Die Kunst der Unvernunft: hat ein Vogel …

         

Die Zeichnung hat ein Vogel von Paul Klee zeigt einen Kopf mit einem Spalt, in dem ein Vogel verborgen liegt. Es ist eines von vielen Bildern, in denen sich Klee von Verwirrungen und ver_rückten Zuständen inspirieren ließ.

Das Spiel mit Unverständlichkeit, Unvernunft und der Übertretung dessen, was als normal und berechenbar gilt, scheint Kunst zu begleiten. Ein ‚Hauch von Wahnsinn‘ wird eine Auszeichnung oder gar eine Kunstform per se – nach dem Motto: „Wir sind anders als die anderen. Wir sind ein bisschen verrückt.“ Doch gibt es in dieser Beziehung von ‚Kunst und Wahn‘ so etwas, wie zu ver_rückt zu sein?

Die Kunst von Menschen, deren psychiatrische Aufenthalte und Diagnosen bekannt sind, gilt bis heute meist weder als Kunst noch als Arbeit. Der ihnen zugewiesene Platz ist ‚sozialer‘ und nicht ‚kultureller‘ Art. Kunstwerke werden unbezahlt hergestellt in Werkstätten sogenannter ‚Beschäftigungsmaßnahmen‘ und ausgestellt auf Veranstaltungen zur ‚Förderung der psychischen Gesundheit‘. Es ist nicht Kunst per se, ‚sondern Kunst von …‘ es ist eine ‚Inspiration‘, eine ‚gute Tat‘, ein ‚Wohlfahrtsgegenstand‘.

So ist es nicht verwunderlich, dass die österreichische Dichterin Christine Lavant nicht wollte, dass ihre Aufzeichnungen aus dem Irrenhaus zu Lebzeiten veröffentlicht werden. Und auch wenn sich Ingeborg Bachmann in ihren Erzählungen und Romanfragmenten intensiv mit (der Gewalt von) Psychiatrie auseinandersetzte, so durften ihre Schriften zu ihren eigenen Klinikaufenthalten erst 40 Jahre nach ihrem Tod in dem Band Male Oscuro veröffentlicht werden. Die eigene Betroffenheit zu verbergen scheint notwendig, um Kunst zu machen, um Literatur zu schreiben und dabei nicht zu haften für gesellschaftliche Zuschreibungen, welche der eigenen Arbeit anhaften, als Outsider-Kunst, als Psychiatrie-, Frauen- oder Migrationsroman. Ob Klee selbst psychiatriebetroffen war, ob der Vogel in dem Spalt auf dem Bild sein eigener ist, ist nicht bekannt.

Ist es der Vogel selbst, der Wahn von Kunst trennt? Ist es der Mut, ihn fliegen zu lassen statt in Spalten zu verbergen? Oder ist es die Zu_schreibung von außen, die ‚unsere‘ Kunst aus dem ver_rückt, was als Kunst gilt?

Eliah Lüthi schreibt, performt, dichtet und forscht als Akademie der Unvernunft und freut sich, auch künftig in dieser Kolumne einen Raum zu schaffen für ver_rückte Kunst und Kultur, für transformative Träume, denen Flügel wachsen dürfen. 

akademie-der-unvernunft.org

Das Logo der Akademie der Unvernunft zitiert Paul Klees Zeichnung hat ein Vogel