Vom Urteilen und Rückmelden

Aliette Dörflinger zeigt Wege zu einer wertschätzenden Kritik.

In Kunst und Kultur ist Kritik weit verbreitet. Fast alles wird bewertet und verglichen: beim Erlernen von Fähigkeiten in Workshops oder im Unterricht; bei Live-Auftritten in Form von Applaus oder Buh-Rufen; in Medien, etwa in Form von Rezensionen. Kritik kann dabei ambivalent betrachtet werden: Zum einen stellt sich die Frage, warum das System Kunst und Kultur nicht ohne die ständigen Wertungen existieren kann. Andererseits kann Kritik, wenn alle Beteiligten über eine gute Kritikfähigkeit verfügen, ja auch etwas Gutes sein: Sie gibt Orientierung, setzt Qualitätskriterien, regt Diskussionen an.

Wenn Kritik geäußert wird, ist sie üblicherweise mit Negativem assoziiert. Konstruktive Kritik ist etwas, das explizit so genannt werden muss, damit klar ist, dass sie auch etwas Positives miteinschließt. Die Verwendung des Begriffs „Feedback“ hat eine positivere Konnotation, ist aber auch weniger „stark“ als eine Kritik. Schwierig wird es, wenn die Grundlage der Äußerung der Kritik – seien es rationale und/oder emotionale Aspekte – nicht eindeutig ist. Das, was eine Kritik oftmals ausmacht, ist genau eine Mischung von Rationalem und Emotionalem, persönlichem Geschmack und Befindlichkeiten, gepaart mit Qualitätskriterien und verschiedenen Maßstäben. Auch die Absicht der Kritik ist oft unterschiedlich, je nachdem wer die Kritik ausübt: Sind es Fördergeber*innen, Journalist*innen, Publikum, Kurator*innen, Leiter*innen, Politik, peers, Studienkolleg*innen, Lehrende?

Umso spannender ist es, sich die Frage zu stellen, wie die Äußerung von Kritik alle Beteiligten anregen kann, besser in Austausch zu treten. Ziel von Kritik sollte sein, allen Beteiligten eine Lernerfahrung und Weiterentwicklung zu ermöglichen und einem freien und kreativen Schaffenswillen nicht im Weg zu stehen. Die Betrachtung der „wertschätzenden“ Kritik macht hier einen spannenden Gedankenraum auf. Sie unterscheidet sich von der rein „positiven“ Kritik dadurch, dass sie in der Kommunikation zwischen Form und Inhalt differenziert: Worauf wird Bezug genommen, wenn etwas ausgesprochen wird (Beobachtung)? Was wird ausgedrückt (Bewertung)? Wie wird es gesagt (empathische Formulierungen) und warum (Kontextualisierung)? Zentral ist, dass im Geben und Nehmen dieser wertschätzenden Kritik Emotionen bewusst wahrgenommen und mit den Gefühlen und Affekten stimmig umgegangen wird. Das hilft, zerstörerische Machtspiele zu vermeiden, eine Stärkung des Selbst zu fördern, und ein respektvolles Miteinander zu ermöglichen.

Der wertschätzenden Kritik liegt eine Haltung zugrunde, die sowohl Geist als auch Herzensbildung miteinschließt. Die Betrachtung des Kommunikationsflusses ist dabei prozessorientiert: Handlungen anderer werden bewertet, aber mit Bezug auf die eigenen Gefühle und Bedürfnisse (d.h. mit einer Kontextualisierung der eigenen Meinung) und nicht nur hinsichtlich allgemeiner moralischer (und/oder ästhetischer) Kategorien. Einer solchen Ehrlichkeit steht nichts im Wege, wenn die Übung in der Form der Übermittlung gelingt. Wichtig dabei ist, die Kompetenzen für diese Art des Kritikgebens und -nehmens (weiter) zu entwickeln, und dass alle Beteiligten (d.h. Geber*in und Nehmer*in der Kritik) bereit sind, sich auf diese Form des Austausches einzulassen.