‚Frauenkunst‘ und ‚Frauenförderung‘ — Zumutungen, unverdiente Extrawürste oder bitter notwendige Werkzeuge, um gegen jene strukturelle Diskriminierung zu kämpfen, die auch vor dem Kunst- und Kulturbereich nicht Halt macht? Lisa-Viktoria Niederberger hat mit Oona Valarie Serbest (FIFTITU%) und Gerda Forstner (Stadt Linz, Abteilung Linz Kultur Projekte) gesprochen und hält Lösungsansätze bereit.
Ob man Kunst studiert haben muss, um Künstler*in zu sein. Ob man schlecht bezahlte Aufträge annehmen soll, ‹für das Portfolio›. Ob man auf Autorinnenfotos lächeln soll, Dekolleté zeigen darf oder Androgynie vorzuziehen ist. Wie mit den alten weißen Männern umzugehen ist. Nur eine Auswahl von Fragen, über die Frauen in Kunst und Kultur sich nicht einig sein wollen oder müssen. Anders verhält es sich mit den Begriffen ‹Frauenkunst› und ‹Frauenförderung›: Sie stoßen vielen, die sie betreffen, sauer auf. Was wie eine sachliche Beschreibung eines Werkes klingen oder eine besondere Art der Unterstützung beschreiben soll, markiert für viele Feminist*innen das Andersartige.
Verdrängung und Ausschluss
«Es ist etwas anderes, ob du einen Kunstpreis gewinnst oder einen Frauen-Kunstpreis. Darin steckt eine Wertung», sagt Oona Valarie Serbest, Geschäftsführerin von FIFTITU%. Der Verein betreibt feministische Kulturpolitik und ist zentrale Anlaufstelle für Künstlerinnen, wenn es um Beratung bei Anträgen, Behördengängen, Projektrealisierungen und Vereinsgründungen geht. «Das Präfix ‹Frauen-› drängt uns in eine Nische. Die müssen wir aber oft in Kauf nehmen, denn wir brauchen solche Preise, weil wir sonst gegen die Struktur keine Chance haben.» Dass auch am künstlerischen Arbeitsmarkt keine Rede von Geschlechtergleichheit sein kann, ist besonders mit der Corona-Pandemie wieder deutlich geworden. So sind etwa die Publikationen von Frauen merklich zurückgegangen. Eine Korrelation mit einem Anstieg unentlohnter Care-Arbeit ist naheliegend: Bei den Veröffentlichungen von Männern gab es keine Unterschiede zur Zeit vor der Pandemie.
Kleine Schritte Richtung Ausgleich
«Es braucht große gesamtgesellschaftliche Veränderungen hin zu einer annähernd geschlechtergerechten Verteilung von Care Economy, Vermögen und Einkommen. Solange es die nicht gibt, wird es wohl in vielen Bereichen notwendig sein, an diesen ‹kleinen Schrauben› zu drehen, um dieser Ungleichheit durch spezielle Fördermaßnahmen etwas gegenzusteuern – von Ausgleichen kann ohnehin nicht gesprochen werden», findet auch Gerda Forstner, Leiterin der Abteilung Linz Kultur Projekte. Als essentiell erachtet sie eine angemessene Dotierung von Preisen und Förderungen von Künstlerinnen oder Künstler*innenkollektiven: So beläuft sich der biennal vergebene Gabriele-Heidecker- Preis an Künstlerinnen mit Linz-Bezug auf 10.000 Euro, zwei weitere exklusiv an Frauen vergebene Kunstpreise des Linzer Frauenbüros sind in gleicher Höhe mit den Kunstwürdigungspreisen der Stadt Linz auf 3.600 Euro dotiert. Und auch die Jurys, die über die Vergabe der Preise und Förderungen entscheiden, sind relevant: Der Linzer Kulturentwicklungsplan schreibt seit gut zwanzig Jahren vor, diese paritätisch zu besetzen.
Zwischen Abwertung und Anerkennung
Zwischen den Begriffen ‹Frauenkunst› und ‹Kunstpreise für Frauen› differenziert aber auch Forstner klar: «Frauenkunst klingt für mich sehr abwertend und ausschließend, geht für mich in die Richtung, Frauen würden nur Literatur, Musik, Kunst, etc. für Frauen machen, hätten nur ‹Frauenthemen› zum Inhalt und damit gesamtgesellschaftlich weniger Relevanz. Bei Frauen-Kunstpreisen sehe ich es differenzierter, da geht es um einen Ausgleich. Erst im vergangenen Jahrzehnt entwickelt sich die Geschlechterverteilung bei der Vergabe von Preisen, wie z. B. beim Österreichischen Kunstpreis, schön langsam in die richtige Richtung. Aber für mich schwingt diese Abwertung im Sinne von ‹Frauenkunst› da nicht mit.»
Verkrustete Strukturen
Gendersensibilität und ein Pochen auf gerechte Verteilung hört für Oona Valarie Serbest und FIFTITU% nicht bei den Künstler*innen auf: Am 1. Mai diesen Jahres ist das Projekt Die Quote online gegangen, eine Webseite, die mit Infografiken die Geschlechterverhältnisse an den großen Kulturstätten der Stadt Linz und des Landes Oberösterreich aufzeigt. Kuratorinnen, Museumsdirektorinnen, Sammlungsleiterinnen sucht man in diesen Aufschlüsselungen beinahe ebenso vergeblich wie Frauen in Führungsebenen.
Auch dazu findet Serbest klare Worte: «Ich bin so sauer, bei diesen Strukturen gibt es für uns Frauen einfach keine Jobs, weder in der Kultur noch in der Kunst. Es passiert noch immer so viel über Freunderlwirtschaft, aber wir müssen ganz dringend aus diesen Boys’ Clubs raus. Wir brauchen Aufstiegsmöglichkeiten, auch Frauen haben ein Recht auf Karriere in Kunst und Kultur. Wenn die Männer nichts abgeben und nur besetzen, fordern wir unermüdlich Strukturen, die Partizipation von Frauen ermöglichen.»
Platz schaffen
Wie könnten diese Strukturen aussehen? Ein erster Schritt: eine verpflichtende Quote. Mehr Aufsichtsrät*innen. Nicht nur Kunstwerke von Frauen auf den Plätzen und in den Museen der Stadt. Auch ihre Expertise und ihr Fachwissen in den Häusern. Ein diverseres Feuilleton. Dass nicht mehr bloß alle Gremien im Kulturbereich paritätisch besetzt werden. Sondern alles. Vom kleinsten Verein bis ins größte Opernhaus. Wenn wir eine Kunst- und Kulturszene wollen, in der es keine (Mehrfach-)Diskriminierung gibt, in der es irgendwann keine Labels mehr braucht; in der queere Kunst einfach Kunst ist und Frauenliteratur einfach Literatur; dann müssen wir nicht nur vielfältiger fördern, sondern auch die betrieblichen Strukturen der Kulturinstitutionen revolutionieren und diversifizieren.
Wir wollen Freiräume für Frauen statt Nischen. Und zwar wortwörtlich: Platz für Frauen und Künstlerinnen, an runden Tischen und im öffentlichen Raum. Präsenz von Frauen in allen Aspekten des kulturellen Lebens. Wo fangen wir an?
Das Projekt Die Quote – Eine Provokation wurde konzipiert und umgesetzt von FIFTITU% – Anlaufstelle für Künstler*innen und kulturtätige Frauen*
Daten und Ergebnisse auf