Die Medien und das Geld

Wer generiert TV-Programm im Bundesland Salzburg, wie wird diese Arbeit finanziert und was bedeutet kritische Medienbildung? Alf Altendorf hat recherchiert.

Die Aufdeckung des „System Kurz“ im Oktober 2021 hat zum Rücktritt des türkisen ÖVP-Bundeskanzlers geführt. Die über die Chatprotokolle bekannt gewordene Manipulation der Öffentlichkeit über Inserate, Einschaltungen und Förderungen für regierungsfreundliche Berichterstattung durch die Fellner-Mediengruppe in der Tageszeitung Österreich weckt den Ruf nach einem Neustart der Medienförderung. 

Lage in Salzburg

Blicken wir nach Salzburg und auf seine privaten TV-Rundfunkveranstalter. Neben dem national ausgerichteten Servus TV gibt es nur zwei regionale Sender: das privat-kommerzielle RTS, und das nicht-kommerzielle Community TV FS1. RTS werbefinanziert, FS1 finanziert durch Förderungen. Sollte man meinen. RTS bietet laut Eigendefinition ein „Wohlfühlfernsehen für Land und Leute“ an. „Keine Negativschlagzeilen“ laut Website, und „für die Wirtschaft“, wie RTS-Chef Josef Aichinger ausführt. Und „es funktioniert“, wie es weiter heißt.

RTS, ÖVP und das Geld

Beide Haupteigentümer von RTS sind Ex-ÖVP-Bürgermeister: Josef Aichinger in der Gemeinde Abtenau, Christian Struber in St. Koloman. „Ich habe in der ÖVP keine Funktionen mehr, das ist Vergangenheit“, sagt Aichinger. Es seien alle Parteien auf Sendung, man halte sich aus der Politik raus. Weniger gut funktioniert das Wirtschaften von RTS. Das Firmenbuch weist für 2019 ein negatives Eigenkapital von 300.000 Euro und einen Bilanzverlust von 430.000 Euro aus.

„Alles mein Geld“, betont RTS-Chef Aichinger. Er beziehe nur sein Gehalt, Kapital habe er nie entnommen, vielmehr nur sein eigenes Geld in den Betrieb gesteckt. Entstanden seien die Verluste in den ersten Jahren, heute laufe der Betrieb kostendeckend. Rückzuverdienen seien die Verluste kaum, so die Meinung einer Person mit Bilanzexpertise, die ungenannt bleiben will. War der werbefinanzierte Betrieb eines teuren Fernsehens im ländlichen Raum immer schon schwierig, ist er heute noch schwieriger geworden.

Finanzierung Freier Medien

Community TVs hingegen – wie FS1 in Salzburg, dorf tv in Linz und Okto in Wien –  erhalten Mittel aus dem nicht-kommerziellen Rundfunkfonds (NKRF). Städte und Bundesländer tragen über Kultur- oder Bildungsförderungen weitere Mittel bei. Diese erhalten im Gegenzug: hochwertige, politisch unabhängige Bildungsangebote;  Sender, die freiwillig die Standards des Österreichischen Presserats einhalten; transparente und ökonomisch stabile Medienunternehmen als deren Trägerinnen mit ‘Public Value’ – ein Begriff, der den Wert von Medien für die Gesellschaft einstuft. Dass Public Value für Community Medien zutrifft, wurde 2020 in einer Studie der Regulierungsbehörde RTR belegt.

Veränderung der nationalen Spielregeln

2019 wurde durch Türkis-Blau der Privatrundfunkfonds für Kommerzielle um weitere 5 Millionen auf 20 Millionen Euro angehoben. Davon gingen mehr als 2 Millionen an die Fellners. Profitiert haben auch regionale Kommerzielle. So liegt 2021 die nationale Förderung für RTS mit 220.000 Euro inzwischen fast auf dem seit 10 Jahren stagnierenden Niveau von FS1 mit 240.000 Euro.

Gemeinnützig?

Und im Bundesland? Anfang 2021 gründete RTS einen Bildungsverein Lern.Film.Studio. Geleitet von einer ehemaligen LEADER-Managerin und heutigen RTS-Mitarbeiterin als Obfrau, mit dem RTS-Geschäftsführer als Kassier, dem RTS-Chefredakteur im Vorstand und Sitz am Standort des Senders. Es sei Platz im Büro gewesen, aber sonst sei der Verein unabhängig, teilt RTS mit. Und „gemeinnützig“. Auf Nachfrage, was „Gemeinnützigkeit“ – ein Status, der in Österreich sehr schwammig definiert ist – bedeute, verweist RTS auf die Tätigkeit „Medienkompetenzvermittlung für Jugendliche“.

Durch den Verein wurden gratis Filmworkshops für Schulen für das LEADER-Programm – ein Förderprogramm der Europäischen Union für ländliche Regionen – eingereicht, mit Kosten von 175.000 Euro und der Durchführung der Workshops vorwiegend durch RTS. Angeblich wurde das Projekt durch die LEADER-Gremien zweimal abgelehnt – keine fachliche Qualifikation, viel zu teure Workshops, Unwohlsein über einen ÖVP-nahen Sender im Hintergrund als Profiteur – und dann auf Druck von Landesrätin Andrea Klambauer (NEOS) positiv beschlossen, und vom Kulturlandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) befürwortet. Eine Anfrage um Stellungnahme an Schellhorn blieb unbeantwortet. Von Klambauer kam die Auskunft, dass Bedenken der LEADER-Gremien nicht bekannt seien. Ihre Abteilung erhalte Projekte lediglich zur fachlichen Beurteilung. Durch Projektpartnerschaft mit der Bildungsdirektion, der Jugendorganisation Akzente, der Universität und Fachhochschule gäbe es weiters eine positive Bewertung durch Expert*innen. Es gehe darum, Angebote in den Regionen zu schaffen. Allerdings: Zumindest das landesnahe Akzente befindet sich in Zuständigkeit und finanzieller Abhängigkeit der Abteilung Klambauer. Angeblich steht im Raum, dass die Tätigkeit der Jugendorganisation neu ausgeschrieben werden soll. Von Akzente wollte sich auf Anfrage niemand öffentlich äußern. Thomas Steinmaurer von der Universität und im Vorstand des Vereins beteuert jedoch, sein Beitrag sei „rein wissenschaftlich“. Mit organisatorischen und finanziellen Fragen – wohin Gelder fließen, wer hinter dem Projekt stehe – habe er sich nicht befasst.

Bildung durch wen nach welchen Kriterien?

Von der Abteilung Klambauer unabhängige Bildungsfachleute sehen das Projekt weniger positiv. Helmut Peissl, Geschäftsführer von COMMIT – das Bildungsinstitut der österreichischen Community Medien – bemängelt, dass, wenn kommerzielle Sender überhaupt Bildungsprojekte durchführen wollen, ein Ethikkodex nötig sei. „Deshalb empfiehlt der Europarat Community Medien als Hauptakteurinnen der Medienbildung“, ergänzt Carla Stenitzer, Ausbildungsleitung von Radiofabrik und FS1. Es fehle glaubwürdige kritische Medienbildung bei dem LEADER-Projekt von Lern.Film.Studio.

Kritische Medienbildung. Was ist das?

Kritische Medienbildung – ein Begriff der politischen Bildung – hat aufgeklärte Menschen als Ziel, erklärt Stenitzer weiter. Es sei beispielsweise kaum zu erwarten, dass RTS Werbung und ÖVP-Einfluss hinterfrage. Parteien und parteinahe Sender haben in der Bildung überhaupt nichts verloren, sagt Bildungssprecherin Stefanie Mösl (SPÖ). Sie sei unglücklich über die Zustimmung besonders der Grünen zum RTS-Projekt. Der Grüne Bildungssprecher Simon Heilig-Hofbauer war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Förderungen sind Medienpolitik

Gibt es ein „System Kurz“ in Salzburg? Nein, aber wenig Bewusstsein, dass jede Förderung an Rundfunkveranstalter Medienpolitik bedeutet. Orientierung bietet der Kulturentwicklungsplan (KEP), der 2020 von der Landesregierung beschlossen wurde. Darin ist unter Bildung formuliert: die „Förderung (von) Community Medien (…) zur Stärkung der kritischen Medienkompetenz“ sowie die „Stärkung der kritischen Medienbildung (…) auf allen Ebenen”.