Neu gegründeter Verein „Kinokultur“

Der Verein KINOKULTUR lädt zum PRESSEGESPRÄCH am Di, 3. Juni 2008 im Cinematograph, Obere Donaulände 51. Linz um 10.00 Uhr ein.

Durch die bereits enge Kooperation von Moviemento Linz, Kino Freistadt, Lichtspiele Lenzing, Filmtheater Vöcklabruck und ProgrammKino Wels bei verschiedenen Projekten, wie z. B. Sommerkino, nahm die Idee eines Kinokulturnetzwerkes Gestalt an und führte im Mai 2008 zur Gründung des Vereins KINOKULTUR.

Dem Vorstand des Vereins KINOKULTUR gehören an:
Horst Rohrstorfer, Stadtkino Grein – Obmann
Hanna Meyer-Votzi, ProgrammKino Wels – Obmann Stellvertreterin
Georg Kögler, Cinematograph Linz – Obmann Stellvertreter
Gerald Schmidlehner, Kino Kirchdorf – Kassier
Jürgen Grassinger, Lichtspiele Lambach – Schriftführer

* Vorstellung und Ziele des Vereins und dessen Mitglieder
* Erste gemeinsame Aktivitäten

Anschließend findet im Moviemento die Pressevorführung des Films DIALOG MIT MEINEM GÄRTNER statt.

Für Ihren Transfer vom Cineamatograph zum Moviemento sorgt der Verein
KINOKULTUR.

Abschlussveranstaltung der Akademie Kulturarbeit

Fr, 4. Juli 2008, 18.00 Uhr, Kunstuniversität Linz, Audimax, 1.OG., Kollegiumgasse 2.

Alle an diesem Weiterbildungsprojekt Interessierten sind herzlich eingeladen, die Arbeit der TeilnehmerInnen kennenzulernen und die Abschlüsse gemeinsam zu feiern.

– Verleihung der Weiterbildungs-Zertifikate an die TeilnehmerInnen
– Festansprache: MARTY HUBER (Performancetheoretikerin und queere Aktivistin) über INITIATIVE KULTURARBEIT
– anschließend: Party mit NEW CITY PUNK im ÖH-Càfe Dokapi, 2.OG., Kollegiumgasse 2.

Wir ersuchen um Anmeldung bis 30. Juni unter: office@kupfakademie.at oder Tel. 0680/2168104.

Die Akademie Kulturarbeit ist ein maßgeschneidertes Weiterbildungsangebot für PraktikerInnen aus der initiativen Kulturarbeit, das Kulturtheorie mit Praxis der Kulturarbeit verbindet. Dieses Kooperationsprojekt der KUPFakademie und der Kunstuniversität Linz fand zwischen Dezember 2007 und Juli 2008 statt.

http://www.kupfakademie.at

Kulturarbeit im Gespräch: Diskussion in Permanenz – Kulturarbeit mit Entwicklungsplänen

Hört einen Rückblick auf den Auftakt der Veranstaltungsreihe „Kulturarbeit im Gespräch“. Diese Gesprächsreihe stellt die Kulturinitiativen in den Mittelpunkt der (kultur)politischen Diskussion, und lotet ihrer Anliegen, Forderungen und Befürchtungen im Kontext regionaler / kommunaler Kulturarbeit aus.

Die erste Veranstaltung hat am 19. Mai 2008 in Steyr im Kulturverein Röda stattgefunden. Vier DiskutantInnen waren eingeladen um zum Thema „Kulturarbeit mit Entwicklungsplänen –Diskussion in Permanenz“ zu diskutieren.

Zum download/stream:Kulturarbeit im Gespräch: Diskussion in Permanenz – Kulturarbeit mit Entwicklungsplänen

Kultur, Arbeit, Misere

Im Rahmen der Kampagne würde die Broschüre „Kultur, Arbeit, Misere“ (2008) produziert. Diese Publikation mit den Begleittexten zur Kampagne „Kulturarbeit ist Arbeit“ kann hier als PDF heruntergeladen werden.

Inhalt der Broschüre:

  • FAQ zur KUPF-Kampagne „Kulturarbeit ist Arbeit“
    Klemens Pilsl, Stefan Haslinger

 

  • Accessoires des Politischen
    Franz Fend

 

  • Kulturarbeit Arbeit und Arbeit ist …was wert?
    Elisabeth Mayerhofer, Monika Mokre

 

  • Beabsichtigt ist eine tiefe Veränderung im kollektiven Denken
    Klemens Pilsl im Gespräch mit Rubia Salgado

Frauen und Geld „Da kannst du ja nichts verlangen dafür!“

Fr, 11. Juli 2008, 10.00 Uhr, freiraum, Gärtnerstr. 19, Linz

Für viele Frauen ist Geld ein heikles Thema. Wir kennen das ja aus
eigener Erfahrung: Wie viel kann ich für eine Arbeitsstunde verlangen?

Wie führe ich Gehaltsverhandlungen? Wie fordere ich einen entsprechenden Anteil vom Budget eines Vereins für mein Projekt?
Und manche fragen sich, warum das nicht klappt mit dem Geldfluss…

In diesem 2-tägigen Seminar haben Frauen die Möglichkeit, sich intensiv mit ihrer Beziehung zum Thema „Geld“ auseinanderzusetzen. Neben philosophischen, politischen und individuellen Zugängen betonen wir praktische Elemente. Ziel des Workshops ist es, die eigene Beziehung zum Geld zu klären und konkrete Werkzeuge für die tägliche Arbeit mit Geld, Honoraren und Budgets mit nach Hause zu nehmen.

Termin: Fr. 11.7 und Sa. 12.7., jeweils 10 – 18 Uhr
Kosten: 30.-

Trainerinnen: Mag.a Eva Gütlinger, Andrea Mayer-Edoloeyi

Eine Kooperation von Frauengesundheitszentrum Linz und FIFTITU% – Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur.

Anmeldung: http://www.fgz-linz.at

„BEABSICHTIGT IST EINE TIEFE VERÄNDERUNG IM KOLLEKTIVEN DENKEN “

Klemens Pilsl
im Gespräch mit
Rubia Salgado
(maiz)über Kulturarbeit,politischen Aktivismus von MigrantInnen,Gegenhegemonien den Sinn des ganzen:Wo soll denn das hinführen?

Klemens Pilsl:
Was ist Kulturarbeit in unserem gesellschaftlichen Kontext beziehungsweise was könnte und sollte sie sein?
Rubia Salgado:Wenn wir einen Blick auf die verschiedenen Praxen werfen,haben wir eine enorme Vielfalt. Ich glaube differenziert ist der Ort,wo und woher sich diese Kulturarbeit artikuliert. Ich beziehe mich oft auf die Definition der KUPF für freie Kulturarbeit in den „Zumutungen “.Ich finde es sehr gelungen,wie dort der Begriff definiert wird:Kulturarbeit
im Sinne von Grenzüberschreitung. Eine Arbeit,die Grenzen überschreitet,eine Arbeit,die nationalstaatliche wie geschlechtliche Konstruktionen in Frage stellt und dekonstruiert. Eine Arbeit,die heteronormative Modelle in Frage stellt. Das würde ich als autonome Kulturarbeit,als Begriffsdefinition, mittragen.Ich interessiere mich für die Herstellung eines gegenhegemonialen Standortes der Beobachtung.

K.P.:
Zum „gegenhegemonialen Standort “in der Kultur:Wird politischer Aktivismus als Kulturarbeit getarnt,weil dies im gesellschaftlichen Kontext momentan opportun und eine der letzten Möglichkeiten dafür ist. Oder aber:Sollte freie,autonome Kulturarbeit per se politisch sein?
R.S.:Also ich bin überzeugt von der zweiten Variante,wobei ich die erste Variante nicht außer acht lassen will. Denn die Frage nach dem „Ort “des politischen Handelns ist absolut aktuell. Wo sind die traditionellen Orte wie Gewerkschaften,politische Parteien?Und andererseits,ausgehend von meiner Situation als Migrantin,wo oder in welchem Rahmen können wir als Nicht-BürgerInnen uns auch politisch artikulieren? Da bietet sich der Kulturbereich als ein interessanter Ort für Selbstorganisation und politischen Aktivismus an.

K.P.:
Heißt das dann,dass freie Kultur irgendwie ein politischer Rückzugspunkt geworden ist,wo man sich politisch selbst eine Stimme geben kann,wo man selbst politisch agieren kann?
R.S.:Ich denke maiz ist dafür ein gutes Beispiel:Hier wird seit über 10 Jahren versucht,in verschiedenen Feldern politisch aktiv zu sein –die Strategie dabei sind sich ergänzende Tätigkeiten. Unsere Kulturarbeit steht in starker Verbindung mit Bildungsarbeit. Und diese ist nicht getrennt zu denken von unseren Tätigkeiten im sozialen Bereich.Und damit ist sie nicht getrennt von politischem Aktionismus zu denken. Es ist eine verschränkte,sich ergänzende Strategie,die sich ihre Räume jedoch sehr stark im kulturellen Feld schafft. Räume der Vermittlung eigentlich. Selbstorganisierte Orte,die es uns ermöglichen, bestimmte Öffentlichkeiten anzusprechen und bestimmte Anliegen bekannt zu machen.

K.P.:
Zur Selbstorganisation:Immer mehr Aufgaben,die früher der Staat übernommen hat,werden mittlerweile selbstorganisatorisch von AktivistInnen erledigt. Gerade im angesprochenen Sozialbereich ist die Tendenz sehr stark, dass Behörden ihre Tätigkeiten an Vereine auslagern. Wie groß ist die Gefahr oder auch die Chance bei Selbstorganisation im kultur- und politaktivistischen Bereich, dass man plötzlich originäre Funktionen des institutionalisierten Staates übernimmt?
R.S.:Das ist eine lange Diskussion,eingeschrieben in bestimmte Traditionen. Du hast vollkommen Recht,die Entstehungsgeschichte der Selbstorganisation im Bereich der Kulturinitiativen Ende der 1970er und 80er lag in einem ganz anderen Kontext:Es galt Hierarchien und Illegitimitäten von Strukturen zu hinterfragen. Im Entwicklungszusammenhang des Neoliberalismus ist aber eine Umkehrung der Selbstorganisation erfolgt. Heute gibt es ein neoliberales Diktat zur Selbstorganisation,zur Selbstversorgung,zur Autonomie.„Autonomie “hat eine ganz andere Bedeutung bekommen. Heute redet man von „aktiver Arbeitsmarktpolitik “–was so nett klingt heißt aber:Du bist für dich selbst verantwortlich. Für deinen Erfolg und auch für deinen Misserfolg. Wenn du keinen Erfolg hast,bist du selber Schuld. Wenn wir das auf die kulturelle und politische Selbstorganisation übertragen,bedeutet das natürlich eine enorme Veränderung. Die Gefahr ist absolut vorhanden,dass wir mit unseren selbstorganisatorischen Ansätzen letztendlich systemerhaltend wirken. Die einzige Möglichkeit dem zu entgehen ist eine kontinuierliche Reflexion und Auseinandersetzung mit dieser Gefahr. Immer wieder die Strategien zu reflektieren,zu hinterfragen,neue Schritte zu planen.Und hier ist es der Begriff der „Kollektivität “,der nicht konform geht mit den neoliberalen Ansätzen zur Selbstorganisation. Denn dort geht es um Ich-AG ’s,um sehr individualisierende Prozesse. Aber wie wir den Kulturbereich erleben und wie wir uns definieren,das ist kollektiv. Das ermöglicht eine Verschiebung und eine Distanz.

K.P.:
Dort wo Selbstorganisation quasi-staatliche Aufgaben übernehmen darf und soll oder wo keine andere Möglichkeit bleibt,gibt es in freien Initiativen eine andere Tendenz:Initiativen mit freien,fast revolutionären Ansprüchen aus den 1970er/1980er Jahren werden im Laufe ihrer Institutionaliserung von selbstorganisierten Gruppen mit politischen und kulturellen Anliegen immer mehr zu kulturellen Dienstleistern. Ähnlich einem Supermarkt,der billige Kultur in eine Region bringt.
R.S.:Hier kommen wir auch zur ersten Frage zurück. Das Phänomen der Entpolitisierung,in verschiedenen gesellschaftlichen Fällen,in westlichen Gesellschaften,ist nicht zu leugnen. Auch nicht im freien Kulturbereich;dieses „weg “von autonomen Ansätzen. Aber es gibt jetzt andere,neue Orte,wo diese Arbeit stattfindet, die ja eine hinterfragende,eine prozessorientierte Arbeit ist. Es sind neue Felder entstanden,neue Artikulationen. In der KUPF sind zum Beispiel Behindertengruppen,die Kulturarbeit machen und da Prozesse entwickeln und nicht nur an der Herstellung von Produkten und Dienstleistungen interessiert sind. Und das kann man auch bei MigrantInnen feststellen.Wenn wir uns bestimmte selbstorganisierte Kontexte anschauen,sehen wir,dass auch andere Formen und Kontexte entstehen, die nicht zu vergleichen sind mit den Bewegungen der 80er.Aber das Ziel der Hinterfragung,das Ziel des Prozesses,das Ziel der Partizipation,diese Ziele werden von anderen weiter verfolgt.

K.P.:
Du stimmst also mit der KUPF überein,dass freie Kulturarbeit einen gesellschaftlichen Mehrwert produziert und durch ihre kulturelle Praxis wirklich eine gewisse „Umwegrentabilität “erzeugt. Die „Nützlichkeit “und „Umwegrentabilität “von Kultur taucht ja auch aktuell in der Kulturhauptstadtdebatte auf –ich gehe jetzt einmal davon aus, dass Linz im Jahr 2009 Kulturhauptstadt wird um sich als Standort zu profilieren. Und die KAPU,die Initiative aus der ich komme,ist in der Linzer Bewerbung zur Kulturhauptstadt plötzlich als „wertvolle Kulturinitiative “aufgeschienen und somit zum Standortfaktor geworden. Ich denke maiz ist auch von diesen Vereinnahmungen betroffen. Wie geht es dir damit,dass man plötzlich zum Standortfaktor wird –ob man will oder nicht.
R.S.:„Kulturarbeit von MigrantInnen “wurde im Bewerbungspapier auf jeden Fall genannt. Was besonders drastisch ist,da dadurch impliziert wird,dass Migrantinnen hier in Linz einen Platz als AkteurInnen haben. Was nicht der Realität entspricht.

K.P.:
Und ist es nicht auch gefährlich für freie und autonome Kulturarbeit,gerade in Zeiten verschärfter Standortdebatten,wenn sie immer ihre eigene Nützlichkeit betont oder meint,diese betonen zu müssen?
R.S.:Es geht hier nicht um eine Rechtfertigung der Kulturarbeit im Sinne von „wir leisten etwas “;im Sinne von Mehrwert an der Gesellschaft,um diese zu verändern. Wir bei maiz denken Kulturarbeit nie getrennt von der Idee des Erreichens einer Hegemonie im Feld des Symbolischen. Ich spreche vom Feld des Immateriellen. Da geht es darum,bestimmte Bilder und Narrative,die als gegenhegemoniell gelten,herzustellen und zu verbreiten. Beabsichtigt ist eine tiefe Veränderung im kollektiven Denken,im kollektiven Imaginären.

K.P.:
Vom Underground heraus den Mainstream beeinflussen?
R.S.:Na ja,die Frage die sich hier natürlich stellt ist:Was passiert wenn wir tatsächlich hegemonial werden? Ich plädiere dafür auf dem Weg zum Hegemonialen zu bleiben. Wir wollen nicht im Hegemonialen ankommen. Es geht darum,auf dem Weg dorthin Spannung zu schaffen;sich in der Spannung zu bewegen. Also wirklich im Sinn von Macht als Spannung. Die Spannung soll erhalten werden!

Rubia Salgado
ist Mitbegründerin und Aktivistin bei maiz und lebt in Linz;

Klemens Pilsl
arbeitet in der KAPU und lebt in Linz.

ACCESSOIRE DES POLITISCHEN

Die Beschwörung der Zivilgesellschaft ist ein Ersatzstoff für politisches Handeln, meint
Franz Fend
.

Der Begriff der Zivilgesellschaft hat auch schon viel mitgemacht. Begegnet er einem,wirkt er leicht abgerissen,zuweilen leicht schmuddelig,weil ihn zu viele schon in der Hand oder gar im Mund hatten. Dass sich mit der mannigfaltigen Verwendung des Begriffs durch die unterschiedlichsten Szenen,auch dessen Bedeutung einem Wandel unterlegen ist, ist müßig zu betonen. Der Begriff der Zivilgesellschaft hatte immer schon etwas Ambivalentes,aber die jüngste Geschichte seiner Verwendung trägt bizarre Züge. Wir erinnern uns,dass selbst der katholische Fundamentalist und ehemalige Parlamentspräsident Andreas aus der Zivilgesellschaft eine Bürgergesellschaft bastelte,die freilich eher volksgemeinschaftliche Züge trug und als ideologische Marschmusik zur Zerschlagung sämtlicher sozialer Sicherungssysteme diente. Aber Khol reklamierte die Zivilgesellschaft für sich und seine Zwecke. Etwa zur gleichen Zeit,als die Demonstrationen gegen die damalige schwarz-blaue Regierung ihren Höhepunkt erreichten und viele gesellschaftliche Gruppen und Milieus ihre Opposition zur neoliberal-rechts-konservativen Wende zum Ausdruck brachten,veranstaltete die IG-Kultur eine Konferenz zur Zivilgesellschaft. Als Teil dieser Opposition beanspruchte die Kulturszene,relevante zivilgesellschaftliche Akteurin zu sein.Die globalisierungskritische Bewegung wurde ebenso als zivilgesellschaftliche Kraft beschrieben. Doch ist ihre Bandbreite enorm. Sie reicht von den radikalen Protesten gegen die G8 Gipfel bis zu ultranationalistischen Ansagen eines José Bové,dessen Globalisierungskritik darin gipfelte,zu verhindern,dass angelsächsische Stiere die französischen Kühe besprängen.
Seit die extreme neue Rechte die Zivilgesellschaft und das Konzept der kulturellen Hegemonie für sich entdeckt hatten,sind ohnehin alle Dämme gebrochen und es verwundert nicht,dass hierzulande selbst die so genannte Antitemelin-Bewegung,ein von der Landesregierung finanziertes und gesteuertes Projekt,das in erste Linie anti-tschechische,revanchistische Reflexe zu mobilisieren trachtet,als zivilgesellschaftliche Einrichtung gelten darf. Die Verwirrung ist beträchtlich und der Begriff der Zivilgesellschaft riecht nicht nur komisch,sondern es dreht einen den Magen um,wenn man ihm begegnet.

WAS ZIVILGESELLSCHAFT ALLES MUSS
Ein Blick auf die Geschichte des Konzepts der Zivilgesellschaft und der kulturellen Hegemonie zeigt,dass die naive und romantische Lesart,die in den aktuellen Debatten,beispielsweise in den Szenen der initiativen Kulturarbeit,vorherrschend ist, nicht immer vorhanden war. Für Antonio Gramsci bedeutete Zivilgesellschaft einzig die Gesamtheit der nicht-staatlichen Organisationen,welche wesentlich die öffentliche Meinung bestimmen. Er zählte dazu Kirchen, Gewerkschaften,die Presse,aber auch Schulen,Vereine bis hin zur Architektur. Heute muss Zivilgesellschaft,so sie in einem bürgerlich demokratischen Kontext verhandelt wird,auch noch gewaltlos sein,die Menschenrechte respektieren,die Prinzipien der repräsentativen Demokratie anerkennen:„Gemeinhin meint Zivilgesellschaft eine Vielfalt gesellschaftlicher Gruppen,Initiativen und Bewegungen,die weitgehend unabhängig von staatlichen,parteipolitischen oder privat-wirtschaftlichen Institutionen wirken. Die Zugehörigkeit zu diesen gesellschaftlichen Gruppen ist freiwillig,die Organisationsstruktur demokratisch. Achtung der allgemeinen Menschenrechte,Toleranz gegenüber anderen Meinungen und Wertvorstellungen,Anerkennen der Grundsätze des bürgerlich-demokratischen Gesellschaftsmodells und des demokratischen Rechtsstaats gehören ebenfalls zu den zivilgesellschaftlichen Prinzipien.“Diese Definition,die Joachim Kolb vorschlug,ist auch hierzulande weit verbreitet,doch auf Gramsci lässt sich mit ihr nicht Bezug nehmen. Ausgangspunkt für dessen Überlegungen zur Zivilgesellschaft war die Frage,warum im rückständigen Russland die Revolution erfolgreich war und im wesentlich weiter entwickelten Westen so grandios scheiterte.Und hier brachte Gramsci die Zivilgesellschaft ins Spiel, nämlich als Hindernis für die Revolution. Allein das Ausbleiben der Revolutionen in Westeuropa sowie deren Niederlagen,dort wo sie stattgefunden hatten,war der Grund für die Auseinandersetzung Gramscis mit der Zivilgesellschaft,und nicht die Tatsache,dass der Zivilgesellschaft per se etwas Revolutionäres oder zumindest Fortschrittliches anhaftete. Zwischen der ökonomischen Basis und dem staatlichen Überbau,der „politischen Gesellschaft “ mit seinen Zwangsapparaten,so die heutige Lesart,stehe die Zivilgesellschaft,in welcher der Kampf um die Hegemonie,die Vorherrschaft über die Köpfe der Massen,ausgefochten wird.Gewiss, Gramsci hat das Feld der Zivilgesellschaft als wichtiges markiert, doch als den entscheidenden Schauplatz der Auseinandersetzung zwischen Fortschritt und Reaktion,wie diese in zeitgenössischen Debatten noch immer überhöht wird,hat er sie ebenfalls nicht beschrieben.Weil erstens die freiwillige Unterwerfung der Mehrheit in den kapitalistischen Staaten,dort wo die Zivilgesellschaft am weitesten entwickelt sei, wesentlich ökonomisch hergestellt wird,erst in zweiter Linie der gesellschaftliche Konsens aus dem Wirken der zivilgesellschaftlichen Akteure resultiert. Sabine Kebir, eine der bedeutendsten Gramsci-Forscherinnen im deutschsprachigen Raum,hat diesen Gedanken hervorgehoben,nicht ohne darauf hinzuweisen,dass Gramsci den ökonomischen Determinismus des vulgären Marxismus vehement bekämpfte.

MIT ZWANG GEPANZERT
Vielmehr beschrieb Gramsci in seiner These vom „integralen Staat “das Streben des Staates,die Zivilgesellschaft zu integrieren.„Im konkreten Leben sind politische und Zivilgesellschaft ein und die selbe Sache “,notierte Gramsci in diesem Zusammenhang. Die Zivilgesellschaft wird in diesem Prozess vom Feld der Auseinandersetzung um Hegemonie zu einem Werkzeug zur Herstellung von Hegemonie,die,wie Gramsci ebenfalls anmerkte,stets mit Zwang gepanzert sei. Der integrale Staat unterläge,so die These von Gramsci,stets einer doppelten Bestimmtheit von Zwang und Konsens,von Diktatur und Hegemonie. Die Überlegenheit der herrschenden Eliten manifestiere sich immer als „Herrschaft “und als „Intellektuelle und moralische Führung.“Gramsci ging es also um die Revolution und um die Analyse dessen,was sie vorantriebe und behindere,dazu gehörte nun auch die Zivilgesellschaft. Heute hierzulande von der Revolution zu
schwärmen wäre naiv und romantisch.Die Hegemonie der herrschenden Eliten ist besser aufgestellt denn je,der
Repressionsapparat effizienter denn je und die Zivilgesellschaft ein Surrogat von politischem Handeln und daher eine nette Dekoration des politischen und ökonomischen Status quo.
Dass zivilgesellschaftliche Zusammenhänge und Strukturen in den zeitgenössischen Auseinandersetzungen ausschließlich die Funktion haben,die Hegemonie der jeweils Herrschenden zu festigen zeigt auch die Tatsache,dass sie
von den politischen Repräsentanten stets aufs Neue beschworen werden,wenn wieder einmal Feuer am Dach ist. Gegen rassistische und antisemitische Ausfälle und Übergriffe wird sie von den Regierenden in Stellung gebracht,es geschieht selbstverständlich nur dann,wenn die Regierenden nicht gedenken,gegen Antisemitismus und Rassismus etwas zu unternehmen. Wenn der Neofaschismus wieder einmal besonders degoutant am dampfen ist,muss ebenfalls die Zivilgesellschaft herhalten,damit die Regierenden keine schärferen Gesetze gegen ihn machen muss und damit die Exekutive die Gesetze nicht durchsetzen muss. Die Zivilgesellschaft hat immer dann besonders Konjunktur,wenn sie die Regierenden und ihre Apparate selbst aus der Verantwortung entlassen möchte,sie wird dadurch zum zeitgeistigen Accessoire der vorherrschenden Politiken.

ZIVILGESELLSCHAFT ALS POLITIK-BERATUNG
Als sich zu Beginn dieses Jahrzehnts die Initiativen und Verbände der freien Kulturarbeit zum kulturellen dritten Sektor,also zur kulturellen raktion der Zivilgesellschaft formiert hatten,Demonstrationen und Resolutionen,Aktionen und Konferenzen organisierten,die allesamt zum Ziel hatten,den unerträglichen Zustand der nach der Machtergreifung der blauschwarzen Koalition herrschte,zu beenden,war Aufbruchstimmung. Das Bemühen der Aktivistinnen ging in Richtung „posteuphorischer Nachhaltigkeit “,die sich jedoch bald in Agonie auflöste.Der Widerstand gegen blau-schwarz hielt nicht einmal so lange wie diese Koalition regierte,und jene Regierung,die ihr nachfolgte,und wesentlich das Selbe macht wie ihre Vorgängerin,ist von Widerstand gar nicht mehr behelligt. Just zu einem Zeitpunkt,als die freie Kulturszene sich zu einem relevanten gegenpolitischen, kritischen Faktor entwickeln hätte können,hat sie sich als eine kulturelle Fraktion der Zivilgesellschaft konstituiert,und wurde somit zur Werbeveranstaltung für Politik selber. Die freie Kulturszene hat sich einen gesellschaftlichen Ort zugewiesen,den sie nicht hätte einnehmen müssen und den sie gewiss auch nicht einnehmen wollte. Die Vernetzung,die man angestrebt hatte,war eine Vernetzung von Expertendiskursen,die Ausschlüsse erzeugten,die Oben und Unten konstruierten. Expertendiskurse,die erst recht nicht zu Teilhabe am Politischen einluden,sondern in der politischen Repräsentation gefangen waren. Überdies wurden die zivilgesellschaftlichen Vorschläge als eine Art Politikberatung dargebracht und nicht als fundamentale Kritik derselben. Wer Politik berät,nimmt bald ihre schlechten Manieren an. Man kann Boris Buden zustimmen,der bereits im Jahr 2000 angemerkt hat:„In und mit der Zivilgesellschaft lässt sich nichts politisch Relevantes bewegen,dass die Zivilgesellschaft nur noch den Leerlauf der heutigen Politik darstellt –die wahre Form der Entpolitisierung. Erst jenseits des zivilgesellschaftlichen Horizonts öffnet sich die Möglichkeit, kreativ auf die politischen Herausforderungen zu reagieren.“

Franz Fend
lebt und arbeitet in Linz und ist Vorstandsmitglied der KUPF-Akademie.

KULTURARBEIT IST ARBEIT UND ARBEIT IST …WAS WERT?

Elisabeth Mayerhofer
und
Monika Mokre
untersuchen die Geschichte und Inhalte von freier Kulturarbeit –schließlich sollen alle wissen, wovon die KUPF da eigentlich spricht.

ANFÄNGE UND ANSPRÜCHE

Am Anfang stand der Wunsch nach einer Neupositionierung von Kultur als politischer Praxis,jenseits eines elitären Kunstsystems,in dem das Genie herrscht.Der Begriff Kulturarbeit tauchte in den 1970er Jahren auf und richtete sich gegen den Mythos der autonomen Kunst und zugleich auch gegen die Einschränkung des Arbeitsbegriffs auf (fordistische)Lohnarbeit.Kulturarbeit stand für partizipative,politisch engagierte Arbeit im kulturellen Feld und/oder mit kulturellen bis künstlerischen Mitteln,wobei die Akzeptanz durch den Kunstbetrieb zweitrangig war. Der Ansatz der klassischen Avantgarde,die Trennung zwischen „Kunst und Leben “aufzuheben,sollte in konkreten lokalen Kontexten wieder belebt werden.Im Gegensatz zum Kunstbetrieb ging es nicht in erster Linie um die Schaffung neuer Werke,sondern auch darum,kulturelle Produktionen etc. zu ermöglichen und durchzuführen,zu veranstalten. Letzteres trägt bis heute zu dem Missverständnis bei,Kulturarbeit sei weniger „produktiv “als die Kunst-Kunst. Bei beidem handelt es sich letztlich um das Auslösen und Weiterführen von kommunikativen Prozessen,unterschiedliche Arbeits-und Produktionsformen ergeben sich aus der jeweiligen Beziehung zum Kunstbetrieb,zu politischem Aktivismus,zu Kunstvermittlung etc. Der Begriff „KulturarbeiterIn “ist hier in vielerlei Hinsicht programmatisch:Kulturelle Arbeit wird nicht mehr als Schöpfungsakt eines Individuums aus dessen Inneren verstanden,sondern als kollektiver Prozess,an dem auch Nicht-ExpertInnen teilnehmen können bzw.dessen Ergebnisse breiter zugänglich sein sollen. Der Geniekunst,die den vergeistigten Gegenpol zur kapitalistischen Logik darstellen soll,wird ein demystifiziertes Modell kultureller Arbeit an und mit den Verhältnissen gegenübergestellt.
In den 1980ern setzte eine Phase der Institutionalisierung ein – Vereine wurden gegründet,Infrastrukturen errichtet,in den meisten Fällen ehrenamtlich und selbstbeauftragt und oft abseits der Zentren, mit dem Ziel einen anderen Kulturbegriff neben Hochkultur und volkstümelnder Kultur zu etablieren –die Soziokultur. Dieser Institutionalisierung wurde in den 1990ern von der Kulturpolitik insofern Rechnung getragen,als eine eigene administrative Einheit mit eigenem Budget eingerichtet wurde.

GEGENWART UND REALITÄTEN

Mit den 1990er Jahren ging jedoch auch die letzte Phase des sozialdemokratisch orientierten Wohlfahrtsstaates zu Ende und ein neues politisches Paradigma,das sich bereits in den Umwegrentabilitätsdiskussionen angekündigt hatte setzte sich fest:Die Geschichte von unmittelbar ökonomisch verwertbarer Kunst/Kultur. Die Kreativwirtschaft wurde entdeckt und an die Stelle der KulturarbeiterInnen trat der neue Leittypus der „cultural entrepreneurs “.Diese vereinigen in sich Charakteristika der Geniekünstler und der KulturarbeiterInnen. Wie der Geniekünstler schaffen sie aus sich selbst heraus,sind dabei allerdings im Unterschied zu ersterem nicht nur in ihren Produkten,sondern auch in ihren Verwertungsstrategien innovativ (und zielen auf breitere Märkte ab als die schmale Nische des Kunstmarktes).Trotzdem arbeiten sie aus intrinsischer Motivation und nicht um ein regelmäßiges Einkommen zu erzielen. Daher handelt es sich bei ihrer Arbeit – ebenso wie bei der Kulturarbeit – auch nicht um entfremdete Lohnarbeit,sondern um die Aufhebung der Trennung zwischen Beruflichem und Privatem –wenn auch in einer Form,die deutlich von den Ideen der politischen Kulturarbeit der 1970er abweicht:Individuen werden zu Ein-Personen-Unternehmen. Die außerordentlich hohe Motivation im Kunstbereich wie in der Kulturarbeit wurde auf einen primär profitorientierten Dienstleistungssektor übertragen;gemeinsam ist all diesen Sektoren die geringe Entlohnung,das kritische Potenzial jedoch wird durch reibungslose Marktgängigkeit ersetzt. Das Konzept des „cultural entrepreneur “zehrt also parasitär von älteren Konzepten und verändert sie zugleich grundlegend durch den absoluten Vorrang der Ökonomisierung vor allen anderen Ansprüchen. Die handelnden Personen sind allerdings zum Teil dieselben geblieben: Da sich Kulturinitiativen nicht im luftleeren Raum befinden,kommerzialisierten sich manche –manchmal schleichend,manchmal bewusst – und gaben ihren politischen Anspruch zugunsten der Erbringungen professioneller Dienstleistungen beispielsweise als VeranstalterInnen auf, wobei ihnen gerade ihre vormals politische Arbeit einen gewissen verruchten Schick gab,der in Nischenmärkten hervorragend kapitalisierbar ist.

DAS ENDE DER KULTURARBEIT?

Die Kulturinitiativen sind in die Jahre gekommen,die Konzepte der 1970er scheinen nicht mehr adäquat,die öffentliche Hand reduziert zusätzlich die Förderungen –gibt es noch eine Chance für Kulturarbeit?Dass die Rahmenbedingungen schlecht sind,ist keine grundlegende Neuerung –auch wenn sie zunehmend noch schlechter werden. Dies betrifft nicht nur die Fördermodalitäten,durch die Projekte statt Strukturen gefördert werden,sondern auch den allgemeinen Rückbau des öffentlichen Sektors,der dazu führt,dass sich viele KulturarbeiterInnen ihr ehrenamtliches Engagement schlicht nicht mehr leisten können.Wer selbst mehrere prekäre Jobs jongliert,hat meistens wenig Zeit für unbezahlte Organisationsarbeit. Die grundlegende Problematik liegt aber anderswo: Seit längerem ist nicht klar,was Kulturarbeit ausmacht und was sie von anderen Aktivitäten im kulturellen Feld unterscheidet. Gehen wir also davon aus,dass Kulturarbeit noch immer wichtig ist,so gilt es,diesen Begriff zu überdenken,zu diskutieren oder auch um ihn zu streiten. Um diesen Streit zu fördern,hier einige Überlegungen,die keinesfalls auf allgemeine Zustimmung hoffen dürfen. Kulturarbeit definiert sich über Formen und Inhalte,doch lassen sich weder in der einen noch in der anderen Hinsicht trennscharfe Grenzen zu anderen Aktivitäten ziehen,seien sie nun kulturell oder nicht. So ist es z.B.einerseits noch keine Kommerzialisierung der Kulturarbeit,wenn diese auch Geld für die KulturarbeiterInnen abwirft. So lassen sich aber auch andererseits durchaus löbliche Inhalte,wie Antirassismus oder Geschlechtergleichstellung,in einer Form bearbeiten,die eher kommerziell und kulinarisch als politisch ist. So gibt es z.B. auch keine klare Grenze zwischen der Aufwertung einer
Region oder eines Stadtteils durch emanzipatorische Kulturarbeit und einer Tourismusförderung durch kulturelle Aktivitäten. Es geht hier also nicht um fixe Definitionen,sondern um kritische Debatten konkreter Projekte,in denen sich KulturarbeiterInnen über ihre eigenen Ziele und Beweggründe klar werden und diese auch veröffentlichen.In den 1970er Jahren war es oft der Kampf um eigene Räume,der am Beginn kultureller Arbeit stand. Das Aufsehen,das diese Kämpfe erregten,wie auch die lebhafte Nutzung der erkämpften Räume brachten dann Öffentlichkeit – nicht im Sinne eines Massenpublikums,aber in Form der Partizipation von Interessierten. Manchen der „älteren “Kulturinitiativen ist es gelungen,sich diese Räume zu erhalten,andere „jüngere “ Initiativen suchen nicht mehr nach einigermaßen stabilen Strukturen,sondern entwickeln andere,flüchtigere Organisationsformen,etwa lose Arbeitsgemeinschaften um konkrete Projekte,die sich nach Projektabschluss wieder auflösen. Nicht um eigene Räume geht es also heutzutage primär,sondern um öffentliche Räume, genauer:Um Räume,die Öffentlichkeit ermöglichen,seien es nun öffentliche Räume im wörtlichen Sinn oder Räume,die öffentlich gemacht werden. In diesen Räumen kann Kulturarbeit politisch und damit gesellschaftlich relevant werden. Wenn Formen und Inhalte von Kulturarbeit zur Debatte gestellt werden,heißt das zugleich,dass nicht automatisch bestimmte Aktivitäten anderen vorzuziehen sind. Hybride Netzwerke können in manchen Kontexten besser funktionieren als klare Strukturen –und in anderen nicht. Gemeinsam ist allen Möglichkeiten der Kulturarbeit aber,dass sie Geld brauchen und zwar einigermaßen kontinuierlich. Und auch wenn nichts dagegen spricht,dass dieses Geld teilweise von den RezipientInnen oder AnsprechpartnerInnen kommt,so steht doch nicht zu erwarten,dass sich Kulturarbeit in diesem Sinne je privat finanzieren kann. Hier ist also die öffentliche Hand gefragt,deren Förderziele jedoch den Zielsetzungen von KulturarbeiterInnen oft diametral entgegengesetzt sind. Nicht selten verstehen KulturpolitikerInnen und -beamtInnen Kunst und Kultur als unterhaltsame Standortfaktoren,mit denen schwelende gesellschaftliche Konflikte vorübergehend übertönt,d.h. in der medialen Wahrnehmung befriedet werden können. Doch soziale Ausverhandlungsprozesse laufen im Regelfall alles andere als friedlich, bunt und freundlich ab,nämlich konfliktreich und heftig. Und wenn Minderheiten,wie sie auch immer definiert sein mögen,einen derartigen Lärm schlagen,gefährdet dies das reibungslose Funktionieren hegemonialer Strukturen. Doch es ist gerade die Aufgabe von Kulturarbeit, hegemoniale Strukturen in Frage zu stellen,abweichende Meinungen und Konzepte zu Wort kommen zu lassen und somit gesellschaftliche Konflikte darzustellen oder gar zuzuspitzen.(Teil-)Lösungen sind dann von anderer
Seite her zu entwickeln,insbesondere von der Politik. Kulturarbeit ist immer Arbeit. Wenn sie öffentlich wird,sich also der Öffentlichkeit stellt und von dieser auch wahrgenommen wird,dann ist sie Arbeit an der Gesellschaft. Und die muss sich eine Gesellschaft auch etwas kosten lassen.

Monika Mokre
ist Vorsitzende der „Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien (FOKUS)“,stellvertretende Direktorin des Institut für europäische Integrationsforschung;

Elisabeth Mayerhofer
ist Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich und Mitglied der Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien.

FREQUENTLY ASKED QUESTIONS ZUR KUPF-KAMPAGNE „KULTURARBEIT IST ARBEIT“

Anstelle einer Einleitung.
Klemens Pilsl
sucht Inhalt und Sinn der Kampagne sowie der KUPF selbst.
Stefan Haslinger
hat ihm dabei geholfen.

Q:
Was ist die Kampagne „Kulturarbeit ist Arbeit “?
A:Die Bedeutung steckt im Titel,wobei die Kampagne ursprünglich „Und das soll Arbeit sein?“heißen sollte. Mit dieser Frage werden KulturarbeiterInnen,wenn sie nach ihrem Beschäftigungsfeld gefragt werden,sehr oft konfrontiert –weil Kulturarbeit im gängigen Denken mit Freizeitvergnügen und hedonistischer Beschäftigung verbunden wird,aber nicht mit der dahinter steckenden Arbeit. Die KUPF versucht mit der Kampagne die Arbeit,die Initiativen und KulturarbeiterInnen abseits des Sichtbaren (Veranstaltungen,Ausstellungen)leisten,in den Vordergrund zu rücken. Und die Arbeit,die KulturarbeiterInnen leisten,damit es zum Sichtbaren kommt. Das ist für uns der immanent wichtige Teil. Wir haben das übersetzt mit einer demokratiepolitischen Aufgabe –über diesen Begriff könnte man natürlich streiten,aber wir sehen darin das Herstellen von Vernetzungen,das Kreieren von neuen Organisationsformen,das Schaffen von Konfliktfeldern,auf denen auch „Kämpfe “ausgetragen werden.

Q:
Wie wird die Kampagne ablaufen?
A:Die Kampagne findet von 17.April bis 17.Juni 2008 statt und vollzieht sich auf verschiedenen Ebenen:Öffentlichkeitswirksam via Giveaways (Shirts,Postkarten,Sticker,Poster). Medial über Pressearbeit mit den Mainstreammedien,aber auch über die eigenen Kanäle,zum Beispiel freie Radios oder die eingerichtete Homepage.
Diskursiv im Rahmen Diskussionsveranstaltungen in den Regionen oder mit dieser Broschüre.

Q:
Ist es nicht seltsam für eine progressive Organisation wie die KUPF,wenn sie genau weiß,dass eine politische Kampagne von 17.April bis zum 17.Juni dauert?
A:Eine Kampagne muss immer einen Anfang und ein Ende haben. Der Zeitraum massiver Öffentlichkeitsarbeit dauert drei Monate an. Die Inhalte werden aber darüber hinausgehend weiter getragen werden,reflektiert und in neue Arbeitszusammenhänge eingebracht.

Q:
Wenn die KUPF eine Kampagne macht –kommt die an? Verändert das irgendwas?
A:Das wird sich nach dieser Kampagne weisen,denn das ist die erste Kampagne der KUPF. Erfolg wäre auch,wenn sich in der politischen Haltung der KUPF selbst und der Mitgliedsinitiativen etwas verändert,das Bewusstsein,das wir politisch agieren,gestärkt wird.

Q:
Lässt sich so etwas evaluieren,messen:Der Mehrwert,der Nutzen,der Erfolg dieser Kampagne?
A:Wahrscheinlich nicht.Für die KUPF selbst wird die Messbarkeit darin liegen,in wie weit wir die Ergebnisse der Kampagne im Herbst in die Arbeitsprogramme für 2009 und später hineinfließen lassen werden. Um auch die KUPF selbst wieder als eine politische Organisation zu positionieren und nicht als Serviceeinrichtung.

Q:
Die KUPF führt in dieser Kampagne zwei Arbeitsbegriffe zusammengeführt:Einerseits die Sichtbarmachung von Reproduktionsarbeiten für kulturelle Arbeit und andererseits geht es auch um gesellschaftlichen „Mehrwert “,den Kulturarbeit produziert. Warum muss man die eigene Nützlichkeit betonen?
A:Die in der Frage angesprochene Nützlichkeit ist Umwegrentabilität,ist Zahlenmaterial,wie viele BesucherInnen habe ich da und dann. Und die Arbeit,die die Frage als „Mehrwert “bezeichnet hat,wird ja nicht bewertet. Das Anliegen der KUPF ist es den Blick auf Kulturarbeit genau umzukehren –diese nicht über das Veranstaltungsvolumen zu determinieren,sondern zu sagen:„Da ist etwas anderes,was viel wichtiger ist!“Das spannende für die KUPF ist zudem,dass sich sehr viele der Initiativen dieses Wertes gar nicht bewusst sind. Die sich grundsätzlich nicht als politische Initiativen sehen,sondern als Veranstaltungsvereine und kulturelle Nahversorger.

Q:
Das heißt die Öffentlichkeit definiert Kulturpolitik oft über das Leistungsmerkmal der Quantität: ZuschauerInnenzahlen,Anzahl der Flyer und Aussendungen.Und die KUPF würde gerne als „Leistungsmerkmal “ gesellschaftliche Arbeit und Produktivität hervorkehren?
A:Als „Leistungsmerkmal “?So kann man es sicher nennen,aber wir sprechen vom politischen Antrieb,den freie Kulturarbeit immer hat! Der in den 1970ern genuin gegebene Antrieb ist jungen Initiativen nicht mehr inne –die Motivation zu Kulturarbeit ist heute vielleicht eher der Versuch,neue Organisationsformen auszuprobieren. Den explizit politischen Anspruch haben heute nur einige Initiativen. Wir unterstellen aber,dass sie natürlich alle politisch agieren in ihrer Organisationsform,indem wie sie an einem Ort agieren. Sie sind sich oft der politischen Relevanz nicht bewusst,die sie eigentlich einnehmen könnten.

Q:
Das heißt die Kampagne zielt nicht nur auf irgendeine Öffentlichkeit ab,sondern auch speziell auf die Initiativen?
A:Genau.Die Kampagne hat auf jeden all zwei Ebenen. Das eine ist sozusagen die Ebene der kulturpolitischen Öffentlichkeit bis hin zu Huber,Peppi und Mitzi und andererseits ist die Kampagne natürlich auch ganz stark an die
KUPF-Mitgliedsinitiativen und KulturarbeiterInnen gerichtet,im Sinne eines Reflexionsauftrags der KUPF.

Q:
Wir erleben zur Zeit einen Kulturhype,auch bei autonomer Kulturarbeit. Boomt freie Kulturarbeit deswegen,weil die „Linke “im weitesten Sinne sich zunehmend in kulturlinke Positionen und Zusammenhänge zurückzieht?Ist die „Linke “ auf einem Rückzugskampf und ist die Kulturarbeit unser Dschungel,wohin wir uns zurückziehen?
A:Grundsätzlich ist zu befürchten,dass die Linke sich wirklich zurückzieht –genau in dieser Pauschalität;an die Parteienlandschaft überhaupt nicht gedacht,sondern wirklich im Sinne einer linken Hegemonie,wenn man jemals davon sprechen kann. In diesem Kontext ist die These auf jeden Fall gerechtfertigt. Linke Theorien und Diskussionen finden im kulturellen Feld den meisten Platz. Wobei der Link zu Kultur oder Kulturarbeit gar nicht immer gegeben ist,aber es sind oft Kulturinitiativen,die die Räume und die Nischen zur Verfügung stellen, wo diese Diskurse stattfinden können. Das ist auch wieder spannend zu beobachten,weil ja von der linken Parteienlandschaft Kultur nicht als Thema anerkannt wird.

Q:
Wäre die Linke besser beraten,aus diesen Kulturzusammenhängen wieder auszubrechen und offensiv Politik zu machen oder ist Kulturarbeit zu Beginn des 21.Jahrhunderts eine großartige Art und Weise,um Politik und politischen Aktivismus zu betreiben?
A:Sie ist solange eine wirklich großartige Art und Weise,solange keine Instrumentalisierung passiert. Kultur und Kulturarbeit ist ja lange,bis Anfang der 1990er noch,nicht als eigene politische Kraft verstanden worden,sondern eher als Trägermedium,als Vehikel um Inhalte zu transportieren. Solange die Verantwortung über die Diskussion bei den Kulturinitiativen bleibt,kann es durchaus auch eine politische Kraft werden,die entsteht. Begrüßenswert wäre es natürlich,wenn politische Diskurse aus dem kulturellen Feld einen breiten Weg hinaus finden würden.

Q:
Die Versuche gäbe es ja. Es gibt in unserer Gesellschaft Personengruppen,für die Kulturarbeit die einzige Möglichkeit,sich politisch zu betätigen,darstellt. MigrantInnen etwa verfügen über kein Wahlrecht und finden keinen Platz in den traditionellen politischen Betätigungsfeldern. Wird da die Kulturarbeit Label für politischen Aktivismus oder ist es legitim,über dieses Label Kultur ganz konkret Politik zu betreiben?
A:Gerade bei migrantischer Politik ist nicht von Instrumentalisierung zu sprechen,sondern von einer engen Verschränkung von Kulturarbeit und politischer Arbeit. Ohne dass das Eine zu Gunsten des Anderen geopfert wird.

Q:
Zur politischen Genese der KUPF:Die KUPF institutionalisiert sich,auch manche ihrer älteren Initiativen wie Röda,KAPU oder Kino Ebensee sind mittlerweile Institutionen. Ist das eine Gefahr oder eineChance?
A:Es ist dann eine Gefahr,wenn man sich dessen nicht bewusst ist.Die KUPF hat das fast ein bisschen verschlafen,aber sie hat die Kurve noch gekratzt. Die KUPF ähnelt auch in der Institutionalisierungsfrage einer Gewerkschaft:Diese Gratwanderung zwischen Opposition einerseits und andererseits gemeinsame Vorgehensweisen mit dem politischen Gegenüber zu finden. Mit dem Land OÖ oder dem Kulturreferenten Entscheidungen treffen zu müssen,die zum Teil auch gut zu heißen. Wie weit darf man das machen?Für OÖ war es zum Teil gut,dass sich die KUPF institutionalisiert hat,weil sich ihr Gewicht dadurch verändert hat. Wobei durch die Institutionalisierung sicher einiges an politischer Schlagkraft verloren gegangen ist. Ein Röda oder eine KAPU können mittlerweile in ihren Städten ein ganz anderes politisches Gewicht vorweisen,weil sie als Faktoren in diesen Städten anerkannt sind. Es sind nicht mehr die,die nicht einschätzbar sind,was natürlich ambivalent zu betrachten ist,sondern sie verfügen über einen Statusfaktor,der in einer politischen Auseinandersetzung eine Stärke darstellt. Es hängt grundsätzlich von den handelnden Personen da drinnen ab. Die müssen sich der Gefahren und der Macht von Institutionalisierung bewusst sein. Es gibt den Begriff der Postkultur:Man muss davon abkommen, dass Kultur immer per se was Gutes ist. Und sozusagen immer diese ästhetisierende,gestalterische Kraft drinnen hat. Anerkennen,dass Kultur durchaus negative
Formen einer Auseinandersetzung mit sich bringen soll. Das sollte man in der Diskussion um Zukunft von Kulturarbeit mitdenken. Bewusst einsetzen,was wir an kulturellem Kapital in der Hand haben. Die Negation in den Diskurs hineinzubringen.

Q:
Wenn das so ist möchten wir/unser Verein/der ganze Tribe/ meine Band/mein Steuerberater/die ganze Ortschaft an der Kampagne partizipieren. Wie?
A:Gern!Alles was es zu wissen gibt ist auf kupf.at/kampagne zu erfahren.

Stefan Haslinger
ist Geschäftsführer der KUPF und lebt in Wels.

Klemens Pilsl
arbeitet in der KAPU und lebt in Linz.s

Kulturarbeit ist Arbeit: Deutungs- und Erklärungsraum

Dem breiten Deutungs- bzw. Erklärungsraum (freier) Kulturarbeit in Oberösterreich widmet sich der dritte Teil der Radio KUPF-Spezialsendungen zur Kampagne ‚Kulturarbeit ist Arbeit‘.

Dazu werden zwei relativ exponierte VertreterInnen der oberösterreichischen Kulturszene von David Guttner (Vorstandsmitglied der KUPF, Freies Radio Salzkammergut) zum Studiogespräch gebeten: Jutta Skokan (Kulturbüro Wels, Festwochen Gmunden) und Klemens Pilsl (KAPU Linz).

Zum download/stream: Kulturarbeit ist Arbeit: Deutungs- und Erklärungsraum