Dieses Jahr haben wir, die in Kunst- und Kulturbereichen tätig sind, viel Kreativität und Flexibilität bewiesen. Nun aber breitet sich eine allgemeine Erschöpfung aus: müde davon, Veranstaltungen immer wieder neu zu verschieben, umzuplanen oder abgesagt zu bekommen; müde davon, gesellschaftliche Barrieren, finanzielle Nöte und Ausschlüsse individuell überwinden zu müssen – oder daran zu scheitern. In meinem Kopf schwirrt ein Gedicht von Hilde Domin, es endet mit den Zeilen: Nicht müde werden / sondern dem Wunder / leise / wie einem Vogel / die Hand hinhalten.
Welches Wunder kann dies sein, hier und jetzt? Können wir, solidarisch und existenzsichernd, vielfältige Zugänge, Wahrnehmungs- und Ausdrucksformen als Teil von Kunst und Kultur feiern statt auszuschließen? Die Kunst- und Kulturlandschaft hat in Jahrzehnten des ‹Business as Usual› nicht nur räumliche, sondern auch sprachliche, administrative und verhaltensnormierende Barrieren aufgebaut. Es gibt unzählige Weisen, diese Barrieren gemEinsam ins Wanken zu bringen: z. B. in Aus‹schreib›ungen berücksichtigen, dass sich nicht alle Menschen, die ein Projekt einreichen, über Schriftsprache verständigen und die Expertise von (meist beHinderten und verRückten) Künstlens in diesem Feld, wie jede fachliche Expertise vergüten. Lasst uns auf den Wegen von Disability Arts & Culture gemEinsam such_be_wegen: Was macht es mit Kunst, wenn diese mehrsprachig in Laut-, Gebärden- und Schriftsprache, mit Audiodeskription und Punktschrift erfahrbar ist? Was macht es mit einem Raum, wenn dieser, statt mit Stühlen oder Stehtischen, eingerichtet ist mit unterschiedlichsten Sitz- und Liegemöglichkeiten: Blöcken, Bänken, Matratzen, Hängematten und viel Freiraum zum Bewegen für Menschen und ihre Fortbewegungsmittel? Wenn es Rückzugs-, Austausch- und Reflexionsräume gibt? Was macht es mit einer Performance, wenn Geräusche und Bewegungen im Publikum willkommener Teil der Veranstaltung sind?
Viele Veränderungen sind kostenlos, viele kosten Geld. Doch, wie verarmt eine Gesellschaft, wenn sie diese Zugänge, die Kunst von und den Austausch mit uns ver_hindert? Lasst es uns nach Hilde Domin lieber gemEinsam ver_suchen, Lachen und Weinen und die unmögliche / Wahl haben / und nichts ganz recht tun / und nichts ganz verkehrt.