Wir haben bei Kulturtätigen nachgefragt: Welche Rolle spielen Gefühle in der Arbeit in deinem Verein?
Wie hast du dich zuletzt bei deiner kulturarbeiterischen Tätigkeit gefühlt?
Das Glück der Anderen
Von Anja Krohmer / Arcobaleno
März. Der Krieg in der Ukraine tobt und ich plane ein Friedensfest.
Mai. Meine Idee von damals kämpft gegen meine Zweifel von heute. Ich habe Angst, die Rolle als Gastgeberin nicht gut genug zu erfüllen.
Vor Ort dann endlich kleine Glücksgefühle im Bauch, weil das Team ganze Arbeit leistet und alles perfekt vorbereitet ist. Mensch um Mensch strömt in unseren kleinen Innenhof. Die Stimmung ist aufgeregt und entspannt zugleich. Das Musikprogramm beginnt, die Gäste beginnen zu tanzen, fühlen sich frei. Sie feiern sich und das Leben. Gut so! Weiter so!
Alle Bänder der Anspannung reißen und pures Glück flutet meinen Körper. Das Herz klopft, mein Gesicht strahlt. Eine Achterbahn der positiven Gefühle rauscht permanent durch mich hindurch.
Die Dankbarkeit der Besucher*innen lässt mein Glück auch nach dem Fest weiter strahlen. Das Glück der anderen gibt mir Kraft und motiviert mich für die nächsten Wochen, bis alles von neuem beginnt.
Zulassen
Von Dominik Samassa / Junges Theater Wels
In Theaterproduktionen ist es besonders wichtig, dass es den beteiligten Personen „gut“ geht. Alle arbeiten intensiv zusammen und sind Teil eines großen Ganzen. Wenn da ein Puzzleteil fehlt, wackelt alles. Für die Zusammenarbeit ist es daher essentiell, sich darüber auszutauschen, wie es einem wirklich geht.
In meiner Arbeit im Jungen Theater gewinne ich immer wieder den Eindruck, dass junge Menschen sich, zumindest bei uns, leicht tun, ihre Gefühle zu kommunizieren und anderen zuzuhören. Sie haben verstanden, dass es ok ist, wenn sie sich einmal wegen Liebeskummer oder eines Schicksalsschlages nicht in der Lage fühlen mitzumachen. Wichtig ist nur zu wissen, dass ihr Handeln und ihre Entscheidungen auch Auswirkungen auf die gesamte Gruppe haben.
Für die Vereinstätigkeit bedeutet das, dass während der Produktionen Platz für Austausch geschaffen werden muss. Wir bemühen uns daher, stets ein offenes Ohr für Probleme zu haben und selbst wertschätzend zu kommunizieren.
Festivalgefühle
Von Mathias Kaineder / o.heimArt Festival
Gefühle spielen in unserer Arbeit eine große Rolle. Das Festivalgefühl auf, hinter, vor und neben der Bühne ist einfach unbeschreiblich. Am Weg dorthin durchlebt man unterschiedliche Gefühlsstadien: Angst, ob man sich mit dem Vorhaben nicht doch zu viel auflädt. Ob genug Besucher*innen kommen. Ob alles glatt läuft. Wut, wenn Dinge nicht so gelingen, wie man sich das vorgestellt hat. Und Überraschung, wenn eine Herausforderung zu Tage tritt, die man auf improvisierende Weise lösen muss. Um Frust vorzubeugen, besprechen wir alles gemeinsam im Team. Da hilft es schon, wenn man die Problemstellungen bei einem gemeinsamen Kaffee oder Bier durchgeht und eine gewisse Distanz dazu entwickelt. Danach wiegen Probleme schon weniger schwer. Am Ende lösen sich die meisten Spannungen in Wohlgefallen auf, sobald die erste Band die Bühne betritt, und sich die Magie der Festivalzeit über das Gelände legt.
Leere
Von Silke Drack / TheaterAufstand Wels
„Wann die Musik vurbei is…” – was dann? Der Applaus ist abgeebbt, das Bühnenbild ist abgebaut, die Kostüme sind verräumt. Ich habe mit netten Menschen, die ich kaum kenne, gratis Bier getrunken und gut gegessen, ich habe ganz gute Gespräche geführt, viele Komplimente bekommen, manche haben mich sogar bewundert oder beneidet.
Langsam leert sich dann der Veranstaltungsort, die letzten Gäste sind endlich gegangen, der Trubel und die Aufregung haben sich gelegt. Schlafen gehen wäre wohl vernünftig, ein bisschen den Kopf freibekommen, ein bisschen Ruhe. Aber eigentlich will ich noch weiterziehen, ich will gar nicht, dass es jetzt vorbei ist, dass es jetzt so ruhig ist.
Und dann etwas später bin ich zu hause, wo schon alles schläft oder im Hotel, wo ich allein bin. Und dann stelle ich den Fernseher an, damit die Musik nicht “vurbei is”.