Das Forum Interkulturalität, ein seit etwa zwei Jahren bestehender Zusammenschluss von oberösterreichischen MigrantInnenvereinen und Einzelpersonen, hat kürzlich einen Forderungskatalog für MigrantInnenrechte vorgelegt. Dieses Papier, das sich an Gesetzgeber und öffentliche Verwaltung wendet, wird sich in Hinkunft wohl als Meilenstein in der “AusländerInnendebatte“ erweisen.
Der Umgang mit AusländerInnen hat hierzulande eine wesentliche Verschärfung erfahren. Die Zeiten, in denen sich Österreich noch als Asylland definierte, oder gar die große Hilfsbereitschaft, die Herr und Frau Österreicher an den Tag legten, als 1956 über 180.000 Menschen aus Ungarn flüchteten, erscheinen vor dem Hintergrund der heutigen Asylpraxis und Ausländergesetzgebung als Mären aus grauer Vorzeit(*). Seit Ende der 1980er Jahre strebten vor allem SozialdemokratInnen und Freiheitliche danach, die ausländerfeindlichste Partei zu sein. Als Reaktion auf die rabiate Kehrtwende in der Ausländerpolitik entstand in den frühen 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts eine Bewegung, die rückblickend als “moralischer Antirassismus“ bezeichnet werden kann.
Dieser moralische Antirassismus à la Lichtermeer und SOS-Mitmensch, betrieben von wohlmeinenden ÖsterreicherInnen, verliert aber immer mehr an Bedeutung. An seine Stelle tritt die Selbstorganisation und Selbstermächtigung von MigrantInnen, für ihre Anliegen einzutreten. Auch das Bild des bescheiden um ein paar Rechte bittendenden Migranten, der sich bereitwillig als folkloristischer Aufputz für allerlei Anlässe einsetzen lässt, wird bald der Vergangenheit angehören. Die neue MigrantInnenbewegung zeichnet sich durch Sturheit, Unduldsamkeit, Selbstvertrauen, Witz und Aggressivität aus.
In diesem Wandel der MigrantInnen vom politischen Objekt zum handelnden Subjekt markiert der nun der Öffentlichkeit vorgestellte Forderungskatalog einen wichtigen Meilenstein. Das Forum Interkulturalität fordert nämlich um nichts weniger, als die Einsetzung von Migrantinnen und Migranten in alle bürgerlichen Rechte und ihren Anteil an politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen gemäß ihrer Stärke an der Bevölkerungszahl.
Mit seinen kulturpolitischen Forderungen geht das Forum Interkulturalität noch einen Schritt weiter. Hier wird “eine kulturpolitische und förderpolitische Bevorzugung der kulturellen Betätigung von MigrantInnen“ gefordert, um die herrschenden Ungleichheiten möglichst rasch abzubauen. Ich selbst durfte (vor etwa zwei Jahren) dabei sein, als Landeshauptmann Dr. Pühringer erstmals mit diesem Gedanken konfrontiert wurde. Ihm sträubten sich sichtlich die Nackenhaare und er war so perplex, dass er zu einem Zitat Adenauers Zuflucht nehmen musste. Dieser hat, laut Pühringer, einmal gemeint, dass die Politik den Menschen voranschreiten müsse, aber eben nur soweit, dass sie von den Menschen nicht aus dem Blick verloren werde.
Der Forderungskatalog des Forums Interkulturalität kann, so die Politik überhaupt gewillt ist, sich in diese Richtung zu bewegen, ein bedeutender Schrittmacher in Marschrichtung Menschenwürde bedeuten.
Mittlerweile sind die MigrantInnenorganisationen zu einer bedeutenden oppositionellen Kraft in Österreich geworden, die sich nicht in Abwehrkämpfe gegen neoliberale Deregulierung vergraben muss, sondern offensive Politik und Interessensvertretung betreibt. An dieser, sich noch weiter formierenden gesellschaftlichen Kraft, wird in absehbarer Zukunft keine politische Gruppierung mehr vorbei können (wie auch immer die jeweiligen Reaktionen darauf ausfallen werden).
Andi Wahl
Forderungskatalog für MigrantInnenrechte
(*) Österreich genoss bis Ende der 1980er Jahre international hohes Ansehen als asylgewährender Staat. Besondere Hilfsbereitschaft legten ÖsterreicherInnen vor allem bei der Ungarnkrise (1956), als 180.432 Personen nach Österreich flüchteten, und nochmals 1968 (Niederschlagung des Prager Frühlings, rund 160.000 Flüchtende) an den Tag.