In seiner nun auch als Buch erschienenen Diplomarbeit “Kulturpolitische Strategien der FPÖ und die Hegemonietheorie nach Antonio Gramsci“ an der Linzer Kepler-Uni, spürt Andre Zogholy der Gramsci-Rezeption durch die Neue Rechte nach und befördert Amüsantes und Schauriges zu Tage.
Der von dem Amerikaner Samuel Huntington 1993 vorrausgesagte – oder sollte man hier besser “ausgerufene“ schreiben – Kampf der Kulturen, in dem die Frontlinien zwischen Gut und Böse, demokratisch und diktatorisch, entlang ethnisch-kultureller Grenzen verlaufen werden, mag vielen Menschen durchaus plausibel erscheinen. Die gewaltige Propagandamaschinerie, die nach den Ereignissen des 11. September 2001 angeworfen wurde, um alles zu diffamieren, das nicht amerikanisch, neoliberal und westlich-”zivilisiert“ ist, mag diese Menschen in ihren Einschätzung noch bestärken.
Kultur als etwas Trennendes, ja Unüberbrückbares darzustellen, ist eine Übung, die tief in viele politische Lager reicht. Eine Diplomarbeit an der Linzer Kepler-Universität hat sich nun mit dem Humus beschäftigt, auf dem solche Theorien und (Kampf-)Behauptungen gedeihen: Die Strategien der “Neuen Rechten“. Andre Zogholy, der Verfasser dieser Diplomarbeit, spürt in seiner Arbeit vor allem der Verwendung der Hegemonietheorie des 1937 verstorbenen italienischen Kommunisten Antonio Gramsci durch neurechte Theoretiker nach. Am Beispiel der FPÖ, der rechtsextremen Partei Europas, der es am eindrucksvollsten gelang, die Strategien der “Neuen Rechten“ in breite gesellschaftliche Verankerung und Wahlerfolge umzuwandeln, führt Zogholy vor, wie mühsam sich neue Theorieansätze und (Kampf)Strategien der “rechten Intelligenz“ ihren Weg zu rechten und rechtsextremen (Basis)Gruppen bahnen mussten.
Zogholys Arbeit besteht im wesentlichen aus drei, sehr unterschiedlichen Teilen. Der erste Teil befasst sich mit dem Hegemoniebegriff nach Antonio Gramsci. Dieser Teil ist für Gramsci-EinsteigerInnen sicherlich ein fundierter Schnellkurs in Sachen Hegemonie, Machterringung und -entfaltung. Zogholy bemüht sich hier sichtlich, trotz der gebotenen Kürze nichts Wesentliches auf der Strecke zu lassen. Die Leserin, der Leser sollte sich also auf konzentriertes Lesen einstellen. Die Mühe lohnt aber. Im zweiten Teil stellt der Autor die “Neue Rechte“ vor und wendet das, was wir im ersten Teil bei Gramsci gelernt haben auch gleich an. Dieser zweite (größere) Teil liest sich ebenfalls mit sehr viel Gewinn. Nicht nur weil man Interessantes über die rechtsextreme Szene erfährt, sondern auch weil Zogholy seine Untersuchungen und Ausführungen mit amüsanten Details würzt. Sehr beachtenswert ist die Herausarbeitung des Wechselspiels von Behauptungen (etwa dass es in Österreich eine linke Kulturhegemonie gäbe) und eigener Politik (etwa die Angriffe der FPÖ auf Kulturinstitutionen und KünstlerInnen). Verdienstvoll erscheint mir dieser Beitrag vor allem deshalb, weil man immer wieder auf Menschen stößt, die meinen, diese Anwürfe seien strategielos und nur dem künstlerisch/kulturellen Unverständnis einzelner FPÖ-Mandatare geschuldet.
Zogholy zeigt in seiner Arbeit deutlich auf, welche Versatzstücke rechte Theoretiker sich aus Gramscis Theoriegebäude entlehnt haben und wendet diese Beschreibungs- und Erkenntniswerkzeuge auch auf die Kulturpolitik der FPÖ an. Zogholy beweist in diesem Wechselspiel, dass ihm die Theorien und Begrifflichkeiten Gramscis weitaus vertrauter sind als den Freiheitlichen Kulturkämpfern. Es macht eine rechte Freude, Zogholy beim Sezieren rechter Kulturstrategien zuzusehen. Sehr lehrreich und kurzweilig liest sich so manches Zitat rechter Vordenker, die schier an der Engstirnigkeit und Begriffsstutzigkeit ihrer Schäfchen zu verzweifeln drohen.
Damit es uns aber nicht zu wohl wird, bereitet Zogholy diesem Amüsement mit literarischen Kostproben rechter Theoretiker und Vorkämpfer (Andreas Mölzer und Gerd Honsik) ein jähes Ende. Die stille Freude darüber, mit welcher Mühsal man als rechter Vordenker beladen ist, wenn man versucht, seinem Fußvolk ein paar neue Gedanken in die Gehirne zu pflanzen, weicht dem blanken Entsetzen über soviel Menschenverachtung. Eine Reaktion, die von Zogholy wohl intendiert ist.
Der dritte Teil der Arbeit besteht aus ExpertInneninterviews, die diese Arbeit mehr als abrunden. Hier bekommt man auch tiefere Einblicke in Denkweisen rechter Theoretiker, linker Künstler und von FPÖ-Angriffen Betroffener.
Andi Wahl
Andre Zogholy: Kulturpolitische Strategien der FPÖ und die Hegemonietheorie nach Antonio Gramsci Universtitätsverlag Rudolf Trauner; ISBN3-85487-336-0/2002; ca. 20 Euro
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Netz-Zeitung [prairie|http://www.prairie.at]
Ein ausführliches Interview mit Andre Zogholy findet sich [hier|http://www.prairie.at/ressorts/kultur_barbarei/artikel/20020321170813]