Die neue Kulturdirektorin Margot Nazzal im Antrittsinterview mit der KUPF OÖ.
Katharina Serles: Es besteht eine gewisse Grundspannung zwischen der ordnenden, kontrollierenden Verwaltung und der freien Kunst und Kultur. Kann das überhaupt gut gehen?
Margot Nazzal: Ob Kunst und Kultur nun als Kundin der Verwaltung, als Auftragnehmerin oder Projektpartnerin gedacht wird – es kommt entscheidend auf die Kommunikation der Erwartungen und Anforderungen an. Es geht darum, eine gemeinsame Sprache zu finden. Insgesamt sehe ich nach 3,5 Wochen in meiner neuen Position, dass alle für die Kunst und Kultur in Oberösterreich arbeiten, da ist also eigentlich ein gemeinsamer Grundzug zu spüren, keine Grundspannung.
Wir bemerken wiederum, dass das Verhältnis zwischen Kulturdirektion und Kunst- und Kulturarbeiter*innen auf beiden Seiten historisch von Misstrauen geprägt ist. Was können Sie daran ändern?
Wenn Menschen länger in einem System sind, kann es schon einmal passieren, dass man festgefahrene Meinungen über andere hat, wobei man gerade die an sich immer wieder selbstkritisch hinterfragen sollte. Mein Zugang ist also: offen, unvoreingenommen auf alle zugehen und das Gespräch suchen und anbieten.
Sie sind eine junge Frau in einer Position, die historisch von (alten) Männern besetzt war. Wie begegnet man Ihnen und was ändert das vielleicht am Rollenbild ‹Kulturdirektor*in› und an daran geknüpften Hierarchien?
Alle Begegnungen, die ich bisher hatte, waren von Offenheit und gespannter Neugier geprägt. Es interessiert mich aber, wie sich diese Rolle und das Rollenbild entwickeln – auch von Kund*innenseite. Das müssen Sie mir vielleicht in Zukunft sagen …
Wie haben Sie sich auf die neue Position vorbereitet? Wie werden Sie Ihre Rolle auslegen?
Ein noch nicht abgeschlossener Teil meiner Vorbereitung ist, einen Überblick zu gewinnen über Strukturen, Einrichtungen, handelnde Personen, über die Vielfalt und Buntheit, die das Kulturland Oberösterreich ausmachen. Durch die Coronakrise geht das etwas langsamer voran. Auch im eigenen Haus beschäftige ich mich damit, was unsere zentralen Angebote sind, die großen Themen, die uns bewegen, die Fragen, die sich aus COVID-19 ergeben. Und schließlich befasse ich mich derzeit mit der Umsetzung der jüngsten Prüfberichte und dem sich daraus ergebenden Handlungsbedarf.
Sie sprachen in diesem Zusammenhang davon, die Kulturdirektion ‹zukunftsfit› machen zu wollen. Wie sieht das konkret aus?
Das ist eine Bündelung aus Einzelmaßnahmen: Die Aufbau- und Ablauforganisation muss passen, die Prozesse müssen gut aufgestellt sein, die Digitalisierung muss voranschreiten.
Kommt die digitale Antragstellung im nächsten Jahr?
Eine fixe Zusage kann ich nicht geben, das wird aber eines der Hauptprojekte der nächsten Zeit sein und ist nicht nur aus Kund*innensicht notwendig. Es erleichtert uns umgekehrt die Arbeit, wenn Formalitäten schneller geklärt sind. Zurückhaltend bin ich allerdings bei automatisierten Bearbeitungen: In den vielen Bereichen, in denen wir prüfend tätig sind, braucht es eine differenzierte Betrachtung.
Ihr Vorgänger hat versprochen, dass die Bearbeitungszeit der Förderanträge bei maximal vier Wochen liegen soll, die Realität war davon aber weit entfernt. Was ist Ihre Zielvorgabe?
Die gibt es nicht. Aus Kund*innensicht ist eine möglichst kurze Bearbeitungsdauer eines der wesentlichen Qualitätskriterien, das ist allen hier bewusst. Aus unserer Sicht braucht es aber auch ein ausgewogenes Verhältnis zur Bearbeitungsqualität. Die Dauer kann je nach Komplexität des Projekts schwanken. Für mich stehen der Servicegedanke, rasches und effizientes Arbeiten im Vordergrund.
Saßen Sie jemals auf der ‹anderen Seite› – waren also Antragstellerin für eine öffentliche Förderung?
Ich kenne Verwaltungsabläufe auch aus der Kund*innensicht, aber nicht in jüngerer Zeit.
Nie genug Geld an Menschen zu verteilen, die Kunst und Kultur nur unter großer Selbstausbeutung schaffen, muss auf Dauer frustrieren. Wie gehen Sie damit um?
Sparsamkeit war bisher schon gefragt, die Endlos- Geld-Maschine gibt es nirgends. Jede öffentliche Verwaltung ist an ihre Mittel gebunden. Umso wichtiger ist, dass man die Mittel richtig einsetzt. Wenn die notwendige Unterstützung dort ankommt, wo sie gebraucht wird – ob nun etwa in Zeit-, Volkskultur, Ehrenamt oder Denkmalpflege –, dann ist das eine große Errungenschaft.
Laut den offiziellen Budgetzahlen des Landes gehen 94 % Kulturbudgets in die öffentlichen Einrichtungen, nur 6 % bleiben für die Förderung. Ist dieses Verhältnis für Sie ausgewogen?
Selbstverständlich bilden sich im Kulturbudget auch große Landesinstitutionen ab, wie die OÖ Landes-Kultur GmbH, das Brucknerorchester und Landestheater, die Bruckneruni, das Landesmusikschulwerk. Das Land OÖ kommt zu 100 % für deren Finanzierung auf und ist somit Arbeitgeber für tausende Kulturschaffende. Wir haben Gestaltungswillen für die Gesamtheit des Kulturlandes, aber auch eine finanzielle Verantwortung.
Laut vielen Studien gehören Kulturarbeiter*innen der Freien Szene zu den schlechtbezahltesten Menschen in Österreich. Ist das ein Naturgesetz?
Das Thema ‹Fair Pay› ist definitiv auf unserer Agenda. In welcher Form das passiert, was von Bundesseite gelöst werden kann und wo das Land etwas tun kann, werden wir sehen. Hier müssen wir jedenfalls weiter- denken und -arbeiten.
LH Stelzer hat 2,5 Millionen Euro an Corona-Hilfsgeldern für Oberösterreichs Kulturvereine zugesagt. Es gibt dafür allerdings keine explizite, transparente Ausschreibung. Woran liegt das?
Dieses Geld ist zweckgewidmet für die Kulturszene und wird bedarfsorientiert ausgeschüttet. Wir wollten ein breites Bündel aus Maßnahmen, das auf verschiedene Anforderungen eingeht und die Maßnahmen des Bundes ergänzt. Wo notwendig, gibt es Ausschreibungen, die auch auf der Homepage publiziert sind. In allen anderen Fällen setzen wir auf persönliche Beratung und individuelle Lösungen.
Verändert Corona die Kulturverwaltung nachhaltig?
Die Pandemie verändert alles. Im Moment sind Begegnungen nicht in der gleichen Form möglich, das hat Auswirkungen auf die Verwaltung – Stichwort Digitalisierung, Home-Office, … Wir müssen also weiter dafür sorgen, dass wir immer und unter allen Umständen das leisten können, wofür wir auch stehen.
Margot Nazzal ist Juristin, war zuvor u. a. wissenschaftliche Mitarbeiterin an der
JKU, Leiterin der Oö. Antidiskriminierungsstelle, Leiterin der Gruppe Außenbeziehungen und Protokoll, Lehrgangsleiterin der Führungskräfteakademie des OÖ Gemeindebundes und Stabsmitglied im Landeskrisenmanagement. Seit August 2020 ist sie Direktorin der Landeskulturdirektion OÖ.