Sprache schafft Wirklichkeit(en). Darüber ist sich zumindest unsere Redaktion einig. Aber was ist damit gemeint? Wie sprechen wir über Kultur, Kulturpraxis und Kulturpolitik?
Die Coronakrise hat neben vielem anderen unsere Sprechkultur verändert und neue Begriffe in unser Bewusstsein gerufen. Susanne Hochreiter greift die ‚Systemerhalter*innen‘ auf, um sich für uns mit der Wirkmacht der Sprache aus geschlechterdemokratischer Sicht auseinanderzusetzen. Dominika Meindl beschwert sich im Leitartikel über ‚Systemrelevanz‘ aus Sicht der Kunst- und Kulturszene.
Überprüft gehört auch unser ‚Kunst-und-Kultur-Sprech‘, darunter das allgegenwärtige Konzept des ‚Projekts‘: Stefanie Fridrik und Anke Schad-Spindler tun dies sorgfältig – und ironischerweise im Zuge eines Projekts. Wieso manche beim Begriff der ‚Förderung‘ zögern oder Begriffe wie ‚Investition‘ und ‚Finanzierung‘ präferieren, bespricht Thomas Diesenreiter mit Rudolf Scholten, langjähriger Kulturminister. Der Gedanke, dass ein gewisser sprachlicher Duktus Einfluss auf die gesellschaftliche/monetäre Wertschätzung hat, führt zu einem Gespräch mit Thomas Philipp, der als Juror Einblicke in erfolgreiche Antragsprosa gibt.
‚Kunst‘ und ‚Kultur‘ haben mit Klasse und Distinktion zu tun und bilden nicht nur eigene Diskurse, sondern schließen gezielt ein und aus. Spuren dieser Diskussion finden sich in der Gnackwatsch’n, die klärt, wieso die Neue Rechte den ‚Kultur‘-Begriff so gerne verwendet, in der Streetview, die vielfältige Inklusions- oder Exklusionserfahrungen umfasst und in Laura Helene Mays Interview mit der Theatermacherin Selina Stritzel.
Durch seine Nazi-Vergangenheit ist uns der Begriff ‚Kulturschaffende‘ seit langem ein – bisher fast alternativloser – Dorn im Auge. Nun rollen Isolde Vogel und Eva Blimlinger Geschichte und Diskussion für uns auf und lobt letztere sogar Preisgeld für einen Wettbewerb aus, den wir hiermit offiziell ausschreiben. Der Kampf ist angesagt!
Um sich in diese diskurskritische und selbstreflexive Ausgabe einzugrooven, empfehlen wir die Bürokolumne, direkt aus dem Herzen der Redaktion von Tamara Imlinger, oder die wiederbelebte Rubrik Aufgeschnappt und Abgekupfert, in der wir Splitter zum Schwerpunktthema versammeln. Als zusätzliches Experiment haben alle Autor*innen dieser Ausgabe eine eigene/präferierte Form des Genderns verwendet und kurz reflektiert. Die Erläuterungen sind so produktiv, dass wir sie online in ihrer gesammelten Vielfalt zur Verfügung stellen.
Dabei vergessen wir nicht auf die Praxis: Verena Humer fasst die neuen oberösterreichischen Kultur-Sonderförderungen zusammen, Florian Walter berichtet über veränderte Vereinskommunikation der KUPFmitglieder durch Corona und wie immer haben wir Wissenswertes zu aktuellen Ausschreibungen und Preisen zusammengetragen.
Apropos Praxis: Ab der Sommerausgabe lege ich die Leitung der KUPFzeitung vertrauensvoll in die Hände von Florian Walter, der mich karenzbedingt vertreten und das KUPFzeitungs-Kind als erfahrener Kulturarbeiter und KUPF-Vorstandsmitglied souverän schaukeln wird! Ich freue mich, in der nächsten Adressierung des Editorials einfach nur mitgemeint zu sein … – Aber sonst gilt:
Mitmeinen heißt nichtsagen.
Katharina Serles für die Redaktion
Zum Gendern:
Sprache wirkt, bildet ab, schafft Wirklichkeit_en – und lebt. Würde sie sich nicht mit uns ver:ändern können, schüfe sie sich selbst ab. Dass geschlechter*inklusiv gesprochen und geschrieben werden kann und muss, steht außer Frage. Aus editorischer Hin!sicht ziehe ich die Entscheidung für eine Version vor; in der aktuellen Ausgabe genieße ich die experimentelle Viel’falt … und lerne daraus.