Nach vier Jahren hat Gerald Raunig die IG Kultur Österreich als Obmann verlassen. Aus diesem Anlass führte die KUPF-Zeitung mit Bernhard Amann, schon langgedientem Vorstandsmitglied und jetzt Obmann, und Rubia Salgado, neue IG-Vorständin und Obmann-Stellvertreterin, ein Interview zur weiteren Entwicklung der Bundes-Interessenvertetung.
KUPF: Ihr beide arbeitet auf verschiedenen Ebenen der Kulturpolitik und der Kulturarbeit. Bernhard: Ich veranstalte gemeinsam mit Jugendlichen und KünstlerInnen jedes Jahr das internationale Transmitterfestival in Vorarlberg und daneben bin ich in der Drogenarbeit und im Jugendzentrumsdachverband tätig. Ich definiere mich als jemand aus dem soziokulturellen Bereich. Mir ist die Verschränkung von “Pädagogik und Kunst“ ein sehr wichtiges Anliegen und darum ist für mich beispielsweise die Drogenarbeit oder Drogenpolitik genauso Teil meines kulturellen Verständnisses wie auch Aktionskunst.
Rubia: Auch ich bin in einen ähnlichen Bereich gelangt, im Rahmen meiner Tätigkeit als MigrantIn innerhalb einer Migrantinnenorganisation. Da hat sich diese Tätigkeit im Rahmen von Kulturarbeit entwickelt und so haben wir auch innerhalb von MAIZ die Notwendigkeit erkannt, auf der kulturpolitischen Ebene tätig zu sein. Seit einiger Zeit bin ich bei der KUPF, wirke bei FIFTITU% mit. Und jetzt eben die IG Kultur.
Was sind eure persönlichen Schwerpunkte innerhalb der zukünftigen Arbeit in der IG Kultur Österreich? Rubia: Für mich ist ganz klar, dass ich mich zunächst auf die Thematik der Präsenz von MigrantInnen im Kulturbereich konzentrieren werde.
Bernhard: Ich sehe den Schwerpunkt, nachdem sich die IG unter Obmann Raunig konsolidiert hat, in Richtung Kulturpolitik, weil ich glaube, dass die traditionellen Parteien allesamt in einer Krise sind. Inhaltliche Diskussionen sind überhaupt nicht mehr gefragt – und da haben wir auch Verantwortung, eine gesellschaftliche und kulturpolitische Diskussion voranzutreiben, um die Akzeptanz, Wichtigkeit und Notwendigkeit kultureller Aktivitäten zu zementieren und für andere PolitikerInnen zugänglich zu machen. Ich denke, das ist auch eine therapeutische Angelegenheit.
Du hast Gerald Raunig erwähnt, er steht als ehemaliger Obmann der IG auch für den Schwerpunkt der theoretischen Auseinandersetzung. Wie wird es mit der Theorie weitergehen? Bernhard: Ich habe persönlich die IG Konferenz “transversal“ (siehe S. 10, Red.) besucht und nachvollziehen können, was inhaltlich stattgefunden hat. Ich habe allerdings festgestellt, dass fast keine KulturveranstalterInnen da waren. Vielleicht weil unsere Klientel praktische Sorgen hat und immer wieder ums Überleben kämpft. Darum denke ich, dass wir neben dem theoretischen Background, den Leuten auch vermitteln müssen, dass wir für sie da sind und wir daran arbeiten, dass sich ihre Situation verbessert. Also auch neue Arbeitsschwerpunkte, die zur Förderung und Entlastung der KulturveranstalterInnen beitragen.
Rubia: Ich bin sehr dafür, dass versucht wird, einen Kreis zu schaffen: zwischen Theorie, Praxis, Theorie, Reflexion und Praxis. Dieser Prozess muss ermöglicht werden und die Leute die bei der IG sind, sollen dabei sein. Das wäre sehr schön. Bernhard: Voraussetzung, dass das verstanden wird, ist natürlich auch kontinuierliche Auseinandersetzung. Im Bereich der Qualifikationen hat noch einiges zu geschehen. Wir haben begonnen eine KulturarbeiterInnenausbildung zu kreieren, aber momentan ist dafür sehr wenig Bedarf.
Du sagst Basis. Auch für die KUPF ist es nicht immer leicht, direkten Kontakt mit den vielen Mitgliedsvereinen zu halten. Das ist doch ungleich schwieriger für eine Bundesorganisation? Bernhard: Ja, das ist richtig. Natürlich können wir nicht direkt alle “bedienen“. Wir müssen darauf schauen, dass sich bundesweit und auch in den Ländern einiges entwickelt in Sachen Kulturförderungen und Akzeptanz der Kultur. Dadurch ist natürlich eine Kommunikation mit den politischen Institutionen und Gremien sowie Einzelpersonen nötig. Die IG Kultur Österreich ist aber auch eine Eingreiftruppe wie die “untouchables“: Wenn’s irgendwo brennt, intervenieren wir auch vor Ort. Es ist ja nicht überall so wie in Oberösterreich, es gibt auch weiße Flecken der Ländervernetzung, und die können sich nur direkt an die IG Kultur Österreich wenden. Wir haben im Büro in Wien ein sehr kompetentes Team, das wirklich auch darauf schaut. Ich denke, je mehr man/frau mit den Betroffenen in Kontakt bleibt, desto weniger wird man entfremdet und abgehoben.
Rubia: Ich hab mir auch Gedanken gemacht, wie Kontakt zu schaffen wäre und wie man die Basis erreicht und in die Arbeit involviert. Diese Frage stellt sich jede Organisation, egal ob Kulturinitiative, KUPF oder IG. Bezüglich MigrantInnen denke ich, dass wir da auch bei der kommenden Klausur der IG noch nach Strategien suchen müssen.
Wir haben seit gut 2 1/2 Jahren eine schwarzblaue Regierung, die gerade am Anfang ganz massiv aus dem Kunst- und Kulturbereich kritisiert wurde. Dieser Widerstands-Hype ist vorbei und vieles ist Alltag geworden. Was hat sich für Kunst und Kultur zum Negativen verändert oder gibt es ohnehin eine Kontinuität der Verschlechterungen auch bei den vorgehenden Regierungen? Bernhard: Also eines muss ganz klar gesagt werden: Einschneidende Veränderungen in der Kunst und Kulturpolitik waren die Folge. Aber dieser Prozess geht ja schon länger. Ich sehe es in erster Linie als Krise aller politischer Parteien. Ich denke mir, mit guter Oppositionspolitik kann man einiges bewirken. Aber da sind offensichtlich die Gräben einfach schon zu tief. Wenn ich die Programme der Parteien anschaue, sehe ich nichts Neues. Es ist immer wieder dasselbe von mehr oder weniger denselben. Für mich wäre es wichtig, dass diese Systeme in Frage gestellt und vielleicht mal Visionen und Konzeptionen entwickelt werden, wie eine andere Politik ausschauen könnte. Letztes Jahr war ich mit Van der Bellen auf einem Podium, es war eine Katastrophe. Im Bereich Kunst und Kultur wissen die Parteien und politischen VertreterInnen nichts. Das ist die eigentliche Krise. Was hier von allen Parteien abgewappelt wird, ist eine Teletubbyverdichtung. Das find ich einfach traurig.
Sind die Wahlen 2003 Thema für die IG Kultur? Rubia: Ja, das wird ein notwendiger Schwerpunkt! Ich sehe das auch als Funktion und Aufgabe von Organisationen wie der IG Kultur. Als Selbstverständlichkeit, dass hier Positionen bezogen werden, dass hier in der Öffentlichkeit diese Positionen vermittelt werden und dass auch direkt an die Parteien und PolitikerInnen.
Welche Inhalte wird die IG zur Debatte stellen? Bernhard: Konkret ist natürlich das Faktum, dass die gesamte Gesellschaft und das Parteiensystem mehr und mehr auf Repression setzt, dass es überhaupt nicht mehr in Richtung einer offenen Gesellschaft geht, dass die Stigmatisierung stärker denn je stattfindet, im sozialen wie kulturellen Bereichen. Nicht auf Auseinandersetzung und Diskussion wird gesetzt, sondern eher auf Gesetze, Repression, Verbot und wieder Tabus. Und hier müssen wir Diskussionen und Konzeptionen entwickeln in Richtung offener Gesellschaft. Und in diesen Bereichen versuchen, andere Lösungsmöglichkeiten sozialer und kultureller Probleme zu erreichen.
Innerhalb der Kulturszene gibt es sicherlich manche, die die Hoffnung hegen, dass mit einer Abwahl einer schwarz-blauen Regierung alles wieder besser wird für Kunst und Kultur. Rubia: Da kann ich eigentlich nur lachen! Es ist ein tragischer Zustand, dass es in Österreich und in Europa Tendenzen nach Rechts und zum Rechtsextremismus gibt. Aber Tatsache ist – und das sehen die, die tagtäglich damit zum tun haben -, dass es vorher unter den SozialdemokratInnen nicht viel besser war.
Bernhard: Man/Frau sieht auch wie in Deutschland die rot-grüne Koalition abwappelt. Da hat sich ja im Grund nichts verändert. Die verstehen Politik als Verwaltung von Gesetzten und das ist natürlich schade, da Rot-Grün eine einmalige Chance gewesen wäre. Natürlich gibt es grüne demokratische Elemente und manche wollen alles anders machen. Aber die Politik momentan reagiert nur und agiert nicht. Da ist man/frau immer einen Schritt hinten.
Um Politik zu entwickeln, braucht es einiges an Kooperationen. Mit wem kooperiert die IG Kultur Österreich? Bernhard: Es ist so, dass die IG mit den IG AutorInnen, den Filmschaffenden, mit diversen Verbänden sowie der EFAH (Vernetzung auf Europa-Ebene, Red.) zusammenarbeitet. Ich bin ja der Meinung, dass wir uns zwei oder drei Schwerpunkte setzen und die dann wirklich durchziehen sollten, anstatt dass wir 100 Aufgaben machen und keine richtig abschließen, nachher dann Frust haben und gleich jammern wie die Opposition in Österreich. So soll’s ja nicht sein! Aber für mich gibt es PartnerInnen en masse, die Frage ist, in welchem Thema setzten wir uns fest und wo sind dann die PartnerInnen. Auf Kunst- und Kulturebene passiert das auf alle Fälle, da macht viel das Büro und im Speziellen Gabi Gerbasits, und das ist auch für uns als Vorstand der Vorteil, weil uns das sehr entlastet.
Rubia, du hast MigrantInnenkultur als ein wichtiges Thema für die IG Kultur angesprochen, gibt’s da für dich Überlegungen, wie auch Kooperationen entwickelt werden können? Rubia: Was ich mir hier erwarte, ist, dass über die IG Kultur Möglichkeiten zu Allianzenbildung entstehen. Natürlich kann der Vorstand selbst nicht viel bewirken, wenn dieser Prozess der Zusammenarbeit und Allianzenbildung fehlt. Der Versuch ist es auf jeden Fall wert, und wir müssen dann sehen, ob wir hier Kontakte herstellen können, eine Auseinandersetzung initiieren können und Vorschläge und Strategien finden.
Andi Liebl Andrea Mayer-Edoloeyi
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