Die schwarz-grüne Koalition im Bund hat erstmals gerechte Bezahlung für Kulturtätige in ihr Regierungsprogramm aufgenommen. Seither wurde oft beteuert, dass „Fair Pay“ bald umgesetzt sein wird. Doch der Weg ist steinig. Von Thomas Diesenreiter.
Seit bald zwei Jahren fragen sich Verwaltung und Politik: Was ist Fair Pay? Was brauchen wir dafür? Und wie kommen wir dorthin?
Die Antworten darauf sind so komplex wie der Kulturbereich selbst. Denn „Fairness“ ist ein abstraktes Ziel mit vielen Unschärfen. Wenn es dabei um Geld gehtibt, stellen sich Fragen wie: Was ist faire Bezahlung? Was zu viel, zu wenig? Für wen? Was ist – für Arbeitgeber*innen (oder so) – überhaupt leistbar?
Das Kulturministerium unter Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer hat im letzten halben Jahr das Gallup Institut beauftragt herauszufinden, wie hoch der „Fair Pay Gap“ tatsächlich ist. Gefragt wurde, wie viel Österreichs Kulturarbeiter*innen und Künstler*innen arbeiten, wie viel sie verdienen und wie viel sie eigentlich verdienen sollten. Als Erhebungszeitraum wurden die Sommermonate gewählt, was der Rücklaufquote genau so wenig dienlich war, wie das umständliche zweistufige Erhebungsverfahren.
Das traurige Ergebnis: Von 792 angemeldeten Organisationen und Personen füllten nur 262 den Fragebogen aus. Der Sozialwissenschaftler und Gründer des Linzer Instituts für qualitative Analysen (LIquA) Thomas Philipp dazu: „Die Ergebnisse sind für den österreichischen Kunst- und Kulturbereich nicht ausreichend aussagekräftig. Die Studienautor*innen schreiben, dass es sich um eine Zufallsstichprobe handle, die keinen Repräsentativitätsanspruch erfüllen könne. Neben dem fehlenden Repräsentativitätsanspruch ist dabei zu bemängeln, dass es sich auch nicht um eine Zufallsstichprobe handelt. Dafür hätte eine Grundgesamtheit an Kunst- und Kultureinrichtungen in Österreich bestimmt werden müssen, aus der dann methodisch angeleitet eine zufällige Auswahl gezogen hätte werde müssen. Stattdessen wurde über verschiedene Wege eine Anmeldung zur Umfrage ermöglicht. Im Klartext: Die Ergebnisse sind für repräsentative Schlussfolgerungen auf den österreichischen Kunst- und Kulturbereich nicht brauchbar.“
Der ursprüngliche Plan, den Fair Pay Gap auch auf einzelne Bundesländer aufzuschlüsseln, musste aufgrund der geringen Rücklaufquote verworfen werden. Das gestehen auch die Autor*innen der Studie selbst ein: „“Wir möchten darauf hinweisen, dass bei Darstellungen in Untergruppen die Basis oft eine sehr geringe ist.“ Überhaupt zeigt die Bundesländer-Statistik eine klare Verzerrung. Während aus Wien 45% der Daten stammen, ist etwa Oberösterreich mit 10% deutlich unterrepräsentiert.
Im Ergebnis konstatiert die Studie einen angeblichen Fair Pay Gap von 21%. Diese Zahl ist sachlich nicht haltbar. So identifizierten sich 6% der Teilnehmer*iInnen als GmbHs, deren Personalkosten mit 48% der Gesamtsumme angegeben wurden. Da bei diesen der Fair Pay Gap nur 2% betrug, verzerrte sich alleine dadurch der berechnete Fair Pay Gap massiv. Wer diese GmbHs sind, bleibt unklar. Es steht der Verdacht im Raum, dass es sich hier um Staatsbetriebe handelt. Das würde die gezogenen politischen Schlüsse weiter verfälschen.
Basierend auf dem Wert von 21% hat Staatssekretärin Mayer angekündigt, jenen Teil des Fair Pay Gaps zu schließen, für den ihr Ministerium „zuständig“ ist.. Dafür wurden die in den dem Ministerium „“vorliegenden” Anträgen genannten Personalkosten summiert und ein Betrag von 6,5 Mio € berechnet. Diesen hat das Ministerium nun für Fair Pay gewidmet.
Weil die Ausgangszahlen falsch sind, ist dieser Betrag eine Farce. Die reale Finanzierungslücke wird verschleiert. Auch das gewählte Vorgehen ist der Sache nicht dienlich. Das Ministerium hat die einmalige Chance verpasst, die Bundesländer in die weiteren Schritte einzubeziehen und die zusätzlichen Mittel als Hebel für Anhebungen seitens der Länder zu verwenden. Es steht zu befürchten, dass sich das Kulturministerium nun auf die Position zurückzieht, seinen Teil geleistet zu haben, und das Thema für beendet erklärt. Der Entwurf des ebenfalls angekündigten „Fairness-Codex“ lässt diesbezüglich Übles vermuten.
Gerade angesichts explodierender Energiepreise, sich beschleunigender Inflation und immer weiter schrumpfender Reallöhne, wäre es Aufgabe der Kulturpolitik, die strukturellen Probleme der Kulturszene Schritt für Schritt zu lösen. Dafür braucht es nicht ein paar Millionen Euro mehr, sondern hunderte. Wenn aufgrund des Kriegs in der Ukraine das Budget des Bundesheeres um fast 50% erhöht werden kann, so sollte dies auch im Kulturbereich möglich sein. Denn, wie sagte die deutsche Kulturstaatssekretärin Claudia Roth? „“Kulturpolitik ist Sicherheitspolitik.“
Quellen: