Einige einschließende Gedanken zur Definition Freier Kulturarbeit von Stefan Haslinger .
Neulich im Zug Wels – Wien. Das sitze ich so und lese. Mein Gegenüber betrachtet mich eine Weile. Plötzlich tippt er an den Buchdeckel und fragt wie das jetzt so sei mit den Studiengebühren für uns Studenten und Studentinnen. Verwirrt erwidere ich, dass ich nicht zum betroffenen Personenkreis zähle, sondern vielmehr als Kulturarbeiter tätig bin. Große Fragezeichen umwölken das Haupt meines Gegenübers. KulturArbeiter? Was er sich denn darunter vorzustellen habe. Und ich erzähle von der Arbeit im Kulturverein, den Veranstaltungen, Projekten, Diskussionen usw. In meiner Euphorie rutscht mir heraus, dass ich das Tätigkeitsfeld der Freien Kulturarbeit für eines der spannendsten und erweiterbarsten halte. Die vorerst an normale Wimmerl gemahnenden Fragezeichen, wachsen sich zu Folikeln aus. Freie Kulturarbeit? Wer? Was? Wie? Und vor allem “Wieso?“
So erstunken und an den Haaren herbeigezogen diese Episode auch ist, so zielsicher trifft sie den Kernpunkt des Problems, dessen wir uns – als TrägerInnen – der Definition Freier Kulturarbeit gegenübersehen. Freie Kulturarbeit ist nicht fassbar. Trotzdem liegt eine Definition vor. Und das ist nur einer der Widersprüche die geklärt werden müssen.
Die Undefinierbarkeit Freier Kulturarbeit wird von jenen postuliert, die sich auf die Vielschichtigkeit der Ausdrucksformen beziehen. Doch die Frage ist, ob alleine die Ausdrucksform zur Festschreibung genügen kann? Ob es nicht doch um ein “mehr“ geht? Die Intention hinter der Definition war niemals die Vielfalt in Frage zu stellen, sondern das Bedürfnis den gesellschaftlichen und politischen Stellenwert Freier Kulturarbeit zu manifestieren. Dieser Stellenwert ist als Selbstverständlichkeit im Bewusstsein der ProtagonistInnen verankert. In Hinblick auf die Schaffung bzw. Erreichung einer “Gegenöffentlichkeit“ muss dieses Bewusstsein aber an die Öffentlichkeit gebracht werden. Das “Manifest“ setzt die Worte “frei“ und “muss“ nebeneinander. Zwei Worte, die sich im Kern widersprechen. Zwei Worte, die sich aufheben? Vielleicht geht es um ein Ende? Ein Ende des Lavierens, Abwägens, und der Kompromissbereitschaft. Freie Kulturarbeit als Kampfansage, als Kampfbegriff.
Aber! Kampf gegen wen? Nach außen, gegen ein reaktionäres, geschlossenes System der Erhaltung und des Stillstandes. Nach außen gegen eine breite Öffentlichkeit, die freie Kulturarbeit auf den Status der VeranstalterInnen reduzieren möchte. Nach innen aber – und das scheint mir mindestens ebenso wichtig – gegen das eigene Erstarren. Vielleicht ist es ein Kampf gegen die eigene Müdigkeit? Gegen das Abhandenkommen der Lust, als dem Hauptmotor jeder Bewegung.
Die Definition will einen Weg erklären. Einen Weg, der notwendig ist beschritten zu werden, um dem Idealbild Freier Kulturarbeit näher zu kommen. Dieser Weg darf nicht widerspruchsfrei sein. Er darf aber auch nicht durch Kompromisse aufgeweicht werden. Der Pathos, der in diesen Worten mitschwingt, erklärt vielleicht einmal mehr die Schwierigkeit des in Worte Fassens Freier Kulturarbeit.
Aber! Nicht an den Formulierungen sollte gehangen werden. Die Form, die vom Inhalt nicht zu trennen ist, definiert ein Ziel. Das Ziel, Freie Kulturarbeit als Faktor innerhalb der Gesellschaft zu verankern.
Günther Marchner schrieb in der KUPF-Zeitung 89 (12/00) “Der ‘neue kulturelle Sektor’ ist nicht mit Veranstaltungsstätten für zeitgenössische Kunst gleichzusetzen. Kulturarbeit ist nicht identisch mit Kulturvermittlung. Kulturpolitik ist mehr als Kunstförderung.“ Dieser Satz war mit ein Ausgangspunkt für die Kupf, an eine Definition Freier Kulturarbeit heranzugehen. Dieser Satz und die Gefahr des Verlustes des Definitionsmacht. Bewirkt werden soll durch die Definition und die Diskussion darüber ein neues Selbstverständnis Freier Kulturarbeit. Ein Weg aus der Schwammigkeit des Begriffes. Längst nicht endgültig ist die vorliegende Fassung, sonder ständigen Diskussionen und Abänderungen unterworfen. Und! Damit bleibt sie lebendig, so wie es Freie Kulturarbeit auch ist.