Deadline: 1. September 2012
Das komplexe Verhältnis von Behinderung – als einer scheinbar eindeutigen und sichtbar zu
machenden Zuschreibung – und Medien wie Fernsehen, Film oder Fotografie wurde bisher
vor allem unter den Gesichtspunkten von Diskriminierung und Teilhabe analysiert (Barnes
1992; Darke 1999; Bosse 2006). Dabei wurde aufgezeigt, dass die Bilder von (Menschen mit)
Behinderung in den Medien an bestimmte Blickregime (Garland-Thomson) und
Wahrnehmungsskripte gekoppelt werden, die sich zwischen den Polen Mitleid und
Heldentum bewegen (Renggli 2006). Eine mehr an Alltäglichkeit orientierte Darstellung
bildet noch eher die Ausnahme (Radtke 2003). Während die Relevanz der Medialisierung von
Behinderung immer wieder hervorgehoben wird (u.a. Waldschmidt 2003), beschränken sich
die Untersuchungen doch im Wesentlichen darauf, eine besondere Ästhetik der Behinderung
zu beschreiben. Die Verknüpfung dieser Muster mit medialen Inszenierungen nicht-
behinderter Menschen wird nicht näher bestimmt, wenngleich die Produktion von
Behinderung als erkenntnisleitendes Moment der als „‚normal’ charakterisierten
Mehrheitsgesellschaft“ (Waldschmidt 2005: 26) oder als Differenzeffekt begriffen wird, der
die Pole von Nichtbehindert- Sein/Behindert-Sein, Normalität/Anormalität, Subjekt/Objekt
performativ erzeugt und die Kontingenz dieser Dichotomisierung gleichzeitig zum
Verschwinden bringt (Mitchell/Snyder 1997; Waldschmidt 2003; Tremain 2005;
Hermes/Rohrmann 2006; Dederich 2007; Nussbaum 2010).
Die durchaus berechtigte Kritik stereotyper Darstellungen in den erwähnten Untersuchungen
verstellt des Weiteren den Blick auf die medienspezifischen Praktiken der kulturellen
Herstellung eines „problematischen“ Körpers, bei der durch den Einsatz audiovisueller
Verfahren und Gestaltungsmittel wie close-ups bzw. Kameraperspektiven, spezifische Bild-
Ton-Kontraste und filmische Raumkonstruktion (nicht-)behinderte Körper konstituiert
werden (vgl. u.a. Chivers/Markotic 2010). Wird der Fokus nun auf die Hervorbringung
respektive die sozio-kulturellen Zuschreibungsprozesse des solchermaßen „„erklärungsbedürftig[…]“ gemachten „Phänomens“ (Länger 2002: 5) gerichtet, scheint die
Dimension einer nicht als defizitär markierten Körpererfahrung, wie sie jüngere
Veröffentlichungen darlegen (Länger 2002; Höhne 2005; Saerberg 2006; Schillmeier 2010;
Kittlitz 2012; Uhlig 2012), nur unzureichend Aufmerksamkeit zu erhalten. So soll in den
Beiträgen dieses Workshops weder die eine noch die andere Seite profiliert werden, vielmehr
muss es darum gehen, die Unterscheidungspraxis selbst beschreibbar zu machen.
Das hier skizzierte Spannungsfeld möchte der Workshop durch Hinzunahme eines weiteren
Punktes ergänzen. Dieser betrifft das Interdependenzverhältnis von Behinderung und der
Kategorie Geschlecht, das in letzter Zeit unter dem Stichwort Intersektionalität diskutiert
wurde (Jacob/Köbsell/Wollrad 2010) sowie auch aus Sicht feministischer Filmtheorie
bearbeitet wurde (Cheu 2010). Wir möchten vorschlagen, Ideen und Konzepte dieser
Forschungsrichtungen im Hinblick auf Analysen rezenter audiovisueller Kultur hin produktiv
zu machen, in welcher der Aspekt der Performanz eine zentrale Stellung innehat (Film,
Fernsehen, Fotografie, digitale Medien wie youtube oder flickr). Insofern möchte der
Workshop die Frage danach stellen, wie die performative Herstellung geschlechtlicher
und/oder (nicht-)behinderter Identitäten in bzw. durch (audio-)visuelle Artefakte soziomedial
produziert und dort zugleich verhandelt wird. Es geht folglich nicht darum, von der
(medialen) Reflexion eines vorgängig definierten Phänomens in Bild und/oder Ton
auszugehen, sondern vielmehr analytisch zu „deskriptieren“ (Akrich 2006) wie Behinderung
im Spannungsfeld verschiedener – auch und vor allem medialer – Diskurse produziert wird.
Dabei erscheint uns die Frage interessant, wie Körper, Selbst und deren sich wechselseitiges
Bedingen im Sinne der Foucault’schen Disziplinierungs- und Regierungstechnologien sowohl
individuell wie auch kollektiv mess-, verwalt- und kontrollierbar gemacht werden und sich
zudem in Medien – die hier als ein „Feld[…] des Testierbaren“ (W. Benjamin) gelten können
– konstituieren.
Es ist ein zweitägiger Workshop geplant. Vorschläge für Vorträge, die ein Abstract (ca. 500
Wörter) und eine kurze Bibliographie umfassen sollten, werden bis zum 1. September 2012
per Mail an Robert.Stock@uni-konstanz.de erbeten.
Kontakt:
Robert Stock, M.A.
Medienwissenschaft
Universität Konstanz
D – 78457 Konstanz
E-Mail: Robert.Stock@uni-konstanz.de
Workshop: (Intersektionale) Perspektiven auf Behinderung, Geschlecht und Medien
Veranstalter: Medienwissenschaft, Universität Konstanz
Datum: 29.–30. November 2012
Ort: Universität Konstanz, 78457 Konstanz
Organisation: Prof. Dr. Beate Ochsner und Robert Stock, M.A.