Zahlen und Fakten zur Podiumsdiskussion NACKT

„Das, was wir hier im Kunst- und Kulturbereich sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs und Vorläufer für viele weitere Berufssparten. Unser Sozialversicherungssystem ist darauf angelegt, dass Menschen dauerhaft und auf lange Zeit durchgehend beschäftigt sind – das ist mittlerweile allerdings die Ausnahme.“ Veronika Bohrn Mena, Gewerkschafterin und Autorin

Während andernorts mit Spannung auf die Entscheidung gewartet wurde, welche österreichische Stadt bzw. Region 2024 den Titel „Europäische Kulturhauptstadt“ tragen darf, wurde am 12.11.19 im Musiktheater Linz bei der Podiumsdiskussion NACKT darüber diskutiert, wer diese Megaevents mit Inhalten füllt und vor allem: zu welchen Bedingungen.

Eröffnet wurde die Gesprächsrunde mit der Poetry Slammerin & Reisepoetin Mieze Medusa. In ihren Texten beschwor sie unter anderem gesellschaftliche Solidarität. Sepp Wall-Strasser / Bildungssekretär ÖGB OÖ, lieferte zur Begrüßung einen kurzen Rückblick: Auch im ÖGB hatte die Kultur schon einmal einen höheren Stellenwert, erinnert er: als Bildungssekretär ist er seit 1991 für das Referat „Bildung, Freizeit und Kultur“ tätig. „Zuerst wurde ,Freizeit‘ gestrichen, dann die ,Kultur‘ – jetzt ist noch ,Bildung‘ übrig.“

Einen weiteren Zugang bildet für Sepp Wall-Strasser die Arbeit am Kulturentwicklungsplan Gallneukirchen – ein Luxus quasi für eine so kleine Stadt. Beschämend sei es, erinnert er an eine Diskussion über das Honorar für ein Logo, darüber reden zu müssen, ob die EinreicherInnen dafür 50, 100 oder 150 Euro bekommen sollten. „Man geht einfach davon aus, dass dies irgendjemand so nebenbei macht. Diese Einstellung denke ich, ist gemeinhin über alle Parteien hinweg der Zugang.“ Und ein letzter politischer Zugang: „Natürlich hat das System, eine Freie Szene nicht zu fördern und KünstlerInnen in eine Abhängigkeit zu bringen. Das ist auch eine Folge von reaktionären Tendenzen. Dem gilt es unseren Widerstand entgegenzusetzen, wir brauchen wieder Mut zur Provokation.“

Verena Humer / KUPF OÖ erinnerte zur Begrüßung an bereits bestehende Richtlinien wie „Fair Pay“, an die sich kaum jemand halten würde. „Kulturarbeit ist Arbeit und muss auch von Politik und Gesellschaft als solche anerkannt und entlohnt werden.“ Es gebe allerdings im Bereich der Freien Szene oder der Neuen Selbstständigen keine Betriebsräte, keine Kollektivverträge – dafür sehr viel Ehrenamt und atypische Beschäftigungsmodelle – was schließlich zu Altersarmut und Versicherungslücken führt. Dieses Phänomen der prekären Arbeitsmodelle erstreckt sich mittlerweile auch auf klassische Berufsgruppen. „Mehr als 10% der Beschäftigten befürchtet, innerhalb der nächsten 6 Monate ihren Job zu verlieren.“ zitiert Humer Veronika Bohrn Mena. Abschließend meint Humer über die Veranstaltung, für die es erstmals eine Kooperation aus Gewerkschaften, Interessenvertretungen der freien Kunst- und Kulturszene und dem Musiktheater gab: „Ein immer größerer Personenkreis lebt nun die Ungewissheit, derer sich Kulturschaffende seit jeher ausgesetzt sehen. Nicht nur darum ist es höchste Zeit für einen Dialog zwischen Gewerkschaften und Interessensvertretungen der Kunst und Kulturschaffenden. Am wichtigsten ist aber: es darf nicht beim Dialog bleiben, es müssen Taten folgen!“

Die Diskussion warf sehr viele Unzulänglichkeiten, Stolpersteine und Kuriositäten des Versicherungs- und Arbeitslosensystems für Neue Selbstständige und Kulturarbeiter*innen auf. Die Forderungen und auch konkrete Vorschläge liegen bereits am Tisch. Gewerkschaften und Interessenvertretungen werden hier weiter zusammenarbeiten und planen ein Podium mit EntscheidungsträgerInnen aus Politik und den zuständigen Stellen. Denn klar ist, dass sich ohne Teilhabe der Zuständigen strukturell nicht viel bewegen wird. Ein rasch umsetzbarer Fortschritt könnte aber etwa sein, dass man bei der Vergabe von Förderungen, der Erarbeitung des neuen KLB und bei Aufträgen der Stadt Linz oder des Landes OÖ an Kulturschaffende, die Fair Pay Richtlinien auch aktiv und zwingend einhält. Denn wenn man zuhause einen Wasser-Rohrbruch hat, versucht man den Installateur auch nicht noch um 50% runterzuhandeln – ganz abgesehen davon, dass der für einen Stundensatz unter Mindestlohn auch gar nicht kommen würde.

Die gesamte Diskussion ist nachzusehen unter: https://dorftv.at/video/32204

Zahlen und Fakten aus der Diskussion

Unter den EPUs erwirtschaften Frauen durchschnittlich weniger als 15.000€ Jahreseinkommen netto, mit so einem geringen Einkommen ist die freiwillige Arbeitslosenversicherung in der SVA natürlich nicht finanzierbar. Zu EPUs zählen viele Personen aus dem Kunst und Kulturbereich, wie bildende KünstlerInnen, Filmemacherinnen, aber auch Frisörinnen, Pflegerinnen u.a. Österreichweit arbeiten 9% der EPUs im Bereich Kunst. Krankengeld bekommt man nicht ab dem ersten, sondern erst ab dem 43. Tag der Krankheit, das sind dann 25€ pro Tag, für die man als Neue Selbstständige durch den fehlenden Arbeitgeberbeitrag höhere Versicherungs-Beiträge zahlt als Angestellte. Ein Drittel der ArbeitnehmerInnen in Österreich sind nicht mal ein Jahr lang durchgehend beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt. Neue Selbstständige fallen unter das GSVG, Angestellte unter das ASVG, Freie DienstnehmerInnen fallen zwar auch ins ASVG, gelten aber steuerrechtlich als selbstständig und liegen damit zwischen Selbstständigkeit und Unselbstständigkeit. Als Künstlerin ist man per Gesetz automatisch selbstständig und dadurch automatisch UnternehmerIn, auch wenn das oft nicht der Lebensrealität entspricht. Um den Künstlersozialversicherungsfonds überhaupt in Anspruch nehmen zu können, muss man 1. von einer Kommission als „KünstlerIn“ beurteilt werden, 2. mindestens 5.361,72€ pro Jahr aus der selbstständigen Tätigkeit verdienen (gibt man als Malerin noch zusätzlich Musikunterricht fällt man allerdings automatisch aus dem Ksvf raus!) und 3. nicht mehr als 29.042,65€ pro Jahr verdienen.

Es gibt in Österreich rund 300.000 Menschen die sowohl selbstständig als auch unselbstständig arbeiten und somit auch mehrfach versichert sind. Sie sind weder an die AK noch an die WKO angebunden und haben daher keine gesetzliche Interessensvertretung. Aufgrund des Kartellverbots dürfen sich Unternehmer/Neue Selbstständige aber auch nicht über die Höhe ihrer Honorare absprechen können somit schwer als Kollektiv vorgehen.

O-Töne der Diskutantinnen:

„Als Normalsterblicher hat man kaum Chance darauf, bei dem bestehenden Versicherungs- oder Steuergesetz durchzublicken. Die Stolperfallen fußen im Sozial- und Arbeitsrecht, denn hier gibt es keine allgemeine Definition der Begriffe Kunstschaffende und KünstlerInnen. Man wird beim ArbeitnehmerInnen-Begriff nachschärfen müssen.“ Birgit Waldhör, AK

„Oft kommt es zu falschen Rechtsanswendungen, da meist mehrere Institutionen wie SVA, AMS, GKK, KsVf u.a. auf einmal involviert sind. Das lässt sich einfach mit einer Gesetzesänderung lösen.“ Tanja Iljkic, BMF

„Meine Generation hetzt zwischen zu wenig Geld und zu wenig Zeit für die Kunst. Planbarkeit gibt es nicht.“ Inga Hehn, Bildende Künstlerin

„Es gibt kein Sprachrohr oder Kollektiv für Neue Selbstständige oder freischaffende KünstlerInnen, das macht es sehr schwierig hier für Verbesserungen einzutreten. Eine AuftraggeberInnen-Abgabe, wie in Deutschland, wäre ein guter Anfang.“ Patrice Fuchs, vidaflex

„Wir sind weder an die AK noch an die WKO angebunden. Das führt zu der neoliberal gewünschten Entsolidarisierung. Wir sind es gewohnt, Einzelkämpferinnen zu sein, die nicht über das Geld reden.“ Dominika Meindl, GAV OÖ

„Unser Sozial- und Arbeitslosensystem ist sehr leistungsfeindlich. Die Abgaben für Einzelpersonen sind so hoch, dass man bemüht darum ist, nicht über die Einkommensgrenze für die Versicherungspflicht zu kommen. Als Kulturschaffende ist das bei den Löhnen, – es gibt hier keine Mindestlöhne – , aber auch nicht sehr schwierig.“ Mieze Medusa, Poetry Slammerin

Rückfragen an Verena Humer: 0676 7228 750

Kulturhauptstadt Bad Ischl: KUPF OÖ sieht nun Land gefordert

Heute wurde die Entscheidung der EU bekannt gegeben, dass sich Bad Ischl mit seiner herausragenden Bewerbung gegen die ebenfalls starken Mitbewerber St. Pölten und Dornbirn durchgesetzt hat. Das Team aus Bad Ischl hat sich damit trotz fehlender Unterstützung des Landes OÖ gegen weit finanzstärkere Konkurrenten durchsetzen können. Die KUPF OÖ sieht nun das Land OÖ gefordert, sich ab sofort klar und deutlich hinter die Kulturhauptstadt Bad Ischl 2024 zu stellen.

„Unsere Gratulationen gelten dem Team der Bewerbungsinitiative aus Bad Ischl, die sich mit einer klaren, inhaltlich fortschrittlichen Linie beworben haben. Das Projekt birgt großes Potential für die Region im Ganzen und für Oberösterreichs Kulturbereich im Speziellen. Klar ist, dass der Kürzungskurs des Landes OÖ ab sofort ein Ende haben muss. Denn totgespart lässt sich keine Kulturhauptstadt ausrichten.“, so KUPF Geschäftsführer Thomas Diesenreiter.

KUPF OÖ begrüßt Erhöhung des Kulturförderbudgets der Stadt Linz

Bei einer Pressekonferenz haben Kulturstadträtin Doris Lang-Mayrhofer und Bürgermeister Klaus Luger heute eine Erhöhung des Förderbudgets der Stadt Linz bekannt gegeben. Ab 2020 soll dieses um 250.000 € steigen. Die KUPF OÖ als Dachverband der betroffenen Kulturinitiativen begrüßt diese Entwicklung ausdrücklich.

Die Stadt Linz hat sich damit den Vorschlägen des Linzer Stadtkulturbeirats und der KUPF OÖ angenommen und kommt ihrer Verantwortung für die Linzer Kulturszene nach. Thomas Diesenreiter, Geschäftsführer der KUPF OÖ: „Es ist sehr erfreulich, dass nach vielen Jahren des Stillstands die Stadt Linz ihr Förderbudget erhöht. Damit kann den Kulturinitiativen und den KünstlerInnen der Inflationsverlust der letzten 5 Jahre ausgeglichen werden. Das ist eine sehr positive Entwicklung. Wir danken der zuständigen Stadträtin Doris Lang-Mayrhofer und dem Finanzreferenten Klaus Luger für ihr Engagement.“

Dennoch muss festgehalten werden, dass dies nur ein erster Schritt sein kann. Die KUPF OÖ erachtet nach wie vor eine Gesamterhöhung von 1 Mio € pro Jahr für notwendig, um den tatsächlichen Bedarf abzudecken. Diesenreiter: „Die Stadt beabsichtigt, ein Doppelbudget für 2020/2021 zu beschließen. Daher sollte für 2022, wie im Kulturentwicklungsplan versprochen, eine weitere Erhöhung anvisiert werden.“

Offen ist noch, wie das Förderbudget des Landes OÖ im nächsten Jahr aussehen wird. Die KUPF OÖ hofft, dass sich das Land an der Richtung der Stadt Linz orientiert und ebenso das Förderbudget erhöhen wird.

Offener Brief: #raumschiffbleibt

An:
Bürgermeister Klaus Luger
Vizebürgermeister Mag. Bernhard Baier
Stadträtin Regina Fechter
Stadträtin Doris Lang-Mayerhofer
Stadträtin Mag.a Eva Schobesberger

#raumschiffbleibt

Linz, am 30. Oktober 2019

Sehr geehrte Damen und Herren,

vor sechs Jahr haben Absolvent*innen der Kunstuniversität Linz mit großer Leidenschaft die Initiative Raumschiff ins Leben gerufen. Von Anfang an hat es das engagierte Team geschafft, eine Lücke im Linzer Kulturuniversum zu schließen und besonders jungen Künstlerinnen und Künstler die Möglichkeit gegeben, ihre Arbeiten zu präsentieren. In den letzten Jahren wurden vermehrt auch internationale Künstler*innen eingeladen sich am Programm zu beteiligen. Darüber hinaus wurde ein vielfältiges Angebot unter Einbezug unterschiedlichster Bereiche und Arbeitsweisen ermöglicht. Hierdurch hat sich das Raumschiff ganz klar zu einem offenen und partizipativen Produktionsort entwickelt.

In all dieser Zeit war die Arbeit von Selbstausbeutung, Präkariat und äußerst schwierigen Rahmenbedingungen geprägt. Nichtsdestotrotz konnten mehr als 200 Ausstellungen, Performances, Theatervorstellungen, Konzerte, Workshops und Lectures realisiert werden. Durch seine zentrale Lage kommt dem Raumschiff eine wichtige Rolle in der Vermittlung von Kunst und Kultur an die Linzer Bevölkerung zu.

Dieses Erfolgsgeschichte droht nun abrupt zu enden: Die Stadt Linz hat als VermieterIn der Initiative trotz mehrmaliger Nachfrage kurzfristig mitgeteilt, dass der Nutzungsvertrag mit Ende des Jahres nicht mehr verlängert werden soll. Hintergrund ist, dass die Stadt das Gebäude an einen unbekannten Investor verkaufen will – das Schicksal des Kulturvereins scheint bei diesem Vorhaben keine Rolle zu spielen. Das bereits für das nächste Jahr geplante Programm droht nun obsolet zu werden.

Die UnterzeichnerInnen dieses Briefes fordern die Verantwortlichen der Stadt daher auf, umgehend eine langfristige, stabile Lösung für die Initiative Raumschiff zu finden. Das Raumschiff will und muss bleiben. Die ohnedies schon geschwächte Linzer Kulturszene darf nicht weiter ausgedünnt werden.

Wir erinnern die Stadt an ihre Selbstverpflichtung, die sie im 2013 beschlossenen Linzer Kulturentwicklungsplan eingegangen ist:

Die Sicherung und Bereitstellung von Raumressourcen für die freie Kunst- und Kulturszene soll entsprechend dem Bedarf an Produktions-, Lager-, Atelier-, Probe- und Auftrittsräumen und im Sinne einer zusätzlichen Fördermaßnahme erfolgen. […] Hierbei geht es auch um die Entstehung von Orten, die interdisziplinäres* Arbeiten und eine stärkere Vernetzung der Szene ermöglichen.

Kulturentwicklungsplan der Stadt Linz

Der Bedarf an Raumressourcen für die freie Kunst- und Kulturszene ist evident, nicht zuletzt durch den starken Zuspruch und die hohe Auslastung des Raumschiffs. Die Initiative erfüllt die Ziele des Linzer Kulturentwicklungsplans in vielen Aspekten in außerordentlicher Weise. Wenn sich Linz auch weiterhin als Kulturstadt verstehen will, dann muss die Stadtpolitik dem Verein dringend eine Lösung anbieten. Die Verantwortlichen des Vereins stehen für Gespräche und Verhandlungen über die Zukunft des Gebäudes in allen Varianten bereit.

Handeln Sie jetzt, bevor es für das Raumschiff zu spät ist.

Mit besten Grüßen

Andre Zogholy
Andrea Mayer-Edoloeyi
Andrea Reisinger
Andrea Winter
Andreas Reichl
Andreas Strauss
Astrid Benzer
Astrid Esslinger
BB15
Chris Althaler
Christoph Fürst
Costanza Brandizzi
Dagmar Höss
Davide Bevilacqua
Die Fabrikanten
Eva Maria Dreisiebner
FIFTITU%
Georg Ritter
Gesellschaft für Kulturpolitik OÖ
Helga Schager
Holzhaus
Isabella Auer
Julia Nüßlein
junQ.at
Kulturplattform Oberösterreich
Kulturverein ibuk
Kulturverein KAPU

Kulturverein Klangfolger
Kulturverein memphis
Kulturverein PANGEA Werkstatt der Kulturen der Welt
Kulturverein Schlot
Kulturverein Time’s Up
Kurt Mitterndorfer
Luzi Katamay
Margit Greinöcker
Matthias Schloßgangl
Nikolaus Dürk
Post Skriptum
Radio FRO
RedSapata Tanzfabrik
Roswitha Kröll
Rudolf Danielczyk
servus.at – Kunst und Kultur im Netz
Sonja Meller
Stadtwerkstatt
Theater des Kindes
theaternyx*
Thomas Diesenreiter
Thomas Hinterberger
Thomas Philipp
Thomas Pohl
Wolfgang Dorninger

Erfolg für Initiative: Verfassungsgerichtshof stellt Plakatierfreiheit in Linz wieder her

Die Initiative Plakatierfreiheit ist ein Zusammenschluss von 36 Initiativen und Organisationen aus dem Sozial-, Kultur- und Umweltbereich zur Durchsetzung der Meinungsfreiheit im öffentlichen Raum. Mit großer Genugtuung nehmen sie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 26. September 2019 zur Kenntnis, mit dem die Linzer Plakatierverordnung aus 1983 gekippt wurde. Die Initiative sieht das als wichtigen Erfolg für ihre Bemühungen. Die Entscheidung des VfGH hat Bedeutung weit über Linz hinaus.

Thomas Diesenreiter, Geschäftsführer der Kulturplattform Oberösterreich: „Das Kippen der Plakatierverordnung ist besonders für Österreichs gemeinnützige Kulturinitiativen ein großer Erfolg. Denn diese können sich die kommerziellen Plakatflächen in der Regel nicht leisten und wurden so vom öffentlichen Raum ausgeschlossen. Die Stadt Linz ist nun – so wie viele andere Städte Österreichs – gezwungen, ihre Plakatierpolitik neu zu denken. Wir erinnern an unseren Vorschlag, freie Plakatflächen für gemeinnützige Initiativen und Kulturvereine in Innenstädten zu schaffen. In Oberösterreich fordern wir, dass die Linzer Stadtpolitik nun rasch Gespräche mit den betroffenen Initiativen aufnimmt und endlich Lösungsvorschläge im Sinne der Linzer Kulturvereine vorlegt.“

Zum rechtlichen Hintergrund

Die Solidarwerkstatt Österreich hatte im Juni 2017 eine „Lange Nacht des Friedens“ veranstaltet. Zur Bewerbung dieser Veranstaltung wurden im Stadtgebiet Linz Plakate im A3 Format auf diversen Blechkästen, Masten und Bauzäunen mit Klebstreifen angebracht. Aus diesem Grund wurde gegen den Obmann des Vereins, Norbert Bauer, NÖ, vom Magistrat Linz Anzeige bei der LPD OÖ erstattet. Ebenso wurde vom Magistrat Linz eine Zivilklage gegen die Solidarwerkstatt für die Kosten der Dokumentation der Plakatierung zur Anzeigeerstattung und der, wie sich nunmehr herausstellt, rechtswidrigen Entfernung der Plakate in Höhe von Eur 180,- beim BG Gericht Linz eingebracht. Die LPD-OÖ hatte eine Verwaltungsstrafe in Höhe von Eur 80,- gem. der PlakatierVO der BPD Linz vom 1. Feb. 1983 verhängt. Gegen diese Strafe erhob Norbert Bauer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Das Zivilverfahren wurde bis zur Entscheidung des VfGH ausgesetzt. Der VfGH hat in Folge ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des § 1 Abs. 1 und 2 der PlakatierVO aus 1983 eingeleitet und diese am 26. Sept. 2019 (V20/2019-18) für gesetzwidrig erklärt. Das Straferkenntnis gegen den Vorsitzenden der Solidarwerkstatt Österreich wurde am 1. Okt. 2019 (E 1890/2018-17) vom VfGH aufgehoben.

Der VfGH nimmt in Erörterung der Rechtslage Bezug auf §48 Mediengesetz, in dem normiert ist, dass es „Zum Anschlagen, Aushängen und Auflegen eines Druckwerkes an einem öffentlichen Ort … keiner behördlichen Bewilligung (bedarf)“. Die Behörden können dieses Recht per Verordnung nur dann auf „bestimmte Plätze“ einschränken, soweit dies „zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“ geboten erscheint und nimmt dabei auch Bezug auf Art. 10 der EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention). Der VfGH hält somit nicht von vorneherein eine Einschränkung der Plakatierfreiheit für unzulässig. (siehe VfSlg. 10.886/1986) Eine Einschränkung muss aber unter Abwägung des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung und anderen öffentlichen Interessen erfolgen.

Zum Zeitpunkt des Erlasses der VO im Jahr 1983 gab es in Linz noch ca. 40 freie Plakatierflächen. Derzeit gibt es nur noch vier Flächen in Randlagen von Linz, an denen freies Plakatieren gem. der rechtswidrigen VO möglich wäre. Dafür verantwortlich ist nicht die LPD-OÖ, sondern die Stadt Linz. Was der LPD-OÖ, folgt man dem VfGH, vorzuwerfen ist, ist, dass sie diese Tatsache bei neuerlichem Erlass bzw. Anwendung der VO nicht berücksichtigt hat. Auf eben diesen Sachverhalt hat sich der Beschwerdeführer, der von der Kanzlei Frischenschlager-Navarro vertreten wurde, gestützt.

Stellungnahmen der Initiatoren

Erwin Leitner, Obmann der Initiative „Mehr Demokratie“ meint dazu: „Die Bedeutung dieses Erkenntnis des VfGH reicht weit über die Stadtgrenzen von Linz hinaus. Viele Städte sind dazu übergegangen den öffentlichen Raum, nicht als Raum für die freie Entfaltung ihrer BürgerInnen zu betrachten, sondern als Raum, den es möglichst marktgerecht zu verwerten gilt. Während u.a. das freie Plakatieren weitgehend eliminiert wurde, tauchen überall Leuchtreklamen auf, die für teures Geld gemietet werden können. Die Linzer PlakatierVO ist jedoch nur eine Baustelle, mit der wir uns bei der Verteidigung unserer Demokratie auseinandersetzen müssen. Wir haben jüngst auch eine Petition in den oö. Landtag eingebracht, in der die Abschaffung der aberwitzigen Gebühren für gemeinnützige Organisationen für das Aufstellen von Plakatständern auf öffentlichen Verkehrsflächen gefordert wurde. Diese Petition wurde von der schwarz-blauen Mehrheit mehr oder weniger mit dem schnoddrigen Argument abgeschmettert, wenn der Bürger das Amt beschäftigt, dann muss er sich das eben was kosten lassen. Das steht in schrillem Widerspruch zu den sonntäglichen Bekenntnissen zur Bedeutung zivilgesellschaftlichen Engagements. Hier ist sicherlich noch nicht das letzte Wort gesprochen.“

Boris Lechthaler, Solidarwerkstatt Österreich, äußert: „Wir haben gesagt, Martin Luther wäre, hätte er seine Thesen in Linz und nicht an der Schlosskirche zu Wittenberg angeschlagen, vor den Kadi gezerrt worden. Mit dem Erkenntnis des VfGH ist dieser vormodernen Behördenwillkür ein Schritt entgegengetreten worden. Wir sagen auch: wir sind nicht die Feinde der Stadt Linz. Natürlich sind auch wir an einer ordentlichen Verwaltung des öffentlichen Raumes interessiert. Wenn aber dann der Initiator der „Verkehrswende Jetzt!“, Gerald Oberansmayr, vom Magistrat Linz mit einer Verwaltungsstrafe von Eur 700,-, bzw. mit Ersatzarrest von 11 Tagen für das Aufstellen von 14 Plakatständern für eine Klimaschutzdemo bedacht wird, haben wir nicht den Eindruck, dass die hier handelnden Personen im 21. Jahrhundert angekommen sind. Das VfGH-Erkenntnis ist ein erster, wichtiger Erfolg. Weitere müssen und werden folgen.“

Link: https://plakatierfreiheit.at/

Rückfragen
Thomas Diesenreiter, Kulturplattform OÖ, 0664 / 78 24 525
Erwin Leitner, Mehr Demokratie, 0660 / 61 17 001
Boris Lechthaler, Solidarwerkstatt Österreich, 0664 / 76 07 937

Nackt. Podiumsdiskussion

Bessere Arbeitsbedingungen für Kulturarbeiter*innen

Programm

Einleitung: Mieze Medusa
Begrüßung: Verena Humer und Sepp Wall-Strasser

Diskussionsteilnehmer*innen:
* Dominika Meindl, GAV Oberösterreich
* Patrice Fuchs, vidaflex
* Birgit Waldhör, AK
* Tanja Ilkic, BMF
* Inga Hehn, Bildende Künstlerin
Moderation: Veronika Bohrn Mena

mit anschließender Publikumsdiskussion!

Ort: BlackBox Musiktheater Linz
Datum: 12.11.2019
Uhrzeit: 10 – 13 Uhr

„Die soziale Lage der Kunstschaffenden ist häufig durch Phänomene wie prekäre und diskontinuierliche Arbeitsverhältnisse, unsichere Einkommensperspektiven und mangelnde soziale Absicherung geprägt.“ Zu diesem Ergebnis kommt die vom Bundeskanzleramt BKA in Auftrag gegebene und aktualisierte Studie zur Sozialen Lage der Kunstschaffenden und Kunst- und Kulturvermittler/innen in Österreich schon 2008 und veranschaulicht deutlich, wie es um die Lebens- und Arbeitssituation von Kunst- und Kulturschaffenden bestellt ist. Zehn Jahre später schließt die Studie aus 2018 mit dem Fazit: „Die Ergebnisse zeigen, dass sich (…) im Vergleich zu 2008 relativ wenige Veränderungen erkennen lassen.“
Dieser Stillstand ist Anlass unserer Podiumsdiskussion!

Wie können und sollen wir darauf reagieren, um hier endlich notwendige Verbesserungen zu erreichen? Im Rahmen dieser Podiumsdiskussion wollen wir im konstruktiven Austausch mit relevanten Jurist*innen, Gewerkschafter*innen und Künstler*innen konkrete Maßnahmen diskutieren.

Wie kann und soll der Künstlersozialversicherungsfonds (KSVF) reformiert werden? Wie kann die Arbeitslosenversicherung systemisch für eine durchgehende soziale Absicherung sorgen? Wie sieht es mit dem Rechtsanspruch auf Leistungen und Beratungen aus?

Das sind nur einige der Fragen, die auch der Kulturrat Österreich aufwirft und aus denen er bereits konkrete Schritte für die neue Bundesregierung ableitet. In Oberösterreich gibt es nun erstmals eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Vertreter*innen der freien Szene, Gewerkschaften und Betriebsrät*innen, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, hier aktiv für Verbesserungen und Maßnahmen einzutreten.
Ein erster Schritt ist diese Podiumsdiskussion, zu der wir herzlich einladen!

Kooperationspartner*innen: GAV Oberösterreich, Gesellschaft für Kulturpolitik OÖ, IG Kultur, Kulturrat Österreich, KUPF OÖ, Landestheater Linz, vidaflex, VÖGB, Younion Oberösterreich

ANMELDUNG unter: http://www.gfk-ooe.at/event/podiumsdiskussion-nackt/

KTMgate: Neue Dokumente bestätigen Kritik und werfen neue Fragen auf

Das Land OÖ hat überraschend und ohne Ankündigung neue Dokumente zur KTM Kulturförderung veröffentlicht. Diese stützen die Kritik von KUPF OÖ und dem JKU Europarechtsinstituts, dass diese Förderung nicht EU-Rechtskonform zustande kam. Noch seltsamer mutet aber an, dass Teile der Dokumente bewusst unterschlagen wurden, was offensichtlich durch das Löschen der Seitenzahlen vertuscht werden sollte. Und nicht zuletzt wurde damit ein weiterer Verstoß gegen geltende EU Richtlinien eingestanden, die die Förderung für unrechtmäßig erklären. Eine Analyse:

Die Aufregung war groß, als letzte Woche der Vorstand des Instituts für Europarecht der Linzer Universität die KTM Kulturförderung als EU-Rechtswidrig einstufte. Das Dementi des Landes OÖ erfolgte prompt, die Finanzdirektion ließ wissen, dass die Förderung „gemäß EU-Beihilfenrecht korrekt erfolgt“ sei.

Nun wurden aber stillschweigend zwei Dokumente auf der Website des Landes veröffentlicht, die zeigen, dass dem wohl doch nicht so war. So wurde einerseits ein auf 30. August 2019 datierter Brief des Landes OÖ an KTM veröffentlicht, in dem KTM über eine Ergänzung der Fördererklärung informiert wurde. Diese musste von KTM auch bestätigt werden, was laut Datumsangabe am 9. September 2019, also diesen Montag, erfolgte.

Warum werden die Finanzangaben verschwiegen?

Gleichzeitig wurde auch ein Teil des Förderantrags von KTM veröffentlicht. Offensichtlich wurde dabei aber versucht, gewisse Inhalte zu vertuschen: Auf Seite 3 des Förderformulars KD/E-5 sind normalerweise Angaben zur Finanzierung des Vorhabens zu machen. Diese Seite wurde aber aus dem Förderantrag entfernt. Damit dies nicht auffällt, wurden im restlichen Dokument die Seitenangaben händisch entfernt. Weiters wurden im Antrag keine inhaltlichen Angaben gemacht, sondern lediglich auf eine Beilage mit dem Konzept verwiesen. Diese Beilage wurde allerdings ebenfalls nicht veröffentlicht, obwohl sie rechtlich als integraler Bestandteil des Förderantrags zu sehen ist.

Damit wurde die im Brief des Landes OÖ selbst angeführte nötige Offenlegung laut EU Recht wohl nicht erfüllt. Über die Hintergründe dieses Vorgehens kann man momentan nur rätseln.

Der nächste Verstoß gegen EU Richtlinien

Doch nicht nur das: Durch die Veröffentlichung des Förderantrags ist nun sichtbar, dass KTM den Förderantrag angeblich am 24. September 2018 beim Land OÖ eingereicht haben soll. Dass der Eingangsstempel erst einen Monat später, am 25. Oktober 2018, angebracht wurde, ist eine weitere kuriose Randnotiz.

Wesentlich ist aber, dass damit der Förderantrag erst Jahre nach Beginn des Baus der Motohall eingebracht wurde, der im Jahr 2016 erfolgte. Wie das Land OÖ in seinem Brief an KTM selbst schreibt, hat man damit gegen das EU Recht verstoßen:

Nach Art 6 Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 muss mit der Gewährung der Beihilfe ein Anreizeffekt verbunden sein. Dies ist dadurch gegeben, dass vor Beginn der Arbeiten an dem Vorhaben ein schriftlicher Beihilfeantrag mit allen in Art 6 AGVo genannten Voraussetzungen eingebracht wurde.

Hinweis: Das Land OÖ nennt hier fälschlicherweise Artikel 6, es handelt sich aber um Artikel 5 der EU Verordnung.

Der Begriff „Beginn der Arbeiten“ ist im EU Recht so definiert:

23.   „Beginn der Arbeiten“: entweder der Beginn der Bauarbeiten für die Investition oder die erste rechtsverbindliche Verpflichtung zur Bestellung von Ausrüstung oder eine andere Verpflichtung, die die Investition unumkehrbar macht, wobei der früheste dieser Zeitpunkte maßgebend ist; der Kauf von Grundstücken und Vorarbeiten wie die Einholung von Genehmigungen und die Erstellung vorläufiger Durchführbarkeitsstudien gelten nicht als Beginn der Arbeiten. Bei einer Übernahme ist der „Beginn der Arbeiten“ der Zeitpunkt des Erwerbs der unmittelbar mit der erworbenen Betriebsstätte verbundenen Vermögenswerte.

Dass der Bau der Motohall aber eben schon vor dem Einbringen des Förderantrags begann, kann man im Factsheet der Architekten nachlesen:


Der Eindruck der KUPF OÖ, dass die Förderung von KTM auf mehreren Ebenen nicht rechtskonform zustande gekommen ist, verschärft sich damit weiter. Die KUPF hat in der Zwischenzeit begonnen, Spenden für ein unabhängiges Rechtsgutachten zu sammeln. Innerhalb von wenigen Tagen haben Oberösterreichs Bürgerinnen und Bürger bereits mehr als 4.000 € beigetragen, was zeigt, wie groß das Unverständnis für das Vorgehen des Landes OÖ in der Bevölkerung ist. Die Kampagnenseite findet sich unter https://kupf.at/ktm, Spenden sind noch herzlich willkommen.

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KTM Förderung EU-rechtswidrig? KUPF sammelt Spenden für Rechtsgutachten

Die jüngste Bombe rund um die Förderungen des Landes OÖ an KTM platzte gestern Abend: Laut dem Wirtschaftsministerium wurden die Förderungen trotz Meldepflicht nicht an die EU Kommission gemeldet. Die KUPF OÖ startet daher unter kupf.at/ktm eine Spendenkampagne, um alle rechtlichen Möglichkeiten für eine Aufhebung und Anfechtung der KTM Förderung prüfen zu lassen.

Erst am Montag hat die Landesregierung einen Antrag der Grünen abgelehnt, die eine Prüfung der Förderung durch externe FachexpertInnen vorgesehen hätte. „Wenn das Land OÖ sich nicht damit beschäftigen will, ob alle rechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten wurden, dann sorgen wir eben selbst für diese Prüfung. Es geht hier um die Interessen des Landes Oberösterreichs, und darum, wieder zu einer sauberen Kulturpolitik zurückzukehren“, so KUPF Geschäftsführer Thomas Diesenreiter.

Die Vermutung der KUPF OÖ, dass die Gewährung der KTM Förderung auch EU-rechtswidrig sein könnte, wurde am Donnerstag durch den EU Rechtsexperten Dr. Franz Leidenmühler, Vorstand des Instituts für Europarecht an der Johannes-Kepler-Universität Linz (JKU), bestätigt. Er sieht in der Nichtmeldung an die EU einen klaren Regelbruch, der zu einer Rückzahlung der Förderungen durch KTM führen muss. Dies stellt eine weitere Facette in der Auseinandersetzung um die Zulässigkeit der Förderung von KTM durch das Land OÖ dar.

Spendenkampagne #KTMgate

Die Kulturplattform OÖ will nun alle rechtlichen Facetten und Möglichkeiten prüfen lassen und sammelt dafür Spenden für ein Rechtsgutachten: „Wir möchten uns mit den besten AnwältInnen und ExpertInnen zusammensetzen und alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen lassen, die zu einer Aufhebung der Förderung führen können. Es gibt hier verschiedenste Ansatzpunkte, nicht alle werden vom Landesrechnungshof geprüft werden. Auch eine Klage steht im Raum. Wir sehen nicht ein, dass ein Milliardenkonzern Geld aus dem Kulturbereich erhält, während hunderte kleine Kulturvereine ums Überleben kämpfen. Dieser Missstand gehört abgestellt“, so Diesenreiter weiter. Die Spendensammlung erfolgt direkt über die Website der KUPF OÖ unter kupf.at/ktm, wo die KUPF auch alle Details und Informationen zur Causa #KTMgate gesammelt hat.

Zur Erinnerung: Die KUPF OÖ sieht ebenfalls Verstöße des Landes gegen das oö. Kulturfördergesetz und hat daher bereits Anfang August den Landesrechnungshof eingeschalten. Dieser hat der Kulturplattform eine Prüfung zugesagt, die bis Ende des Jahres fertigstellt werden soll. Die KUPF OÖ wird dem Rechnungshof auch das erstellte Gutachten übermitteln.

KUPF OÖ: KTM soll Förderung spenden

Noch mehr Kulturförderung als ursprünglich gedacht; eine angebliche Prüfung durch den Museumsverbund, die nie stattfand; die Nutzung der Motohall für primär interne Zwecke laut Pierer; verschollene Regierungsbeschlüsse; geheimgehaltene Förderanträge: Je mehr Details zum #KTMgate bekannt werden, desto größer ist der Aufschrei der oberösterreichischen Kulturszene. Die Kulturplattform Oberösterreich schlägt KTM nun vor, ihre Kulturförderung an jene Vereine zu spenden, deren Förderungen letztes Jahr gekürzt wurden.

„Ich hoffe, dass KTM Chef Pierer die menschliche Größe und den Anstand hat, auf die KTM Kulturförderung in Millionenhöhe zu verzichten. Wir alle wissen, dass KTM jährlich Gewinne von mehr als 100 Mio € macht und auf keinen Cent aus dem Kulturbudget angewiesen ist. Wir schlagen Pierer daher vor, den erhaltenen Betrag an jene oberösterreichischen Kulturvereine zu spenden, die letztes Jahr vom dramatischen Kürzungsprogramm des Landes OÖ betroffen waren. Wir stellen gerne eine Liste der betroffenen Vereine bereit“, so KUPF OÖ Geschäftsführer Thomas Diesenreiter.

Zur Erinnerung: Zuerst würde das Förderbudget 2018 um 1,2 Mio € gekürzt, danach 200.000 € nicht ausbezahlt und schließlich noch 1 Mio. € an Rücklagen entgegen einer Zusage des Landeshauptmanns abgezogen. Damit hat die Kulturförderung in OÖ den niedrigsten Wert seit Beginn des Jahrtausends erreicht und hat sich im Wert halbiert.

Die KUPF OÖ fordert den Landeshauptmann daher gleichzeitig auf, das Förderbudget im Jahr 2020 um 5,2 Mio € zu erhöhen. „Damit wäre zumimdest der Inflationsverlust seit 2001 ausgeglichen. Wir hoffen sehr, dass der Landeskulturreferent die Sorgen der Kulturinitiativen um das Kulturland OÖ endlich ernst nimmt“ so abschließend Diesenreiter.

Relative Entwicklung des Förderbudgets und der öffentlichen Träger seit 2001

Rechnungsabschluss 2018: Trotz Zusagen noch höhere Kürzungen als erwartet

Kulturszene enttäuscht vom Vorgehen der Landespolitik

Wenn, dann sterben wir einen lauten Tod“

Die Analyse des Rechnungsabschluss 2018 zeigt erstmals auf: Oberösterreichs zeitgenössische Kunst- und Kulturszene wurde im Budgetvollzug noch stärker gekürzt als ursprünglich geplant. Nachdem 17.240 BürgerInnen die Petition „Rettet das Kulturland OÖ“ unterzeichnet hatten, legte die KUPF OÖ konkrete Maßnahmen zur Sicherung des Kulturlands OÖ vor. Doch die Details des Rechnungsabschluss zeigen, dass selbst die wenigen vom Land OÖ gemachten Zusagen nicht eingehalten wurden. Oberösterreichs Kulturszene zeigt sich enttäuscht vom Vorgehen der Politik.

Wir erinnern uns: Im Herbst 2017 wurde erstmals publik, dass das Land OÖ große Kürzungen bei den Kulturförderungen plant. Die kurzfristig von der KUPF OÖ und weiteren Kulturverbänden angesetzte Petition „Rettet das Kulturland OÖ“ wurde innerhalb weniger Wochen von mehr als 17.000 Personen unterzeichnet. Trotz der breiten Kritik von Kulturschaffenden, KünstlerInnen, des Landeskulturbeirats und einer breiten Bevölkerung wurden die Kürzungen im Dezember im Landtag unverändert in vollem Umfang beschlossen.

In Folge wurden zwei runde Tische mit dem Landeshauptmann und dem Landeskulturdirektor organisiert. Dort haben die KUPF OÖ und Interessenvertretungen IG Bildende Kunst, IG Freie Theater, die Grazer Autorinnen Autorenversammlung und die HochschülerInnenschaft Kompromissvorschläge und einen Pakt zur Sicherung des Kulturlands OÖ vorgelegt. Dieser beinhaltete konkrete Maßnahmen zur Sicherung der kulturellen Infrastruktur, zum Erhalt und Ausbau der kulturellen und künstlerischen Qualität und zum Erhalt der kulturellen Vielfalt und Erweiterung des kulturellen Angebots. Auf das Budget bezogen wurde eine schrittweise Erhöhung des Förderbudgets um 5,2 Millionen € gefordert.

Leider wurden der Pakt und der Großteil der Vorschläge beim runden Tisch abgelehnt. Als eines der wenigen Zugeständnisse wurde aber vereinbart, dass die 2017 in den einzelnen Förderbereichen gebildeten Rücklagen 2018 verwendet werden, um die Kürzungen zumindest abzufedern. So wäre es de facto möglich gewesen, auf einen Großteil der Kürzungen bei den zeitgenössischen Kunst- und Kulturinitiativen und den KünstlerInnen zu verzichten.

Diese Zusage wurde bedauerlicherweise nicht eingehalten, wie folgende Auswertung des Rechnungsabschlusses 2018 zeigt:

Differenz verfügbare Budgetmittel zu Rechnungsabschluss 2018
Rohdaten Zahlen Voranschlag und Rechnungsabschluss 2018

In der Spalte „Rechnungsabschluss 2018“ ist ersichtlich, dass erstens entgegen dem Voranschlag weitere 200.000 € an Förderungen nicht ausbezahlt, also de facto weiter gekürzt, wurden. Die Differenzen in den einzelnen Bereichen ergeben sich laut dem Land OÖ durch die Umbuchung einzelner Förderwerber in andere Kategorien. In den Fußnoten des Rechnungsberichts wird das große Minus beim Posten „Regionale Kulturinitiativen“ weiters damit begründet, dass nicht mehr alle Förderanträge im Jahr 2018 vom Land bearbeitet wurden. Im Übrigen ein weiterer Beleg für die Kritik der KUPF OÖ an der absurd langen Bearbeitungsdauer der Förderanträge. Allerdings wurden in diesem Bereich auch keine neuen Rücklagen für ausstehende Förderanträge gebildet – das bedeutet, dass diese im Folgejahr aus dem regulären Budget bezahlt werden müssen, was die verfügbaren Mittel in jenem natürlich weiter senken wird.

Die gekürzten Übertragsmittel

In Bezug auf die sogenannten „Übertragsmittel“ aus 2017 zeigt sich zweitens, dass diese zwar im Förderbudget aktiviert, dann aber eben nicht für die ursprünglichen Förderbereiche verwendet wurden. Diese 1,02 Mio. € wurden im Budgetjargon für „finanzielle Ausgleiche“ verwendet, sprich, in andere Budgetbereiche verschoben um dort andere Löcher zu stopfen. „Es ist unverständlich, warum das Land OÖ trotz vorhandener finanzieller Mittel seine Kulturvereine kürzt und ihnen damit schadet. Dies kann nur noch als Willkür oder im schlimmsten Fall als gezielte Schwächung des zivilgesellschaftlichen Engagements der Kulturszene gesehen werden“, so KUPF Geschäftsführer Thomas Diesenreiter und weiter :„Und auch der Landtag muss sich die Frage stellen, warum von ihm beschlossene Budgets in so drastischer Weise nicht eingehalten werden. Der Landtag hat 2017 und 2018 klar höhere Ausgaben für die Kulturförderung vorgesehen, die aber von der Landesregierung trotz des offensichtlichen Bedarfs der Kulturszene nicht zugewiesen wurden.“

In welchen Bereichen das ursprüngliche Budget ebenfalls, aber in die andere Richtung, nicht eingehalten wurde, zeigt die folgende Grafik:

Mehrausgaben im Rechnungsabschluss gegenüber dem Voranschlag 2018

Während also im Budgetvollzug bei den zeitgenössischen Kulturförderungen noch stärker als geplant gekürzt und Rücklagen unterschlagen wurden, haben die großen Häuser abermals mehr als geplant ausgegeben. Die Zahlen des Budgets gelten offensichtlich für das Land OÖ nur dort, wo es selbst nicht betroffen ist. „Wie soll man einem Kulturverein erklären, dass eine Kürzung seines Vereins zwingend notwendig war, während das Land OÖ bei seinen eigenen Institutionen Millionen an ungeplanten Mehrausgaben ausweist?“, so KUPF Geschäftsführer Thomas Diesenreiter. „Hier zeigt sich abermals die Willkür des Landes im Kulturbereich: Die einen werden ohne Not gekürzt und gekürzt, während für die eigenen Betriebe die Vorgaben nach Belieben gebrochen werden.“

Die stetig sinkenden Ermessensausgaben

Die KUPF OÖ begrüßt prinzipiell die Ausstattung der öffentlichen Kultureinrichtungen mit den notwendigen Budgets, fordert aber gleiches Recht für alle: Während es bei den öffentlichen Einrichtungen normal ist, dass die inflationsbedingt steigenden Kosten für Infrastruktur, Personal, usw. abgegolten werden, sind die Zuwendungen an die unabhängigen Kultureinrichtungen in den letzten beiden Jahrzehnten sogar gekürzt worden. Das führt dazu, dass mittlerweile ganze 93,5% des Kulturbudgets in die eigenen Häusern gehen, und für die gesamte restliche Kulturszene, von der Blasmusik, zur Volkskultur, zur zeitgenössischen Kunst und Kultur bis hin zu den Gemeinden und Kultus nur noch 6,5% Ermessensausgaben übrig bleiben.

Die Förderung der gesamten zeitgenössischen Kunst- und Kulturszene liegt nur noch bei 2,5% des Kulturbudgets, der niedrigste Wert seit dem Beginn der KUPF Budgetanalysen. Zum Vergleich: Im Jahr 2001 gingen noch ganze 6,4% des Kulturbudgets in die Förderung der zeitgenössischen Kunst und Kultur. Verena Humer, stellvertretende Geschäftsführerin der KUPF, kritisiert, „dass sich so das Land OÖ auch selbst jede Möglichkeit nimmt, Neues und Innovatives zu fördern. Kulturförderungen sind keine Spende. Das Budget der Kunst- und Kulturförderung ist dazu da um unsere Gesellschaft lebendig zu halten. Aus Sicht der KUPF müssen bestehende Qualitäten wie Vielfalt, Eigenständigkeit und offene Begegnungsräume sowie sichere Strukturen für die freie Szene weiter ausgebaut werden.“

Auswirkungen der Kürzungen im Kulturbereich

Viele der oberösterreichischen Kulturinitiativen mussten letztes Jahr Kürzungen zwischen 10% und 20% ihrer Jahressubventionen hinnehmen. Die Folge war eine Reduktion des kulturellen Angebots, stärkere Zugangsbarrieren in Form von höheren Eintrittspreisen sowie eine weitere Verschärfung der prekären Produktionsbedingungen von Kunst und Kultur. „Die KAPU wurde 2018 gleich um 20% gekürzt. Die Folge ist, dass wir einerseits Eintritte erhöhen mussten. Und andererseits wurde es deutlich schwieriger für uns, experimentelle oder unbekannte Bands auf die Bühne zu stellen, denn das finanzielle Risiko ist ja gestiegen.“, so Sarah Praschak, Vorstandsmitglied des Linzer Kulturvereins KAPU. Günther Ziehlinger, stellvertretender KAPU-Geschäftsführer pflichtet ihr bei: „Die Folgen diesen Kürzungen betreffen also besonders junge KünstlerInnen. Wie soll hier noch neues entstehen, wenn die Förderung junger MusikerInnen kaum noch möglich ist? Wenn man als Kulturverein eigentlich nur noch etablierte Bands bringen kann, um zu überleben?“

Auch das Kulturzentrum RÖDA aus Steyr wurde 2018 empfindlich gekürzt. Betrug der Programmzuschuss 2017 ohnedies bereits geringe 43.500 €, so wurde dieser Betrag im vergangenen Jahr auf 37.000 € zusammengestrichen, ein Minus von 15%. Dazu Geschäftsführer Thomas Kern: „Kulturinitiativen wie wir eine sind die Mittel zu kürzen, bedeutet auch einer Nachfolgegeneration an noch nicht etablierten Kunst- und Kulturschaffenden einen Raum zur Entfaltung zu nehmen. Das ist traurig und kurzsichtig. Durch Privatkredite den Kulturbetrieb aufrecht erhalten zu können ist leider auch bei uns mittlerweile gängige Praxis, sollte aber nicht notwendig sein. Es muss dieser Entwicklung in der Politik entgegengewirkt werden.“

Diesenreiter fasst zusammen: „Das Land OÖ hat mit diesen Kürzungen nicht nur seine eigene Kulturszene massiv geschwächt, sondern in der Folge auch das kulturelle Angebot für die Bevölkerung reduziert. Damit wird der verfassungsmäßige Auftrag des Landes, seine Bevölkerung mit Kulturangeboten zu versorgen, sträflich vernachlässigt. Besonders die Diversität des kulturellen Angebots leidet.

Wichtig ist in diesem Kontext zu sehen, dass die Kürzung der Förderung in Kombination mit der Inflation seit Jahren zu einem drastischen Verfall des Werts der zeitgenössischen Kulturförderung führt. Der Wert der zeitgenössischen Kulturförderung liegt nur noch bei 50% des Jahres 2001, wie die KUPF bereits mehrfach belegt hat. In der gleichen Zeit sind die Ausgaben für die öffentlichen Kulturinstitutionen deutlich über der Inflationsrate gestiegen:

Prozentuale Entwicklung der Förderung der zeitgenössischen Kultur und der öffentlichen Einrichtungen

Um diese Lücke auszugleichen und zumindest die Inflation auszugleichen, braucht es 5,2 Mio. € an neuen Mitteln für die Kulturförderung wie die KUPF OÖ einfordert.

Wie geht es weiter?

Mit diesen Fakten konfrontiert, hat die Landeskulturdirektion der KUPF einen weiteren Gesprächstermin Ende September angeboten, den die KUPF natürlich gerne annimmt. Es ist aber nach der ersten Kommunikation davon auszugehen, dass sich beim Land OÖ noch kein Problembewusstsein für die dramatische Lage der oberösterreichischen Kulturvereine und KünstlerInnen gebildet hat.

Aus diesem Grund plant die KUPF neue Kampfmaßnahmen gegen diese Politik des Aushungerns des Kulturlandes OÖ. Details dazu werden im Herbst bekanntgegeben. „Oberösterreichs Kulturland ist bedroht wie nie. Aber eines garantieren wir: Wenn, dann sterben wir einen lauten Tod“, so KUPF Geschäftsführer Thomas Diesenreiter.

Rückfragehinweis: Thomas Diesenreiter, 0664 / 78 24 525