Grace Marta Latigo schreibt was „die Krone“ verschweigt.
Ich bin in der ehemaligen Tschechoslowakei geboren und habe noch die slowakische Staatsbürgerschaft. Mein Mutterland ist die Slowakei, mein Vaterland Uganda (Ostafrika). In politischer Korrektheit bezeichne ich mich somit als Afro-Europäerin. Um meinen Lebensstil näher zu erläutern, hier etwas zu meiner Person: ich bin auf keinen Fall nett, brav oder angepasst. Mein Lebenselixier heißt „Selbstironie“.
Ich lebe seit 21 Jahren in Österreich. Nach 12 Jahren wurde ich für 7 Jahre illegalisiert. Ich durfte plötzlich nicht mehr arbeiten, verlor mein Selbsterhalterstipendium, meine Krankenversicherung und musste mich verschulden. Auf die Frage, warum man mir soviel Zeit gestohlen hat, bekam ich nie eine menschliche Antwort. Immer nur Verweise auf Paragraphen. Dass meine Eltern österreichische Staatsbürgerinnen sind, ich hier meine Schulausbildungen gemacht und brav meine Steuern bezahlt habe, spielte nie eine Rolle.
Ich werde meine Erfahrungen nicht genauer beschreiben, kann aber dazu sagen, dass man sich hier mit unglaublichen, geradezu haarsträubenden Ansichten, Einstellungen und Gesetzen herumschlagen muss. Ich habe mich lange genug mit dieser Problematik beschäftigt. Offiziell wird von Familienzusammenführung gesprochen. Was tatsächlich passiert, ist das Gegenteil: im gleichen Haushalt, der gleichen Familie, lebten drei Österreicher und zwei Slowaken. Es war ein Anschlag auf unsere Familie und unsere Privatsphäre.
Eine ganz wichtige Rolle spielt die Tatsache, dass ich nicht vorbestraft bin, aber trotzdem tagtäglich mit dem Vorurteil, kriminell zu sein, konfrontiert werde (z.B. durch unbegründete, demütigende Ausweiskontrollen). Wenn mann/frau so etwas nicht am eigenen Leib erlebt hat, ist es schwer nachvollziehbar. Am Anfang, das war 1992, habe ich es gar nicht wahr haben wollen. Ich dachte mir, das wird schon, aber nein, es wurde schlimmer. Wie eine Lawine. Da meine Leidenschaft die Surrealistinnen sind, fühlte ich mich wie in einem verfilmten Albtraum. Ich hatte flashbacks in die Vergangenheit. Plötzlich roch ich den Gestank des Faschismus. Ich begann mit einer politischen Analyse. Es ist ein scheußliches Gefühl erkennen zu müssen, zur Menschin der dritten Klasse degradiert worden zu sein. Horror! Wobei wir bedenken müssen, dass ich keine unbegleitete Flüchtlingsjugendliche war, auch komme ich aus keinem Kriegsgebiet, und mich zwang auch niemand zur Prostitution. Ich war eine privilegierte Illegale. Es wird mir trotzdem immer noch schlecht, wenn ich an die Angst denke. Meiner Meinung nach sind die Angst und der Stress für die Betroffenen die schlimmsten Begleitzustände. Es macht krank. Die Umgebung kriegt davon nichts mit. Manchmal frage ich mich: „Wie oft kann man einen Menschen missbrauchen?“
Letzten Monat leitete ich den Workshop: „Über die Grenzen – Afrika begegnet Österreich“. Das ist ein kultur-pädagogisches Projekt gegen den Rassismus. Ich erzählte den Jugendlichen über die Folgen der Kriege. Plötzlich brach ein Mädchen aus Bosnien in Tränen zusammen. Wir gingen in einen Nebenraum. Sie vertraute mir ihre Geschichte an. Dieses Kind war dreifach traumatisiert: Krieg, Missbrauch und Ausgrenzung.
Die PolitikerInnen erfanden die glorreiche Idee „Integrationsvertrag“! Es wird immer gerne über das Wort Integration geredet. Es bedeutet soviel wie Eingliederung in ein größeres Ganzes. Was statt dessen passiert, ist Ausgliederung durch Gettoisierung und Assimilationsdruck. Mein Visum bekam ich am Freitag, den 13. August 1999. Damit war ich nach 19 Jahren wieder ganz am Anfang. Vor dem Gesetz frisch eingewandert. Es fehlen mir nur 5 Jahre, dann darf ich österreichische Staatsbürgerin werden. Nach einem Deutschkurs, versteht sich.
Eure Grace Marta Latigo