Der Kaktus, der sticht

Josef Stockinger ist seit 2019 Vorsitzender des Oö. Landeskulturbeirats. Mit KUPF OÖ-Geschäftsführer Thomas Diesenreiter spricht er über seinen durch diese Arbeit veränderten Blick auf die Freie Szene, die Kulturpolitik der ÖVP, das Ende der Landesausstellungen und das liebe Geld.

Thomas Diesenreiter: Du bist seit zweieinhalb Jahren Vorsitzender des Landeskulturbeirats. Wie bist du in diesem Gremium angekommen?

Josef Stockinger: Früher habe ich Kultur eher als Sponsor, als Ehrengast und als Konsument kennengelernt. Jetzt habe ich die Chance, gemeinsam mit den Akteur*innen in einem bunten Gremium, einem Querschnitt durch die Kulturlandschaft Oberösterreichs, mitzuwirken. Mir ist bewusst, dass ich dort eher die Rolle eines Moderators habe, also nicht aus dem innersten Kreis der Kulturtätigen komme. Ich glaube aber, dass es uns trotz Corona ganz gut gelungen ist, die Funktion eines Beratungsorgans, eines Sauerteigs für Landeskulturpolitik, zu erfüllen.

Hat sich dein Blick auf die Kulturszene durch diese Position verändert?

Vor allem habe ich großen Respekt vor der Freien Szene bekommen. Vor denen, die quasi ohne Netz arbeiten müssen. Es ist einfach ein Unterschied, ob man am Monatsende weiß, dass man ein Gehalt überwiesen bekommt, oder ob man schauen muss, irgendwie über die Runden zu kommen – mit Auftritten oder anderen Möglichkeiten sich zu präsentieren. Diese Dramatik, die Kulturtätigen besonders in Corona-Zeiten hart ins Gesicht geblasen hat, habe ich in vielen Gesprächen verspürt. Es ist unter normalen Bedingungen schon schwer und in diesen Zeiten fast unmöglich.

Du stammst aus der Volkspartei. Sorgt dein Einsatz für die Freie Szene manchmal für Irritationen?

Ich habe mich immer eher als suchender und kritischer politischer Akteur gefühlt, auch in meinen Zeiten in der Landesregierung. Neues kann nur aus Reibung entstehen. Es ist wichtig, dass alle Akteur*innen – egal ob Politiker*innen oder Kulturtätige – sich in die Rolle der Anderen hineindenken. Wer das schafft, stellt fest, dass man trotz aller Unterschiede miteinander leben kann. Das ist Vielfalt. Wir sollten stolz sein auf die Kulturlandschaft in Oberösterreich, auch auf die kleinen Pflänzchen. Und auch ein Kaktus, der sticht, ist eine wichtige Pflanze in einem bunten Biotop.

Wie wichtig ist der derzeitigen Landes-ÖVP die Kulturpolitik deiner Ansicht nach?

Thomas Stelzer hatte einen schwierigen Start als Kulturreferent. Zum einen durch die Personalsituation in der Kulturabteilung, wo er dazu beigetragen hat, die vorhandenen Probleme aufzuarbeiten. Wir sind auf dem Weg der Besserung, das höre ich überall – sei es in der Förderabwicklung oder im Offen-Sein in Richtung der kulturpolitischen Akteur*innen. Zum anderen war Corona, wodurch zwei Jahre lang jegliche Bewegungsfreiheit gefehlt hat. Kulturreferent*innen werden übrigens erst am Ende ihrer Funktionsperiode richtig gut, weil mutige Projekte ein gutes Standing brauchen. Das hat man auch bei Josef Pühringer gesehen: Die großen Projekte ist er erst angegangen, nachdem er als Landeshauptmann etabliert war. Nicht immer sind alle kulturpolitischen Ausgaben unumstritten, deshalb braucht es Kulturreferent*innen, die mit beiden Beinen auf dem Boden stehen.

Du hast die Kulturabteilung erwähnt. Welche Verbesserungen gab es in den vergangenen Jahren in der Kulturverwaltung? Wo siehst du noch Potenzial?

Man ist jetzt auf einem guten Weg, denke ich. Bei großen Projekten wurde zuletzt gut vorbereitet und begründet gefördert. In der Vergangenheit wurden der Arbeit der Kulturabteilung nicht immer gute Zensuren ausgestellt, etwa vom Rechnungshof. Das hat unmittelbar dazu geführt, dass es bürokratischer und komplizierter geworden ist. Das wird jetzt Stück für Stück besser. 

Bei kleineren Projekten ist man dabei, unbürokratischer zu werden und Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diese auch jahresübergreifend eine gewisse Planungssicherheit erhalten. Es ist ein zentraler Wunsch des Landeskulturbeirats, dass der laufende Betrieb so weit sichergestellt ist, dass man nicht bei jedem Jahreswechsel bangen muss, ob es weitergeht oder nicht. 

Eines der großen Projekte der Landeskulturdirektion ist der Umbau der Landesausstellungen. Ist der Landeskulturbeirat in die Neugestaltung einbezogen worden?

Die Vorhaben sind dem Landeskulturbeirat präsentiert worden. Ich persönlich glaube, dass der Grundansatz richtig ist. Die alte Form der Landesausstellung ist schon einige Jahre ein Auslaufmodell gewesen. Es ist auch zu viel in Gebäude und zu wenig in lebendige Kulturarbeit geflossen. Jetzt versucht man, bestehende Zusagen an bereits für Landesausstellungen ausgewählte Austragungsorte einzulösen, um das Ganze in ein neues Kleid zu gießen. Schauen wir einmal, was bei den neuen Formaten rauskommt. Ich glaube, das ist ein bisschen ‘Learning by Doing’. Für den Beginn ist das gar nicht so einfach, aber ich glaube, auch dieses Kind muss wachsen können. Man muss ihm Zeit geben, sich entwickeln zu können.

Der Landeskulturbeirat hat auch das Thema Fair Pay immer forciert. Wie ist dein Eindruck, kriegen wir das hin?

Grundsätzlich sind ein Großteil der gesetzlichen Rahmenbedingungen Bundessache. Dahinter steht ein kompliziertes Geflecht aus Sozialgesetzen, sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten und steuerrechtlichen Fragen. Das Land wird im Besonderen dadurch gefordert sein, dass faire Bezahlung bedeutet, dass sich Kulturarbeit und Projekte verteuern. Fair Pay kostet nicht nur Schweiß in der Gesetzesumsetzung, sondern vor allem mehr Geld. Das muss auch bei den Kulturkonsument*innen ankommen, die wissen müssen, dass ein aufwendiger kultureller Abend mehr kosten darf als eine Kinokarte.

Der Landeskulturbeirat hat vorgeschlagen, die Ermessensausgaben um 25% anzuheben. Die Mittel für zeitgenössische Kunst und Kultur sind zuletzt um 10% erhöht worden. Derzeit galoppiert die Inflation davon, die Energiekosten steigen massiv. Siehst du Chancen, dass sich da etwas bewegen kann?

Wichtig ist, dass wir im nächsten Budget einen weiteren deutlichen Schritt machen und am Ende die 25% stehen. Davon gehe ich aus, in diese Richtung gehen auch alle Gespräche, die ich mit dem Kulturreferenten geführt habe. Es gibt klare Signale, dass man Verständnis für diese Forderung hat.