Splitter von und für Kulturschaffende*

* Hier könnte demnächst Ihr Begriff stehen. Siehe www.kupf.at/kulturx

Reproduktionsfaktor Sprache
Worauf hat sie eigentlich keinen Einfluss, die Coronakrise? Den deutschen Wortschatz hat sie jedenfalls eklatant erweitert: Mehr als 1.200 neue Wörter verzeichnet das Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache. Darunter findet sich viel Deprimierendes, aber auch hübsche Blüten wie „coronös“, „Flockdown“ und „Fußgruß“.

Sprache formt Denken
Das besagt die Sapir-Whorf-Hypothese und damit setzte sich die Linguistin und Schriftstellerin Suzette Hadan Elgin auseinander. Sie wollte überprüfen, ob gängige Sprachen vorrangig Ideen und Bedürfnisse toxisch männlicher Sozialisation ausdrücken können, entwarf die Kunstsprache Láadan und behandelte Entstehung, Theorie und Gebrauch in der Romantrilogie Native Tongue. Láadan beinhaltet zum Beispiel kurze Begriffe für Personen, die man respektiert, aber nicht mag und Vor- und Nachsilben, die „versuchen“ bedeuten, für Wut, Liebe, Freude oder Bildung stehen oder unterschiedliche Gründe für Besitz anzeigen (Glück, Geburt, Gesetz, Zufall, unbekannt).

Rot wie Menstruationsblut
Die Schmuckfarbe dieser Ausgabe sollte eigentlich der Farbton Period werden, den das Unternehmen Pantone 2020 gemeinsam mit der schwedischen Marke Intimina (die unter anderem Menstruationstassen vertreibt) herausgab. Ziel der Kampagne: Die Tabus rund um die Menstruation brechen und Sichtbarkeit schaffen. Äußerst passend für unseren Schwerpunkt? Dachten wir auch. Blöd nur, dass es dabei bei einer reinen Marketingaktion blieb und Pantone uns auf Nachfrage nicht einmal den genauen Farbcode nennen konnte. Nun nähern wir uns an – abgesehen davon ist wohl jedes Menstruationblut anders.

Kinderlied
Systemrelevanz
Relevanz
Relewanze
Auf der Mauer auf der Lauer
Mini-Gedicht von Dagrun Hintze

Die Künstlerin im Online-Duden
Heureka! Wer künftig im Online-Duden nach „Künstlerin“ sucht, findet sie nicht mehr als ‚weibliche Form‘ dem „Künstler“ untergeordnet, sondern in einem eigenen Eintrag mit der Erläuterung: „weibliche Person, die [berufsmäßig] Kunstwerke hervorbringt oder darstellend, aufführend interpretiert“. Die „Kulturschaffenden“* gibt es dort zwar noch, aber das ändern wir bald.

Sprachvielfalt
Im Spanischen wird mit companer@s oder feministxs gegendert. Im Slowenischen gibt es neben Ich- und Wir-Formen den Dual, die Form für wir und ihr zwei. Im Japanischen gibt es kein grammatikalisches Geschlecht, aber informelle Regeln, was Menschen abhängig von ihrem Geschlecht sagen dürfen. Im Ungarischen gibt es das geschlechterneutrale Pronomen ő (siehe S. 29).

Umbenennung
Es geschehen noch Zeichen und Wunder: Nach breiter medialer Diskussion im letzten Jahr rund um die Titel der Branchenmagazine Der Österreichische Journalist und der Schweizer Journalist ändern beide ihre Namen auf Österreichs Journalist:in und Schweizer Journalist:in. Das freut!

Macht der Sprache
Im Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim gibt es unter mehreren Vermittlungsprogrammen eines, das sich Macht der Sprache nennt. Teilnehmer*innen setzen sich dabei mit neutraler sowie mit positiv und negativ wertender Sprache auseinander, werden durch die Gedenkstätte und die Ausstellung Wert des Lebens begleitet und beschäftigen sich dann in Kleingruppen mit Themen wie diskriminierender Sprache im Internet, sogenannten Behindertenwitzen, Texten in leichter Sprache, Aussagen von NS-Täter*innen u. a.

Das Kreuz mit dem Stern
In einigen Auszeichnungssprachen werden Asteriske genutzt, um Textpassagen zu kursivieren – wer z. B. in manchen Foren, Kommentarfeldern oder zum Beispiel im Projektmanagement-Tool Trello direkt vor und nach einem Wort ein Sternchen setzt, bekommt es schließlich kursiv ausgegeben. Redaktion und Produktion der KUPFzeitung organisieren sich via Trello, gendern gemeinhin mit dem Asterisk und haben da also oft ihre liebe Not.

Männer herzlich mitgemeint
Von 2009 bis 2015 erschienen die Texte in der KUPFzeitung in weiblicher Form. Im Impressum wurde ab 2010 vermerkt: Männer sind herzlich mitgemeint. Ab 2013 wurde externen Autor*innen freigestellt, die weibliche Form oder eine wie auch immer geschlechtergerechte Form zu verwenden. Von 2015 bis 2017 war in dieser Zeitung das Binnen-I zu lesen, seit 2017 gendern wir mit dem Asterisk (dem Gendersternchen), bis 2019 stellten wir Autor*innen frei, andere Formen anzuwenden. Seit 2019 vereinheitlichen wir auf Asteriske. In dieser Ausgabe wird alles anders.

Andererseits
„Das Bemühen um Herstellung von Konformität durch den Gebrauch politisch richtiger Diktion schafft Gefühle der Orientierung und Zugehörigkeit. Wer die Machttechniken der Sprachpolitik verinnerlicht, erfährt ihre Anwendung im Sinne Foucaults als stimulierend. Indessen verkümmert Sprache zum strategischen Instrument von Disziplinarmächten, um sie für hierarchische Überwachung nutzbar zu machen. Ihr anti-liberaler Kern besteht darin, einen unerreichbaren kollektiven Konsens schaffen zu wollen, um das Bewusstsein der Vielen derart zu konditionieren, dass abweichende Gedanken möglichst gar nicht erst entstehen.“ Marcel Matthies, Sprachpolitik und soziale Kontrolle, in: Versorgerin (2020), Nr. 125, S. 12.

Inklusive Chefredaktion
Weil die journalistische Landschaft in Österreich nach wie vor von alten, weißen Männern dominiert wird, hat Melisa Erkurt kurzerhand die Chefredaktion, ein Medienprojekt von und für 14- bis 24-Jährige(n), gegründet, die auf Instagram schon jetzt Diversität in die Berichterstattung bringt. Mitarbeiter*innen haben etwa Migrationshintergrund oder sind Arbeiter*innenkinder und reflektieren dies auch in ihren Beiträgen. Eine von ihnen ist Maryam Al-Mufti, die einen Text für unsere Streetview beigesteuert hat (S. 14).

Jeden Tag
Das Freie Radio Salzkammergut hat den Veranstaltungskalender derzeit zu einem neuen Format umgewandelt. In Jeden Tag erscheinen ein Programm- oder Buchtipp, eine Vision oder sonstige interessante Infos. In Form von Kurzbeiträgen (maximal fünf Minuten) könnt ihr eure Aktivitäten und Gedanken On Air bringen. 

Konfrontationssymposium
Am 20.05. findet von 09:30–19:00 das Symposium Konfrontation und Kooperation statt Repräsentation – eine neue Agenda für Kulturpolitik an der Universität für Angewandte Kunst Wien statt, das sich u. a. folgende Fragen stellt: Welche Konfliktlinien existieren im Kulturbetrieb? Wer ist davon betroffen? Wie können sie produktiv gemacht werden? Ausgangspunkt sind vier Themen, die von den Teilnehmenden vertieft, erweitert und ergänzt werden können: Öffentlichkeit, Gerechtigkeit, Einschlüsse und Ausschlüsse, Über/Leben. Eingeladen sind Vertreter*innen aus Kulturverwaltung, -politik, -politisch Interessierte und Kulturschaffende* aller Genres. Organisiert wird das Ganze von EDUCULT und AGONART (siehe S. 16 f.).

Kleines Kulturbegriffslexikon
Kulturelle Erbe Österreichs, das: Begriff, dessen Definitionsmacht der Politik obliegt und der oft Repräsentativbauten meint, dabei aber problematische Aspekte wie das nationalsozialistische Erbe ausklammert
Kulturland, das: Land, in dem feministische (Kultur-)Vereine gekürzt, dafür aber deutschnationale Burschenschaften gefördert werden
Kunst- und Kulturlandschaft, die: Monokultur, die vor allem auf migrantische und queere Positionen gern vergisst; nach einem Jahr Corona-Krise, welche die kleineren Initiativen in die Knie gezwungen hat: eine Einöde
Kunst- und Kulturnation, die: ein PR-Slogan, der die Marke ‚Österreich‘ aufpoliert; gemeint sind meist die Hochkultur und repräsentative Kunstproduktionen
Kunst- und Kulturstrategie, die: Error 404 not found – please try again later
Anna Fessler