Das Virus fungiert als gesellschaftspolitisches Brennglas. Und da zeigt sich: Schluss mit lustig für uns Frauen. In der Krise braucht’s den starken Mann. Einige wenige Medien versuchen dagegen zu halten. Im ORF und auf Puls 24 wird da und dort gegendert. Der Gegenwind motivierte ZIB-Ankermann Tarek Leitner zum Lob des stimmlosen glottalen Plosivs, also jenes Nichtlauts, der beim Versuch, den Genderstern durch Verschließen der Stimmritzen akustisch erfahrbar zu machen, entsteht.
Dass der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalist*innen die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl zur Wissenschaftlerin des Jahres kürte, kann ebenfalls als Versuch gewertet werden, ein Gegengewicht zum selbsternannten virologischen Männerquartett aus Kanzler, Vizekanzler, Gesundheits- und Innenminister zu schaffen. Als ihre auf Dos and Don’ts beschränkten, gefühlt fünftausend Pressekonferenzen mit ihren oft reichlich verwirrenden Ansagen zum Sinkflug der Umfragewerte führte, wurden die Botschafts-Kontrolleure des Kanzlers nervös. Eine neue Strategie musste her: Mann verkündete, ab sofort auch Wissenschaftler vor die Kameras und Mikrofone treten zu lassen. Genderstern braucht’s da keinen. Denn wer erwartet hätte, dass jetzt vielleicht die Stunde der Wissenschaftlerin des Jahres geschlagen hätte, irrt. Es kamen nämlich weder die für ihre Vermittlungsarbeit ausgezeichnete Leiterin des Zentrums für Virologie der MedUni Wien noch eines der immerhin zehn weiblichen Mitglieder des Impfrates zu Wort. Der Platz an der Sonne wurde Oswald Wagner eingeräumt. Denn der ist als Mann UND Vizerektor, gemäß der patriarchalen Hierarchie-vor-Kompetenz-Logik gleich doppelt qualifiziert. Der Internist und Pharmakologe bewies seine Eignung denn auch mit einem eher unmedizinischen Rat ans Volk: Eltern sollten zum Homeoffice gezwungen werden, um die schon wieder zu vollen Schulen zu entlasten. Die fassungslose Frage von mit der Problematik Vertrauten, wie er sich das alltagspraktisch vorstelle, wurde medial einigermaßen breit aufgegriffen. Dazu befragt, wischte der Arzt seine peinliche Anmaßung mit einem augenzwinkernden Verweis auf die eigene Kinderlosigkeit vom Tisch. Einsicht in die Begrenztheit seiner Expertise war da nicht zu erkennen.
Der stimmlose glottale Plosiv ist ein Anfang. Wenn die Bühne trotzdem den Männergesangsvereinen vorbehalten bleibt, ist er nicht viel mehr als ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein und der Weg zur Sichtbarkeit aller Nicht-Repräsentierten noch ein weiter.
Zum Gendern:
Der Genderstern verändert die traditionell am männlichen orientierte geschriebene Sprache und bezieht auch nicht-binär definierte Geschlechtszugehörigkeiten ein. Der stimmlose glottale Plosiv erweitert das ins Gesprochene und macht die gesellschaftliche Diversität auch hörbar.