In fünf Jahren ist es wieder soweit: Österreich bekommt eine Europäische Kulturhauptstadt. Große Hoffnungen auf den Titel macht sich St. Pölten. Die initiierende niederösterreichische Plattform „KulturhauptStart“ möchte dabei aus den Fehlern und Erfolgen von Linz09 lernen und hat die Kulturplattform Oberösterreich (KUPF) um Expertise gebeten.
In Folge wurde eine achtköpfige Delegation aus St. Pölten zu einem „Linz-Wandertag“ eingeladen und mit KulturexpertInnen zusammengeführt. Der Linzer Kulturdirektor Julius Stieber, Linz09-Musikchef Peter Androsch, die RAUMschiff-Macherinnen Renee Chvatal und Katharina Kloibhofer, der Kulturunternehmer Wolfgang Preisinger, Stadtwerkstatt-Künstlerin Tanja Brandmayr, Keplersalon-Chef Norbert Trawöger, der Soziologe Thomas Philipp und die Netzaktivistin Uschi Reiter stellten sich den Fragen der St. Pöltner Kulturschaffenden und vermittelten unterschiedliche Bilder zur Kulturhauptstadt Linz09.
Als „Reiseleiter“ fungierte der Linzer Kulturschaffende Klemens Pilsl, ehemaliger Projektleiter des Linz09-Projekts „Ruhepol“ und Aktivist der Linzer KAPU. Er führte die interessierten NiederösterreicherInnen durch Linz, unter anderem in den Kepler Salon, die Stadtwerkstatt oder in die Galerie Memphis und moderierte die zahlreichen Gespräche.
So unterschiedlich die verschiedenen Linzer KulturexpertInnen Linz09 auch bewerteten, einen gemeinsamen Standpunkt teilten alle: Regionale Kulturschaffende sollten sich wenig Hoffnungen auf nachhaltige Verbesserungen ihrer Arbeitsbedingungen machen. Eine Kulturhauptstadt sei kein Kunstfördertopf, sondern ein millionenschweres Werkzeug zur internationalen Neupositionierung von Städten. Dies biete aber auch Kulturschaffenden Chancen für kritische Interventionen und Projekte.
„Die Erfahrung von Linz09 ist klar, dass eine Kulturhauptstadt keinesfalls ein Garant für kulturelle Nachhaltigkeit ist. Wir wollen die St. Pöltner aber ermutigen, sich möglichst lautstark für viel Transparenz, BürgerInnenbeteiligung und kritisches Kulturschaffen im Rahmen einer etwaigen Kulturhauptstadt einzusetzen.“ erklärt die stv. KUPF-Geschäftsführerin Verena Humer. Klemens Pilsl ergänzt: „Kulturhauptstadt ist kein Tourismus-Event, sondern im Idealfall eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur vor Ort. Internationale Projekte dieser Größenordnung erlauben es, uns durch die Augen der anderen zu sehen. Ziel muss sein, unser Zusammenleben lebenswert und zukunftsfähig zu gestalten.“
10 Jahre Linz09
In Linz ringt die Politik nach wie vor um eine Position zum Kulturhauptstadt-Abenteuer „Linz09“ vor zehn Jahren. Rote und schwarze StadtpolitikerInnen geben getrennte Pressekonferenzen mit unterschiedlichen Standpunkten. „Von nachhaltigen kulturpolitischen Visionen für die Zivilgesellschaft ist weder bei den einen noch bei den anderen was zu hören“, ärgert sich Verena Humer (KUPF), „Speziell die stagnierenden oder gar gekürzten Förderungen setzen die Linzer Kulturvereine immer weiter unter Druck. Eine Kulturhauptstadt sollte auch die gesellschaftliche Kultur in den Fokus stellen.“
Resümee aus St. Pölten
„Neben den vielfältigen positiven Eindrücken bleibt für mich auch die Erkenntnis, dass es für eine Kulturhauptstadt eine starke Kultur-Interessen-Gemeinschaft AUS der freien Szene geben muss. Damit Engagement für 2024 nicht übersehen und nach 2024 weiter wirken kann.“
Marlies Eder, Kulturvermittlerin
„Unglaublich spannend zu sehen, wie sehr dieses Projekt 10 Jahre danach noch präsent ist und Lebenswege geprägt hat. Wir versuchen aus den Fehlern von Linz09 zu lernen und an vergangene Ambitionen anzuknüpfen. Mit unserem Engagement wollen wir auch den engagierten BürgerInnen in St. Pölten Gehör verschaffen und einen positiven Beitrag für Kultur und Zusammenleben in unserer Stadt leisten.“
Klaus-Michael Urban, Obmann KulturhauptSTART