmen des Möglichen) öffentlich zu lesen, gemeinsam auch mit Schüler und Schülerinnen: Weil über das Geschichtenerzählen das Staunen, Atmen, Denken, ja das Menschliche, in den Vordergrund gerückt wird. Alles, was je erzählt wurde und wird, drückt das Gemeinsame aus, das Verbindende, das, was das Leben ausmacht, statt durch voranschreitende Ökonomisierung an Lifestyles zu stylen, die uns zu unterscheiden versuchen. Wir sind keine Einzelwesen, sondern brauchen jede Einzelne mit dem, was er oder sie tut und ist. Den politischen EntscheidungsträgerInnen sei an dieser Stelle empfohlen, sich gelegentlich mit der schreibenden Zunft auseinanderzusetzen. Wir sitzen alle in einem Boot, allein dadurch, dass wir Menschen sind. Auch das erfahren wir gerade. Wir sind Gesellschaft und sollten die Verantwortung übernehmen: uns selbst und unserer Umwelt gegenüber. Wie können wir uns gegenseitig schützen, wertschätzen, unterstützen? Wie können wir verantwortungsbewusst handeln, ohne das Leben fallenzulassen?

Nehmen wir unser Bedürfnis nach Sinnhaftigkeit ernst.

Danke.

Corinna Antelmann, geboren 1969 in Bremen/Deutschland, lebt seit 2006 in Oberösterreich. Tätig als Dramaturgin, freie Prosa- und Drehbuchautorin sowie Dozentin. 2013 Empfängerin des Frau-Ava-Literaturpreises, 2015 des Kranichsteiner Jugendliteraturstipendiums.

Dieser Text erschien am 16. 7. 2020 auf ihrem Blog.

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EP-Kulturausschuss fordert mehr Geld für Kultur

Der Kulturausschuss des europäischen Parlaments hat sich der Kritik der Interessenvertretungen wie der KUPF angeschlossen. In einer Stellungnahme bemängelt der Ausschuß die Unterfinanzierung des Teilprogrammes KULTUR von KREATIVES EUROPA und fordert entsprechend eine Erhöhung des Programmbudgets für das kommende Jahr.

Und das klar und deutlich: „Highlights the chronic underfunding of both the Culture subprogramme under Creative Europe and the Europe for Citizens programme; calls for more funds for both in 2018; deplores the 740 000 EUR reduction in the latter’s 2018 budget vis-à-vis the financial programming figure; recalls that this represents around 3% of the EfC budget and will impact its already low project success rates.“

Die gesamte Stellungnahme findet ihr hier:

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Zur Regulierung sozialer Netzwerke

Etliche Initiativen der österreichischen Zivilgesellschaft aus den Bereichen Freie Medien, Kultur und Netzpolitik, darunter auch die KUPF, haben sich zur mediana-Plattform zusammengeschlossen und treten für Meinungsäußerungsfreiheit im Internet ein. Für den Nationalratswahlkampf 2017 hat die Plattform ein Positionspapier mit ua. folgenden Forderungen formuliert:

In einigen der jüngsten Wahlkämpfe wie in den USA, Frankreich und jetzt Deutschland dominierten bei der Beschreibung der politischen Kommunikation die Buzzwords „Fake-News, Hate-Speech und Social Bots“ die Debatte. Die Politik hat darauf zuerst ratlos, dann mit Regulierungsvorschlägen reagiert, die zu einer massiven Einschränkung der Meinungsäußerung führen können, umgekehrt aber nicht geeignet erscheinen, die mit den Buzzwords beschriebenen Phänomene in den Griff zu bekommen.

Im Zuge der Diskussion um das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Deutschland hat auch BM Drozda gefordert, Online-Plattformen wie Facebook oder Twitter dazu zu verpflichten, wirksame Beschwerdeverfahren einzurichten, unter Androhung von empfindlichen Strafen. Damit soll dem hervorgerufenen Eindruck Einhalt geboten werden, dass absichtliche Falschmeldungen und Hasspostings oftmals den öffentlichen Diskurs bestimmen.

Klar ist, dass effektives Vorgehen gegen rechtswidrige Inhalte gesichert sein muss. Wie im physischen Raum ist es aber auch im digitalen Raum an der Justiz zu entscheiden, was rechtswidrig oder strafbar ist und was nicht. Aufgrund der Relevanz der Online-Plattformen in der öffentlichen Kommunikation kommt diesen eine wichtige Rolle zu, durch Löschen oder Sperren rechtswidriger Inhalte an deren Bekämpfung mitzuwirken.

Die Verknüpfung empfindlicher Strafen mit der Verpflichtung zur Löschung von „offensichtlich rechtswidrigen Inhalten“ führt jedoch dazu, dass die Entscheidung darüber, was rechtswidrig ist, privaten Online-Plattformen überantwortet wird und diese zur Vermeidung ebensolcher Strafen im Zweifel Inhalte sperren/löschen werden. Das Beispiel Stefanie Sargnagel, der offenbar aufgrund von gezielten falschen Beanstandungen der Facebook-Account gesperrt wurde, obwohl sie selbst Opfer medialer Angriffe war, zeigt, dass übereiltes Vorgehen leicht zur Einschränkung des Rechts auf Meinungsäußerung führen kann. Es bedarf daher Maßnahmen, durch die ein Ausgleich verfassungsgesetzlich geschützter Rechte sichergestellt wird, wie dies etwa in der „Deklaration für die Meinungsfreiheit“ gefordert wird.

Gleichzeitig sollen Online-Plattformen mit dominanter Marktposition durchaus zu verstärkter Übernahme von Verantwortung bewegt werden. Auch diese haben sich demokratischen Spielregeln zu unterwerfen und bedürfen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Interessen der besonderen Beobachtung und Kontrolle.

Die Forderungen im Überblick

  • Keine Privatisierung der Rechtsdurchsetzung
  • Keine verpflichtenden Uploadfilter
  • Kennzeichnungspflicht für Parteien auf Social Media Plattformen
  • Recht auf digitale Gegendarstellung
  • Notice-and-Fair-Balance Verfahren
  • Stärkung der Effektivität staatlicher Rechtsdurchsetzung // Einführung einer „Niederlassungsfiktion“
  • Offenlegung und Verfügbarmachung von Schnittstellen
  • Förderung alternativer Online-Plattformen
  • Chancengleichheit im demokratischen Diskurs: Platform Neutrality / Nutzungsrecht
  • Keine Privatisierung der Rechtsdurchsetzung

Plattformbetreiber dürfen nicht durch Androhung empfindlicher Strafen dazu genötigt werden, präventiv eigenständig zu entscheiden, welche Inhalte rechtskonform sind und welche nicht. In einem Rechtsstaat muss die rechtliche Letztentscheidung in den Händen der Justiz liegen und darf nicht an private Betreiber ausgelagert werden. Für Inhalte, bei denen die Rechtswidrigkeit nicht, nicht schnell oder nicht sicher festgestellt werden kann, sollte nicht „Im Zweifel löschen/sperren“ gelten, denn ein solches Vorgehen hätte katastrophale Folgen für die Meinungsfreiheit.

Keine verpflichtenden Uploadfilter

Die Einführung verpflichtender Uploadfilter, wie z.B. im Entwurf der Richtlinie Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt vorgesehen, führen zu einer zentralen automatisierten Zensurinfrastruktur, darüber hinaus sind sie für Plattformbetreiber große administrative und technische Bürden. Während dies für große Plattformen leistbar ist, würde das für Start-ups sowie nicht-kommerzielle Betreiber (z.B. Wikipedia, cba.fro.at) nicht leistbar sein und sie damit aus dem Markt drängen oder ihnen den Eintritt überhaupt verwehren. Dies würde letztlich die Marktmacht von YouTube, Facebook & Co und damit die Abhängigkeit von diesen noch weiter verstärken.

Kennzeichnungspflicht für Parteien auf Social Media Plattformen

Ungeachtet der Einführung entsprechender Regularien für Social Media Plattformen legen die Erkenntnisse aus den Abstimmungen zu Brexit und der US-Präsidentschaft nahe, dass in der politischen Kommunikation versucht wird, durch Automatisation unlauter Trends zu beeinflussen. Dem sollte insbesondere durch eine Kennzeichnungspflicht des Absenders einer Botschaft, wenn Parteien kommunizieren, entgegengewirkt werden. Durch wissenschaftliche Aufarbeitung sollte die Grundlage für eine faktenbasierte Auseinandersetzung mit dem Phänomen geschaffen werden.

Recht auf digitale Gegendarstellung

Im Bereich Falschmeldungen/Ehrendelikte sollte das Recht auf digitale Gegendarstellung etabliert werden, wonach all jenen NutzerInnen, denen eine gerichtlich festgestellte Falschmeldung/Verleumdung angezeigt wurde, auch die Gegendarstellung angezeigt werden muss.

Notice-and-Fair-Balance Verfahren

Online-Plattformen arbeiten idR auf Basis des Hostprovider-Prinzips. Das heißt, dass sie nicht selbst für die angezeigten Inhalte haften, sondern erst bei einem Hinweis auf einen Verstoß gegen beispielsweise das UrheberInnenrecht tätig werden und diesen Inhalt sofern „offensichtlich rechtswidrig“ oder durch Gerichtsbeschluss nachweislich rechtswidrig löschen oder sperren müssen (Notice-and-Take-Down). Dies erfolgt idR ohne dass UploaderInnen die Möglichkeit bekommen nachzuweisen, dass sie rechtmäßig z.B. von ihrem Recht auf Meinungsäußerung oder einer Urheberrechtsschranke Gebrauch gemacht haben. Es braucht daher ein Notice-and-Fair-Balance Verfahren6, das abgestuft nach der jeweiligen Erscheinungsform, ein entsprechendes Verfahren vorsieht, das etwa auch inkriminierten UserInnen das Recht gibt, die eigene Position zu rechtfertigen. Denn gerade im Kontext politischer Debatten wird das Notice-and-Take-Down-Prinzip oft zweckentfremdet, um unliebsame Inhalte zu unterdrücken. Dadurch soll im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein Ausgleich zwischen den verschiedenen Grundrechten wie Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit oder Recht auf Privatheit durch ein Notice-and-Fair-Balance-Verfahren hergestellt werden.

Stärkung der Effektivität staatlicher Rechtsdurchsetzung // Einführung einer „Niederlassungsfiktion“

Zu begrüßen ist die Einrichtung einer Beratungsstelle für Opfer von Hasspostings und Internetmobbing. Die Maßnahme sollte durch die Umwandlung bestimmter Privatanklagedelikte, wie z.B. Ehrendelikten in Ermächtigungsdelikte und Verstärkung des Know-hows sowie der personellen Infrastruktur in der Justiz unterstützt werden. Ferner soll bei Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Meinungsäußerungsfreiheit und Online-Plattformen mit starker Marktmacht die Niederlassung dort gelten, wo das Service angeboten wird und damit anwendbares Recht/Gerichtsstand im Land der NutzerInnen, nicht im Land des Betreibers liegen (Niederlassungsfiktion). Dadurch soll möglich sein, dass Fragen über politische Meinungsäußerung in Österreich nicht – wie im Falle etwa von Facebook Ireland Ltd – nach irischem, sondern nach österreichischem Recht verhandelt wird.

Offenlegung und Verfügbarmachung von Schnittstellen

Alternativen zu bestehenden großen Plattformen haben es wegen des Lock-In Effektes sehr schwer, gegen etablierte Plattformen anzukommen und damit einen Beitrag zu mehr Vielfalt zu leisten. Gerade soziale Plattformen leben davon, dass auch FreundInnen und Bekannte sich auf diesen aktiv aufhalten; ein Wechsel ist erst dann interessant, wenn auch die anderen sich dort befinden. Nur wenn ich mein Netzwerk und meine Freunde mitnehmen kann, ziehe ich es in Betracht auf eine neue Plattform umzusteigen. Plattformbetreiber dürfen NutzerInnen nicht mit ihren eigenen Nutzerdaten in Geiselhaft halten. Durch die verpflichtende Offenlegung und Verfügbarmachung von Schnittstellen (APIs) wird es für neue Plattformbetreiber einfacher, Angebote zu schaffen, die NutzerInnen zum Umstieg auf ein neues System bewegen.

Förderung alternativer Online-Plattformen

Zur aktiven Förderung der Vielfalt ist eine Förderung (der Gründung) nichtdominanter Online-Plattformen mit Geschäftsfeldern unabhängig vom Verkauf von Daten anzustreben. Dies könnte durch die Einrichtung eines eigenen Förderansatzes erfolgen, der im Bereich Medien/Social Media die Gründung neuer oder Weiterentwicklung von Online-Plattformen unterstützt.

Chancengleichheit im demokratischen Diskurs: Platform Neutrality / Nutzungsrecht

Bei dominanten Plattformen, die akribisch Kontrolle über ihre Suchergebnisse und Newsfeeds ausüben, wird aufgrund deren Unausweichlichkeit in Anlehnung kartellrechtlicher und regulatorischer Grundprinzipien (wie zB Essential Facility-Doktrin, Must Carry-Prinzip)7 unter bestimmten Umständen ein Nutzungsrecht (siehe Bsp Sargnagel) abzuleiten sein.

Das Positionspapier zur #mediana17 wird unterstützt von

Radio FRO, epicenter.works, Kulturplattform Oberösterreich, Initiative Netzfreiheit, servus.at, Wikimedia Österreich, Creative Commons Österreich, Verband Freier Radios Österreich, Verband Community Fernsehen Österreich,, fairkom Gesellschaft, Magdalena Reiter (Open Commons Linz), Leonhard Dobusch (Universität Innsbruck), Felix Stalder (World-Information Institute), Konrad Becker (World-Information Institute), Roland Alton (FH Dornbirn), Alexander Baratsits (Mediana).

 

Linz/Wien/Salzburg, am 15. Juni 2017

Das Positionspapier der Mediana-Plattform in voller Länge finden Sie hier: Download

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Gibt es einen oö Kulturjournalismus?

In der Kupf-Zeitung #158 hat der Journalist Sebastian Fasthuber den Text „Gibt es einen Kulturjournalismus in OÖ?“ veröffentlicht. Otto Tremetzberger (dorf tv, Freies Radio Freistadt) hat dazu folgendes Feedback verfasst und zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt:

Gibt es einen Kulturjournalismus in OÖ?“ fragt Sebastian Fasthuber in der aktuellen KUPF-Zeitung.

 

In Fasthubers Artikel findet man natürlich einmal mehr die übliche Ignoranz und – allerdings für einen Autor und Kulturjournalisten geradezu beschämende – Unwissenheit gegenüber den angeblichen „Nischenmedien“. In der Regel überhaupt nicht wohlgesinnte Medien und Politiker beschreiben diese gerne auch als „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ – und meinen damit „von der Öffentlichkeit auszuschließen“. Nun, das ist wirklich eine andere Geschichte.

 

Als kaufmännischer Leiter von DORF TV und dem Freien Radio Freistadt weiß ich in Zahlen ziemlich genau welchen, nämlich hohen, Stellenwert „Kultur“ – und ganz besonders auch die Literatur – in unseren Programmen und auch unseren Budgets haben. Als Schriftsteller und Publizist weiß ich die qualifizierte und häufig auch überraschende und unterschätzte Öffentlichkeit einer KUPF-Zeitung, einer „Versorgerin“, einer „Referentin“, eines DORF TV … also all jener – in den Augen von Fasthuber also „Nischenmedien“ – sehr zu schätzen; und ich schätze (in allen meinen Funktionen und Rollen) – und ich kritisiere – wie Fasthuber völlig zurecht – übrigens auch – den Beitrag der „marktbeherrschenden Printmedien“.

 

Viel wichtiger und schon deutlich weniger lustig ist aber, dass Leute wie Fasthuber es offenbar noch immer nicht begriffen haben, was sie gerade als Kulturvermittler und Kulturschaffende an diesen angeblichen „Nischenmedien“ an Potential und „Spin“ – auch und gerade in eigener Sache nämlich! – ungenutzt für sich (und auch für andere) liegen lassen: Die Möglichkeit, die eigene kulturelle und kulturpolitische Arbeit möglicherweise ÜBERHAUPT und AUSSCHLIESSLICH medial verbreitet und zudem dauerhaft online verfügbar zu wissen, die Möglichkeit MINDESTENS in einer qualifizierten Öffentlichkeit mit seinem Schaffen, einer Haltung, einer Position, einer Meinung sichtbar, hörbar und lesbar zu sein. Die Möglichkeit, dass der (eigene) Geist überhaupt einmal und irgendwo „zur Wirkung gebracht werde“. Getreu dem Goethe’schen Prinzip – oder wies bei Musil heißt: „Man muss wirken, ehe man das Gute wirken kann“ (MoE). Oder anders gesagt: Man muss einen Stein erst einmal ins Rollen bringen. Wer dabei allein auf die „marktbeherrschenden Printmedien“ setzt hat bereits verloren.

 

Liebe KUPF-Zeitungs-Redaktion! Ihre werdet mir jetzt wahrscheinlich schreiben, dass Sebastian Fasthuber ja eh im letzten Absatz netterweise die „Referentin“ und die „Versorgerin“ noch mal anspricht und dass es zum Beitrag der „Freien Medien“ ja das Interview mit Elisabeth Neubacher vom Freien Radio Kirchdorf gibt. Jaja. Nun schreibt aber Fasthuber über „den Kulturjournalismus“, die „oberösterreichischen Medien“ usw. (der Untertitel kommt von euch, oder?) so dass die Kulturberichterstattung einer „Versorgerin“ (im Übrigen der bessere „Falter“) oder einer „Referentin“ eben nicht „eine eigene Geschichte“ (Fasthuber) – sondern EINE Geschichte ist.

 

Mit den besten Grüßen

Otto Tremetzberger

 

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Kulturrat Ö gegen Abschaffung des Asylrechts

Im Schnellverfahren Grundrechte abschaffen? Der Kulturrat Österreich spricht sich vehement gegen Abschaffung des Asylrechts aus!

Bevor noch die letzte Verschärfung im Fremden(UN)recht beschlossen ist, steht schon die nächste auf dem Programm und soll im Schnellverfahren umgesetzt werden. War im Herbst, als die aktuell vorliegende Gesetzesverschärfung im parlamentarischen Verfahren auf den Weg gebracht wurde, noch von symbolischen Maßnahmen die Rede, soll nun Flüchtlingen die Möglichkeit, internationalen Schutz an einem sicheren Aufenthaltsort zu erhalten, gänzlich verweigert werden.&n

Positionspapier: Warum Kulturförderungen keine Mehrfach- sondern Komplementärförderungen sind (2015)

Angesichts der angewandten Sparpolitik stehen auch Förderungen zunehmend im Fokus der öffentlichen Debatte. Allerdings werden hierbei all zu oft unterschiedliche Förderstrukturen – teils mangels Kenntnis, teils politisch motiviert – miteinander vermengt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn von „den Mehrfachförderungen“ die Rede ist. Für die KUPF Grund genug, diesen Sachverhalt im Folgenden klarzustellen:

Von einer Mehrfachförderung wird gemeinhin dann gesprochen, wenn für ein und dieselbe Leistung von mehreren Gebietskörperschaften oder Ressorts Förderungen gewährt werden. Wird beispielsweise in der Landwirtschaft eine Grünlandfläche X von der Europäischen Union, dem Land und der Gemeinde subventioniert und wird hierbei unisono die gleiche Fläche als Förderkriterium herangezogen, dann wird diese tatsächlich mehrfach gefördert („echte Mehrfachförderung“).

Dem gegenüber stehen Förderungen für unterschiedliche und abgrenzbare Teilbereiche oder Projekte einer bestimmten Organisation durch mehrere Ressorts oder Gebietskörperschaften. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Tätigkeitsprofil einer Organisation nicht exakt der Ressortverteilung einer Regierung entspricht – also beispielsweise eine Sozialeinrichtung auch ein Kulturprogramm für die BewohnerInnen anbietet (Kultur) oder generationsübergreifende Weiterbildungskurse organisiert (Bildung). In diesem Fall liegen zwar mehrere Förderstellen vor („unechte Mehrfachförderung“), allerdings wird keine Ausgabe und kein Beleg doppelt oder mehrfach gefördert.

Das gilt auch die Kulturförderung, wo zudem das Subsidiaritätsprinzip in den Förderrichtlinien bzw. im Kulturfördergesetz verankert ist: Hierbei teilen sich Gemeinden, Land und Bund in Form einer ergänzenden Förderung den Auftrag, die kulturelle Vielfalt zu fördern. Es handelt sich um keine Mehrfachförderung, sondern um eine Komplementärförderung.

(R.S.)

Gegendarstellung von maiz zur Berichterstattung in den OÖ Nachrichten

„800.000 Euro für maiz? – Ja! Wir bräuchten sie dringend!

Die OÖ Nachrichten haben in den letzten drei Monaten im Zusammenhang mit einer Kritik an der Förderpolitik des Landes mehrfach nachweislich falsch und diskreditierend über den Verein maiz berichtet. maiz weist die Vorwürfe aufs Schärfste zurück.

 

Wir stellen richtig: 

Der Verein maiz hat im Jahr 2014 nicht „mehr als 800.000 Euro“ an Landesförderungen erhalten. Tatsächlich betragen die Landesförderungen für diesen Zeitraum 519.557,58 Euro, weitere 297.550,69 Euro an Förderungen durch das BMBF wurden vom Land an maiz weitergeleitet. 

Die Behauptung, maiz wäre „Spitzenreiter“ bei der Zahl der Landesförderungen ist falsch.
Tatsächlich beziehen andere (im Gegensatz zu maiz parteinahe) Einrichtungen in Oberösterreich für ihre ebenfalls gesellschaftlich wichtige Arbeit aus deutlich mehr (unseren Recherchen zufolge aus bis zu 48) Fachabteilungen des Landes – in Summe um ein Vielfaches mehr und höhere Projektförderungen.
 
Die OÖN schreiben im Zusammenhang mit maiz wiederholt von „Mehrfachförderungen“. Dabei handelt es sich bekanntlich um Förderungen für unterschiedliche, abgegrenzte oder fachübergreifende Projekte aus den dafür jeweils zuständigen Ressorts und Fachabteilungen des Landes.
Mehrere gleichzeitige Förderungen in diesem Sinne sind völlig in Ordnung und – juristisch und sachlich – korrekte Praxis!
Diese Förderungen müssen für voneinander klar abgegrenzte Vorhaben (Projekte) bei den zuständigen Ressorts (Soziales, Bildung, Frauen, Jugend, Forschung, Kultur) auch einzeln beantragt, dokumentiert, nachgewiesen und auch abgerechnet werden.
Die veröffentlichten Berichte erwecken den Eindruck, der Verein maiz beziehe für ein und dieselbe Leistung aus unterschiedlichen Ressorts Förderungen des Landes OÖ.
maiz weist dies aufs Schärfste zurück!
 
Diese Art der Berichterstattung schürt zudem den Verdacht, dass öffentliche Gelder durch Fördernehmer_innen missbräuchlich verwendet würden.

Die OÖN setzen mit ihrer Berichterstattung den Verein maiz in ein völlig falsches Licht.

Dabei entsteht in der Öffentlichkeit der Eindruck, maiz werde geradezu mit finanziellen Mitteln vom Land OÖ überschüttet. Doch das Gegenteil ist der Fall: Ja! Wir würden die kolportieren 800.000 Euro für unsere Arbeit dringend benötigen. Seit Jahren aber ist maiz mit gravierenden Subventionskürzungen konfrontiert. Unsere Leistungen werden massiv durch ehrenamtliche Arbeit mitgetragen. Auch 800.000 Euro wären nicht genug!
 

Trotzdem leistet maiz unablässig, wegweisend, kritisch, hochqualifiziert und engagiert wertvolle Arbeit für Menschen verschiedenster ethnischer und geographischer Herkunft, die in OÖ leben.
Dazu zählen: Basisbildung, Deutsch als Zweitsprache, Alphabetisierung, Nachholen des Pflichtschulabschlusses, Familien- und Gesundheitsberatung, Politische Bildung, Kulturarbeit, Forschungsarbeit …

 
Wir halten fest:

maiz hat nichts zu verbergen. Wir sind für Transparenz. Wir sind auch gerne bereit, auf Anfrage Einsicht in die Finanzbücher und die Dokumentation unserer Arbeit zu gewähren.

Wir stellen uns der Diskussion.

Die OÖN suchten bisher keinen Kontakt mit maiz.

Die Fixierung auf maiz – und somit auf Migrant_innen und Frauen – ist angesichts neoliberaler Politik und den bevorstehenden Wahlen wohl kein Zufall!

 
           –> Die gesamte Stellungnahme mit Ausgangslage und Sachverhalt siehe: Gegendarstellung-PDF

Über eure Kommentare würden wir uns auch auf facebook freuen! https://www.facebook.com/vereinmaiz

Kontakt für Rückfragen: maiz@servus.at, Dr.in Luzenir Caixeta“

Positionspapier: Appell der Kunst- und Kulturverbände Österreichs für eine allgemeine Ausnahme von Kunst und Kultur in TTIP (2015)

Wir, die unterzeichnenden Mitglieder der ARGE Kulturelle Vielfalt der Österreichischen UNESCO-Kommission, warnen eindrücklich vor negativen Konsequenzen der geplanten Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der EU und den USA für die europäische Kunst-, Kultur- und Medienlandschaft.

Im Stimmengewitter rund um die TTIP-Verhandlungen drohen die Themen Kultur und Medien unter „ferner liefen“ verbucht und mitverhandelt zu werden – mit irreversiblen Konsequenzen. Wir appellieren daher dringend an die politisch Verantwortlichen, sich für eine allgemeine Ausnahme von Kunst und Kultur aus dem Anwendungsbereich von TTIP einzusetzen. Nur so ist der effektive Schutz der kulturellen und medialen Vielfalt Europas gewährleistet.

 

Die Annahme, Kunst und Kultur seien von TTIP nicht betroffen, ist ein Mythos.

Jedes Buch, jeder Film, jede Theatervorstellung, jedes Musikevent ist als kulturelles Produkt mit einem finanziellen Wert Teil des internationalen Handels und damit Gegenstand von Freihandelsverhandlungen – genauso bei TTIP. Die Annahme, bei TTIP werde nicht über den Kunst-, Kultur- und Medienbereich verhandelt, ist ein Mythos. Das Mandat der Europäischen Kommission enthält keine „kulturelle Ausnahme“, wie vielfach behauptet wird. Der Kulturbereich ist nicht aus den Verhandlungen ausgeklammert. Lediglich für audiovisuelle Dienstleistungen (Film, TV, Radio) ist eine Ausnahme im Kapitel zum Dienstleistungshandel und zur Niederlassung vorgesehen, in allen anderen Bereichen des TTIP aber, wie Investitionsschutz oder regulatorische Kohärenz, kann über audiovisuelle Medien verhandelt werden und über nicht-audiovisuelle Medien sowieso.

Zur Diskussion stehen damit sämtliche Förderungen, Regulierungsmaßnahmen und Standards zum Schutz und zur Erhaltung der kulturellen Vielfalt und der Medienvielfalt bzw. Medienfreiheit in Europa. Denn mit den USA steht der EU ein Verhandlungspartner gegenüber, der ein grundsätzlich anderes Verständnis von Kultur- und Medienpolitik hat. Aus Sicht der USA sind Kultur und Medien reguläre Handelsprodukte, die möglichst frei am Markt zirkulieren sollen. Staatliche Fördermaßnahmen erscheinen aus dieser Perspektive nur als wirtschaftspolitisch motivierter Protektionismus, der den freien Handel beschränkt. Demgegenüber zählt es zum europäischen Selbstverständnis, Kultur nicht auf ihren Warencharakter zu reduzieren, sondern ebenso als Träger gesellschaftlicher Werte und Identitäten sowie ästhetischer Positionierungen aufzufassen. Daraus leitet sich die Verantwortung des Staates ab, eine Vielfalt an Kultur zu ermöglichen – jenseits des Diktats des jeweils aktuellen Publikumsgeschmacks oder der Interessen von Investoren. Dies ist aber nur möglich, wenn der Staat kulturpolitisch agieren kann. Den bestehenden und künftigen kulturpolitischen Spielraum zu wahren, ist somit oberste Prämisse für den nachhaltigen Schutz der Vielfalt von Kunst, Kultur und Medien in Europa – auch und insbesondere in Freihandelsverhandlungen.

Ob und in welcher Art und Weise Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der kulturellen und medialen Vielfalt jeweils konkret erforderlich und gewollt sind, muss weiterhin das Ergebnis demokratischer Willensbildungsprozesse sein und darf nicht das Ergebnis handelsrechtlicher Verpflichtungen und internationaler Schiedsgerichte werden, die diese auslegen.

Wir brauchen eine allgemeine Kulturausnahme statt schwammiger Zusagen.

Bislang ist nicht erkennbar, wie die Europäische Kommission gedenkt, Kultur und Medien vor negativen Auswirkungen durch TTIP zu schützen. Jene wenigen Papiere, die zu dieser Thematik veröffentlicht wurden, geben großen Anlass zur Sorge. Es scheint, als würde die Kommission eine Minimalversion anstreben, die alles andere als einen effektiven und umfassenden Schutz der kulturellen und medialen Vielfaltsförderung in Europa gewährleistet, sondern das Gegenteil bewirkt.

Wir, die Kunst- und Kulturverbände Österreichs fordern daher:

– Rechtsverbindliche Regelungen

Absichtserklärungen sind nicht genug. Die von der Kommission angestrebte „Erwähnung“ des „UNESCO-Übereinkommens über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“ in der Präambel des TTIP-Abkommens ist nicht ausreichend. Eine Erwähnung in einer Präambel alleine entfaltet keine rechtlich bindende Schutzwirkung. Im besten Falle ist sie bei Streitfällen eine Auslegungshilfe. Es braucht daher zusätzlich eine klare Verankerung aller Ausnahmen für Kunst, Kultur und Medien in den bindenden TTIP-Kapiteln.

– Ausnahmen für audiovisuelle UND kulturelle Sektoren

Das Mandat verpflichtet die Europäische Kommission, audiovisuelle Dienstleistungen aus den TTIP-Verhandlungen auszuklammern. Diese Ausnahme gilt jedoch nur für den audiovisuellen Sektor (Film, TV, Radio), nicht für andere Kultursektoren wie beispielsweise Literatur und den Verlagssektor, Theater und Musikauftritte, Bibliotheken, Museen und Archive. Auch in diesen Bereichen dürfen keine neuen Zugeständnisse und Liberalisierungsverpflichtungen durch TTIP entstehen. Die Ausnahme für audiovisuelle Dienstleistungen ist daher auf alle kulturellen Sektoren auszuweiten.

– Technologieneutrale Definition von Ausnahmen

Die technologischen Entwicklungen haben die Art und Weise, wie Kultur geschaffen, verbreitet und konsumiert wird, grundlegend verändert. Welche Technologien und Verbreitungsplattformen in den nächsten zehn, zwanzig, dreißig Jahren relevant werden, ist heute nicht vorhersehbar. Es ist daher unbedingt erforderlich, Ausnahmen für Kultur und Medien technologieneutral zu definieren. Es muss außer Frage stehen, dass ein Buch ein kulturelles Gut ist, unabhängig davon, ob es als gedrucktes Buch oder als E-Book erscheint. Gleiches gilt für den Film-, TV-, Radio- und Musiksektor. Gerade in diesen Sektoren ist das US-Interesse an einer möglichst weitgehenden Marktöffnung – angesichts der dominanten Stellung von US-Unterhaltungs-, Medien- und Internetkonzernen – besonders groß. Bei Onlinediensten im Bereich Film, TV, Radio und Musik muss genauso außer Frage stehen, dass es sich um kulturelle Dienste handelt und nicht, wie von den USA propagiert, um Informations- oder Telekommunikationsdienste, die Daten übermitteln.

– Berücksichtigung der Bandbreite an Maßnahmen zur Vielfaltsförderung

Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der kulturellen Vielfalt und der Medienvielfalt bzw. der Medienfreiheit setzen nicht nur in den Kultur- und Mediensektoren an. Auch Regulierungen in anderen Bereichen zielen auf Standards im Kulturbereich und die Vielfaltsförderung ab, beispielsweise im Bildungssektor, im Arbeits- und Versicherungsbereich oder dem Telekommunikationssektor (z.B. die „must carry“ Regelungen, die Kabelnetzbetreiber verpflichten, lokale und öffentlich-rechtliche Sender miteinzubeziehen). Derartige Regulierungen müssen weiterhin möglich sein, um einen effektiven und umfassenden Schutz der kulturellen und medialen Vielfaltsförderung zu gewährleisten.

– Berücksichtigung in sämtlichen TTIP-Kapiteln

TTIP ist mehr als ein reines Freihandelsabkommen. Im Rahmen der sogenannten „transatlantischen Partnerschaft“ werden nach aktuellem Verhandlungsstand genauso Investitionsschutzklauseln, Maßnahmen zu mehr regulatorischer Kompatibilität und gemeinsame Regeln angestrebt. Ausnahmen zum Schutz der kulturellen und medialen Vielfaltssicherung dürfen sich daher nicht auf das TTIP-Kapitel über den Marktzugang beschränken, sondern müssen sich auf den gesamten TTIP-Anwendungsbereich erstrecken. Andernfalls drohen geplante Schutzmaßnahmen ins Leere zu laufen.

– Keine Investitionsschutzbestimmungen

TTIP braucht keine Bestimmungen zum Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsklauseln. Sowohl in den USA als auch der EU und ihren Mitgliedstaaten gelten rechtsstaatliche Prinzipien. Ebenso existieren in den USA und der EU etablierte Gerichtswesen. Der Rechtsweg steht allen offen. Investitionsschutz und Investor-Staats-Schiedsverfahren bergen die Gefahr, Verfassungs- und Rechtsordnungen zu unterlaufen und die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit von Staaten zu unterhöhlen.

– Keine Verhandlungen über Urheber- und Leistungsschutzrechte

Urheber- und Leistungsschutzrechte werden im internationalen Kontext im Rahmen der Welthandelsorganisation für geistiges Eigentum (World Intellectual Property Organizsation, WIPO) verhandelt. Hier werden internationale Abkommen zum Urheber- und Leistungsschutzrecht geschlossen. Der zusätzliche Nutzen eines Kapitels über Regeln zum Urheber- und Leistungsschutzrechts in TTIP ist nicht erkennbar. Dies umso mehr, weil sich das europäische Urheberrecht und das US-amerikanische Copyright-System grundlegend unterscheiden. Die Grundprinzipien des europäischen Urheberrechts, die den/die Urheber/in und seine/ihre wirtschaftlichen und ideellen Rechte in den Mittelpunkt stellen, sind nicht verhandelbar.

Wir brauchen eine Politik, die sich in den TTIP-Verhandlungen für Kunst und Kultur stark macht und eine allgemeine Kulturausnahme in TTIP verankert.

Wir appellieren aus all diesen Gründen dringend an die politischen Verantwortlichen, konsequent und kompromisslos für eine rechtlich bindende allgemeine Ausnahme für Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der kulturellen und medialen Vielfalt aus dem TTIP-Anwendungsbereich einzutreten.

Wir erinnern eindrücklich daran, dass sowohl die Europäische Union als auch ihre Mitgliedstaaten sich darauf verständigt haben, für die Wahrung des kulturpolitischen Gestaltungsspielraums auch in Handelskontexten einzutreten und diesem Bekenntnis mit Beitritt zum „UNESCO-Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“ völkerrechtlich bindend Ausdruck verliehen haben.

Es geht nicht nur um die Bewahrung des Status Quo. Es geht ebenso um die Frage, ob und in welchem Umfang zukünftig noch Kultur- und Medienpolitik auf Basis demokratischer Willensbildung möglich sein wird oder nicht. Es geht um die Frage, in welchem Ausmaß und in welcher Vielfalt und zu welchen Bedingungen in Zukunft Kunst und Kultur entstehen und bestehen kann. Es geht um die Vielzahl und Vielfalt von künstlerischen, kulturellen und medialen Angeboten ebenso wie um Zugänge zu ihnen, es geht um die Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit des künstlerischen und kulturellen Schaffens und um die Existenzfähigkeit von selbständig agierenden Künstlerinnen und Künstlern sowie von eigenständigen Kunst- und Kultureinrichtungen. Es geht um die Umsetzung der in den Verfassungen Österreichs und der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie der EU-Charta festgeschriebenen Kunst- und Medienfreiheit.

Wien, 15. April 2015

AGMÖ – Arbeitsgemeinschaft Musikerziehung Österreich
Leonore Donat

Dachverband der Österreichischen Filmschaffenden
Maria Anna Kollmann

Gesellschaft bildender Künstlerinnen und Künstler, Künstlerhaus
Kurt Brazda

IG Autorinnen Autoren
Gerhard Ruiss

IG Freie Theaterarbeit
Sabine Kock

IG Kultur Österreich
Gabi Gerbasits

Institut für Kulturmanagement und Kulturwissenschaft,
Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
Franz Otto Hofecker

Kulturrat Österreich
Maria Anna Kollmann

KUPF – Kulturplattform Oberösterreich
Richard Schachinger

Österreichischer Musikrat
Harald Huber

österreichische kulturdokumentation. internationales archiv für kulturanalysen
Veronika Ratzenböck

Musikergilde
Peter Paul Skrepek

VIDC – Wiener Institut für internationalen Dialog und Zusammenarbeit
Franz Schmidjell