Zwei aktuelle Beispiele aus Salzburg zur Debatte um die Finanzierung der freien Kultur- und Theaterszene. Von Stefanie Rabensteiner und Isabella Zajontz.
Vorhang 1 – Die Akte Mayröcker
Das Salzburger Theaternetzwerk ohnetitel war mit seinem neuen Projekt Akte Mayröcker im Mai 2022 auf Tour. Das Besondere dabei: Gespielt, gelesen, getanzt, gefeiert und musiziert wurde nicht in den bekannten Theatern, sondern überall und das im gesamten Bundesland Salzburg.
Jeden Tag eine Premiere an einem neuen Ort. Insgesamt 170 Künstler*innen widmeten der großen Schriftstellerin Friederike Mayröcker, welche im Juni 2021 verstarb, mit verschiedenen künstlerischen Darstellungsformen eine Hommage an ihre Arbeiten. Experimentelle Autorin trifft auf exzeptionelle Kunst. Die Idee für das Projekt hatte Arthur Zgubic, Mitbegründer von ohnetitel. Das Konzept zur Akte Mayröcker wurde aufgrund des Zeitdrucks innerhalb von zwei Wochen entwickelt. Trotz der verschiedenen Kunstformen, bilden die Stücke eine Art Symbiose. Das betont Sabine Jenichl, ebenfalls im Vorstand von ohnetitel sowie Produktionsassistentin des Projekts: „Man schaut immer, dass es keine einzelnen Stücke gibt, sondern dass sich wirklich ein roter Faden durchzieht.”
Aufgeführt, gelesen, getanzt, gefeiert und vieles mehr wurde unter anderem in Galerien, Buchhandlungen oder im öffentlichen Raum, etwa der Getreidegasse in der Salzburger Innenstadt. Eine Vielfalt, die eine Aufführung im Theater nicht bieten kann. Der logistische Aufwand sei deshalb immens gewesen, dennoch hätten sie diesen ursprünglich noch weitaus höher eingeschätzt, sagt Jenichl. „Die Leute waren hellauf begeistert und haben dann auch gleich einmal Ideen gehabt”, schwärmt sie. Dank engagierter Künstler*innen sei dann alles ohne größere Probleme gelaufen.
Die finanziellen Mittel gingen aufgrund der großen Dimension des Projektes etwas über die üblichen Grenzen von 6.000 bis 8.000 Euro hinaus. Eine grundlegende Jahresförderung gebe es nicht, jedes der Konzepte müsse der Stadt vorgestellt werden, um eine Projektförderung zu erhalten. Gesamt finanziert wurde Akte Mayröcker mit 60.000 Euro. 25.000 Euro kamen vom Bund, 20.000 und 15.000 Euro jeweils von Land und Stadt. Eine spärliche Summe für 31 Premieren mit 170 Künstler*innen.
Vorhang 2 – Advocatus Diaboli
Auch Bülent Özdil bespielte mit seinem Stück Advocatus Diaboli kein eigenes Theater, sondern die Bühnen des Kleinen Theater und des Off Theater Salzburg. Das Stück beschäftigte sich mit der Person Charles Manson, der durch seine Anhänger*innenschaft, die sogenannte Manson Family, am 9. und 10. August 1969 sieben Menschen ermorden ließ.
Der Regisseur spannte mit dieser kontroversen Figur einen Bogen zwischen Rezeption, Reflexion und Meinung, indem die Zuschauer*innen immer wieder angehalten wurden, die eigene Meinungsbildung zu hinterfragen. Bülent stellte im Stück nur die positiven Geschichten von Charles Manson dar und ließ alles Negative weg. Er hat somit nicht das eine und das andere Extrem bedient, sondern nur das eine Extrem und warf am Ende des Stückes die Frage in den Raum: Stimmt das denn überhaupt? Eine Darbietung, die in festen Theaterhäusern in dieser Art und Weise nicht umsetzbar gewesen wäre. Denn die OFF-Szene bietet einen größeren experimentellen Spielraum mit mehr kreativer Freiheit. Feste Theaterhäuser bedienen sich öfter dem Mainstream, da das wirtschaftliche Interesse größer als in der OFF-Szene ist. Man will Abonnent*innen dazu gewinnen, nicht verlieren. Deshalb versucht man auch weniger anzuecken.
Gefördert wurde das Projekt durch Stadt und Land Salzburg. Der Bund unterstützte das Projekt nicht. Özdil war einen Monat lang mit den Dokumenten für die Förderansuchen beschäftigt und bekam zu Beginn nur eine mündliche Zusage. „Du bereitest dann alles vor, hast nur diese mündliche Zusage, das Stück ist quasi produktionsfähig und du hast noch kein Geld. Das ist echt schwierig, weil du teilweise schon viel Geld ausgegeben hast“, schildert der Regisseur die Situation. Insgesamt wurde das Projekt mit 16.000 Euro gefördert. Noch immer weit weg von der Möglichkeit, den Beteiligten Honorare nach dem Fair Pay-Schema zu bezahlen. Das Projekt war dennoch mit der ausgezahlten Summe umsetzbar.
Vorhang zu, Geld her
Akte Mayröcker und Advocatus Diaboli zeigen die Weiterentwicklung innovativer Theaterinszenierungen. Doch so facettenreich die Kulturbranche in Stadt und Land Salzburg inzwischen auch ist – die Umsetzung solcher Projekte muss für die Künstler*innen attraktiver werden, um die Vielfalt in Salzburg zu erhalten oder gar zu steigern. Dafür sind höhere Fördergelder und mehr Unterstützung von Stadt und Bund gefragt. Die Entwicklungen der Fair Pay Initiative – etwa die ersten Auszahlungen an Salzburger Kulturbetriebe – zeigen, dass Veränderungen möglich sind.
Fair Pay hat als Kampagne der IG Kultur Österreich begonnen und hat es als Begriff mittlerweile ins Regierungsprogramm geschafft. Entwickelt wurden etwa Empfehlungen für Gehälter und Honorare im Kunst- und Kulturbereich, sie sind online abrufbar. Das Land Salzburg gilt als Vorreiter der Initiative mit einem Budget von 250.000 Euro im Jahr 2022.