Bemerkungen zu Geld, Kunst und Förderung. Von Wolfgang Richter.
Die COVID-19-Pandemie hat aufgezeigt, wie unsicher die Arbeitsbedingungen für bildende Künstler*innen nicht nur in Österreich sind. An diesem strukturellen Problem ändern auch die aktuellen Unterstützungsaktionen von Bund, Ländern und Gemeinden nichts. Generell können immer mehr Menschen nicht von einer Beschäftigung leben und finden sich in prekären Situationen.
Anlass genug, nachzufragen, welchen Stellenwert die Arbeit der Künstler*innen für die Gesellschaft hat, ob sie überhaupt als Arbeit bewertet und wie sie abgegolten wird.
Kann Geld arbeiten?
Mit der Galerie 1Blick betreibt Helmuth Hickmann seit 1992 auf 0,372 m2 die «kleinste Galerie des Universums», eine nicht kommerzielle Initiative für Gegenwartskunst in Hallein. Hauptanliegen ist die Präsentation von «kritischer Kunst» und «Einblicke» in «sonst wenig beachtete» Bereiche im öffentlichen Diskurs. Die Galerie setzt jedes Jahr ein Schwerpunktthema; dabei spielte das Thema ‹Geld› von Anfang an eine Rolle: Im Jahr 2005 war Globalisierung und Neoliberalismus das Jahresmotto zu dem 12 Künstler*innen mit unterschiedlichen Projekten Stellung bezogen. 2007 ging es um Geld und Gold. – Kann Geld arbeiten?
Laut Hickmann müssten die rechtlichen Grundlagen für die Verwendung von Geld auf völlig neue Beine gestellt werden. Das Geldsystem sollte einfach, überzeugend und klar aufbereitet sein, mit dem Alltag der Menschen verknüpft werden und so ins kollektive Bewusstsein gelangen. Geld dürfe nicht als Ware behandelt, eine Umlaufsicherung müsste eingeführt werden und die Geldmenge wäre dem Wirtschaftsvolumen anzupassen. Die Finanzkrise habe 2008 viele wachgerüttelt und für das Thema Geld sensibilisiert. Damals habe Hickmann in seiner Justismus Deklaration versucht, den Istzustand des Geldsystems dem Sollzustand gegenüberzustellen. Justismus ist ein Denkansatz zur Überwindung von Kommunismus und Kapitalismus. Er steht für Demokratie, Gemeinwohl, Freiheit, für das Recht auf vollen Arbeitsertrag. Während der weltweite Kulturaustausch grundsätzlich positiv sei, wäre Kunst, verknüpft mit der Profitmaxime, aber häufig Mittel zum Zweck. Luxus und Kunst träfen einander auf pervertierte Art in Auktionshäusern oder beim Art Investment. Als Beispiel nennt Hickmann den Künstler Gerhard Richter, der bei der Ausstellungseröffnung im Kunstforum Wien am 1. Oktober 2020 vor laufender Kamera über den Kunstmarkt den Kopf schüttelte: «… Ich kann den Preis meiner Bilder nicht nachvollziehen …»
Abseits kommerzieller Interessen
Die Galerie Fünfzigzwanzig definiert sich als «Ort der Auseinandersetzung mit zeitgenössischer bildender Kunst» und widmet sich «ausschließlich der Förderung und Vermittlung zeitgenössischer Kunstdiskurse» abseits von «kommerziellen Interessen». Ihr Trägerverein setzt sich auch kulturpolitisch immer wieder für die Anliegen der bildenden Künstler*innen ein. Die Leiterin Karolina Radenković schätzt Salzburg als interessanten Standort, um sich mit den aktuellen Agenden und Diskrepanzen in der Kulturproduktion auseinander zu setzen. Auf der einen Seite sei die Stadt geprägt von Entertainment- und Großevents, die auf altbewährte Traditionen und Qualitäten einer Hochkultur ausgerichtet sind, auf der anderen Seite zelebriere diese Stadt das Volkstümliche. Das Experimentelle, noch nicht Erprobte, habe hier schwer zu kämpfen. Im Vergleich zu anderen österreichischen Städten sei in Salzburg jegliche Art von Subkultur praktisch inexistent. Eine Subkultur könne, so Radenković, nur entstehen, wenn es strukturell dafür Platz gebe. Das schließe auch die Frage mit ein, was eine Stadt braucht, um eine zukünftige Generation zu halten. Hier kämen Orte ins Spiel, die ‹unabhängig› funktionieren müssten, die nicht unbedingt einer ökonomischen Verwertungslogik ausgesetzt seien. Diese Orte hätten aber nur dann eine Existenzgrundlage, wenn sie von öffentlicher Hand gefördert werden und mehr oder minder frei agieren können.
Und wie sieht es in der Praxis mit fairer Bezahlung aus? Viele Interessengemeinschaften, u. a. auch die Galerie Fünfzigzwanzig, arbeiten gerade an Berechnungsmodellen für Honorare. Diese sollen in weiterer Folge eine Grundlage für Richtlinien bei Förderansuchen bilden. Was Radenković dennoch wichtig ist: Jeder Kulturbetrieb soll sich die Frage stellen, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass die Arbeit eines / einer Künstler*in nicht entlohnt wird.
„Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“
(Karl Valentin)
1956 wurde die IG Bildende Kunst als selbstorganisierte Interessenvertretung gegründet, um auf politische Entscheidungen und deren Auswirkungen auf bildende Künstler*innen einwirken zu können. Sie setzt sich für eine «Verbesserung der strukturellen Rahmenbedingungen künstlerischen Schaffens» ein. Zu den zentralen Aufgabengebieten zählen laut Statuten die Wahrung und Vertretung der kulturpolitischen, sozialen, rechtlichen, wirtschaftlichen Interessen von bildenden Künstler*innen sowie die Öffentlichkeitsarbeit. Seit 2016 liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der Kampagne pay the artist now! In den meisten Bereichen der Kunstproduktion, besonders in den darstellenden Künsten, gibt es schon seit langem Regelungen in Form von Anstellungsverhältnissen. Für bildende Künstler*innen in allen öffentlich geförderten Kunstinstitutionen wird deshalb eine faire Bezahlung bei Ausstellungen, künstlerischen Produktionen und für jede andere künstlerische Arbeit gefordert.
Das Honorarmodell soll auch andere Institutionen, die Ausstellungen, Symposien, Vorträge und Workshops organisieren, anregen, einen Schritt zur flächendeckenden Implementierung von Ausstellungs- und anderen Künstler*innen-Honoraren zu setzen. Wichtig sei es gerade auch jetzt, dafür ein Bewusstsein zu schaffen und eine breite Unterstützung zu erlangen, nach dem Motto: «No Fee, No Exhibition».
Wahrnehmung & Widerstand
Beim Schweigemarsch der IG Kultur Österreich am 1. Juli 2020 in Wien forderten die Teilnehmer*innen ein klares Bekenntnis zur Finanzierung von Kunst und Kultur in Österreich, damit Künstler*innen «von ihrer Arbeit leben können». Seit Jahrzehnten leiden die Freischaffenden unter prekären Umständen, jetzt sind sie aber massiv in ihrer Existenz bedroht. Ohne Kunst, so die Haltung der Veranstalter*innen, «verliert die Bevölkerung geistiges und seelisches Niveau und Kreativität, die Demokratie an Kritikfähigkeit, verlieren Städte, Regionen und Gemeinden an Attraktivität, der Tourismus verliert Anreize und Österreich verliert an Identität.»
Das Widerständige ist ein wichtiges Merkmal der Kunst – frei nach Max Frisch (Die Schwierigen, 1970): «Der Beitrag der Kunst an die Gesellschaft ist die Irritation, dass es sie trotzdem gibt.» Aber es ist auch so, dass sich die gesellschaftliche Wertschätzung einer Leistung im materiellen Entgelt zeigt.
Und da hat Dieter Lesage leider noch immer recht: «Du bist eine Künstlerin und das bedeutet: Es geht dir nicht ums Geld. Das glauben zumindest manche Leute. Eine gute Ausrede, dich für all das nicht zu bezahlen, was du tust.»
Auf Transparenten beim Schweigemarsch stand zu lesen «Keine Ausstellung ohne Honorar! No fee, no exhibition!» Was in best practice Beispielen¹ schon ansatzweise funktioniert, dafür sollten sich möglichst viele Künstler*innen und Kunstinstitutionen einsetzen, denn: You should get paid!
¹ Vgl. → igbildendekunst.at/themen/kunst-und-geld/best-practice-kuenstler_innenhonorare