Jedes Jahr im Oktober veröffentlichen Sozialorganisationen aktuelle Zahlen zum Tag der Armut. Besonders kritisch sieht es für armutsbetroffene oder -gefährdete Kinder und Jugendliche aus. Sie hausen in nicht beheizten oder schimmligen Räumen, können Kosten für Schulausflüge nicht berappen oder auch nicht mit Freund*innen ins Kino, sind öfter krank und fallen meist schulisch zurück – wenn nicht entgegengewirkt wird. Krisensituationen – wie der Ausbruch von Corona – verschärfen diese Situationen natürlich massiv.
Österreich sieht sich plötzlich auch mit dem Phänomen von rasant steigender Jugendarbeitslosigkeit konfrontiert: Fast 62.000 junge Menschen sind betroffen. Das Jahoda-Bauer-Institut warnt vor dem sogenannten „Scarring-Effekt“: In jungen Jahren arbeitslos zu sein bedeutet, nach 10 Jahren immer noch geringeres Einkommen zu haben. Eine Auswirkung auf die physische und psychische Gesundheit lässt sich sogar 50 Jahre später noch nachweisen.
Die Volkshilfe befragte jüngst 100 armutsbetroffene Familien telefonisch. Die Lage ist prekär. Die Hälfte der Befragten bewertet die aktuelle Lebenssituation mit den Schulnoten 4 oder 5. Vor Corona vergab niemand die Note 5; ein „Genügend“ verteilten lediglich 7 %. Was so adrett ‚Home-Schooling’ genannt wird, ist für diese Familien oft verheerend. Es fehlt an Laptops oder Breitband-Internet, an geeigneten Räumen (denken Sie nochmals an die schimmligen, unbeheizten Kinderzimmer) und vielfach auch am Know-how der Eltern – was nicht despektierlich klingen soll, denn: Könnten Sie aus dem Stand die Kurvendiskussion in Mathe erklären, das Plusquamperfekt deklinieren oder alle Erdzeitalter aufzählen? Und hätten Sie die Zeit dazu? Zudem beschreiben Eltern ihre Kinder als aggressiver, trauriger und einsamer seit dem Ausbruch von Corona. Denn auf ihre Bedürfnisse wird nun gänzlich vergessen.
Mein Appell für die ‚neue Normalität’ lautet, keine gesellschaftlichen Furchen wieder aufzureißen, die wir (teilweise) überwunden hatten. Es würde Generationen dauern, diesen Graben der Ungleichheit für die Chancengleichheit zu ebnen.