Das Geschlecht der Kritik ist eine Streitschrift. Ein Aufruf, gegen dieses überholte System anzuschreiben, zu lesen, zu forschen. Alte, weiße Männer mit verstaubten Ansichten nicht länger Türsteher zum Literaturhimmel sein zu lassen. Die Erotisierung von Debütantinnen zu überwinden und Literatur nicht mehr in Wertungshierarchien nach Geschlecht zu besprechen. Und uns zu fragen: Was für einen Literaturbetrieb möchten wir stattdessen haben? Was wäre, wenn wir endlich aus diesen diversitätsfeindlichen Mustern ausbrechen würden? Denn: Literaturkritik hat eine Gatekeeperfunktion. Was nicht rezensiert wird, wird nicht wahrgenommen, nicht gelesen. Literarische Kanons sollten dringend diskutiert und unter Aspekten wie Gender, Race und Class überarbeitet werden. Literaturkritik ist „performatives Männlichkeitsritual“, ist „Ausschluss von weiblichen Texten aus der Sphäre der ‚Hohen Literatur‘“, so Statements im Sammelband Das Geschlecht der Kritik, herausgegeben von Veronika Schuchter und Peter C. Pohl. Analysen wie jene von Gerda E. Moser veranschaulichen das. Moser stellt Literaturtipps in den Zeitschriften Playboy und Bunte gegenüber und weist nach, dass in ersterer kaum Bücher von Autorinnen empfohlen werden. Zudem ist die Zielgruppe der Zeitschrift biologisch männlich gelesene Personen. So entsteht die Vorstellung, es gäbe ein „weibliches Schreiben“ und einen Gegenpol „männliches Lesen“ – auch so funktioniert Patriarchat. Die Studien zur Gegenwartsliteratur (so der Untertitel des Buchs) entlarven die Misogynie in der Literaturkritik. Michael Pilz zeigt in seinem Beitrag, dass sich das Feuilleton in seinen Mitteln, Phrasen und Diskriminierungsformen gegenwärtig bei der Rezensionspraxis des 19. Jahrhunderts bedient. Denkweisen aus einer Zeit, in der denkende Frauen am Schreibtisch unerwünscht waren, werden so noch heute in den großen Tageszeitungen und Literatursendungen reproduziert. Die Lektüre von Das Geschlecht der Kritik macht mich als Autorin wütend. Sie eröffnet aber auch ein diskursives Feld, auf dem Schreibende, Rezensierende und Veranstaltende gemeinsam die Zukunft der Literaturwelt aushandeln sollten.
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