Sie stehen vor einer Sponsorenwand, voll mit Logos bekannter Beauty-Marken. Sie schauen traurig drein, umarmen sich selbst oder drücken ihre Bauchfalten zusammen. „I suffered from Body Image.“ „I suffered from self-doubt.“ „I suffered from depression.“ Das sind die Untertitel eines auf Twitter kursierenden Videos. Darin inszenieren sich bekannte deutschsprachige Influencer*innen bei einem Event, das vordergründig Mental-Health-Themen beleuchten soll. Die Botschaft am Ende: „STOP IT! Love yourself.“ Im Hintergrund gibt es die passenden Produkte, um diese Selbstliebe noch zu stärken, praktischerweise schon dazu.
Angeblich sollen diese Events, die beteiligten Influencer*innen und damit die reichweitenstarke Verbreitung dazu beitragen, psychische Erkrankungen zu enttabuisieren. Ganz nach dem Motto: Besser irgendwie darüber reden als gar nicht. Das mag vielleicht ein wenig stimmen – denn das Tabu existiert leider weiterhin. Doch die Ausführung ist zutiefst problematisch. Warum? Die Botschaft des neoliberalen Empowerments steht weiterhin unhinterfragt über allem. Unfaire Strukturen, ungleiche Machtverhältnisse, das kapitalistische System, das uns überhaupt erst (psychisch) krank macht – all das wird durch genau solche liberal durchgewaschenen Selbstliebe-Messages und deren schamlose Vermarktung nicht thematisiert. Schließlich beruht der finanzielle Erfolg solcher Marketing-Schmähs auf genau diesen krankmachenden Strukturen.
Vom vermeintlichen Aktivismus so mancher Influencer*innen bleibt am Ende irgendwie doch nur heiße Luft übrig. Und im besten Fall mehr Geld auf ihren Konten. Wir erinnern uns etwa an die Social-Media-Kampagne der Österreichischen Gesundheitskasse, bei der österreichische Instagram-Stars bei Yogaübungen gegen Depressionen in die Kamera lächelten. Tabus wurden hier keine gebrochen. Ganz im Gegenteil: Die Verantwortung wurde erneut auf die individuelle Ebene geschoben, also auf Menschen, die von psychischen Erkrankungen betroffen sind. Und das aus der Tasche der ÖGK, also mit dem Geld der Versicherten selbst. Ein zynischer Kreislauf. Die Junge Linke startete übrigens daraufhin eine Petition mit dem Titel Gratis Psychotherapie statt Cash für PR-Industrie. Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.