Flatten the curve. Exponentielles Wachstum. Eine zweite Weltwirtschaftskrise. In den letzten Monaten starrten wir täglich auf wachsende oder fallende Zahlen und Kurven, während die Kulturszene – zumindest gefühlt – stillstand. Für die vorliegende Ausgabe der KUPFzeitung nahmen wir uns daher eine Art Bestandsaufnahme vor: Was bedeutet dieses Wachstum? Woher kommt die kulturelle wie wirtschaftliche Ausrichtung darauf? Scheitern wir – auch jetzt wieder – am eigenen Wachstum? Um das zu überprüfen, führen wir eine Diskussion fort, die in der letzten Ausgabe mit einem Plädoyer für die Beschleunigung begann. Dazu blicken wir weit über den Tellerrand und befragen etwa einen Investitions-Experten, was die sogenannte ‹Passion Economy› so interessant macht (S. 14), das Institut für Arbeitsforschung und Arbeitspolitik, wie ein kultureller Wandel durch Digitalität und künstliche Intelligenz aussehen kann (S. 18), oder eine Kulturvirologin, was die Kunst (immer schon) von Viren lernt und lernen kann (S. 6). Gleichzeitig interessieren uns auch Gegenmodelle: eine Philosophie der Verlangsamung etwa, die sich gegen die selbstausbeutende Überproduktion namens ‹Projektitis› richtet (S. 19); oder eine an der Musik orientierte Kritik des Wachstums (S. 20). Gegen die stetig zunehmende und fundamentale Unsicherheit namens Prekariat schreiben gleich mehrere Autor*innen an (z. B. S. 5, S. 12, S. 15) und ‹De-Growth› ist vom Thema der letzten Bildpunkt (S. 34) bis zur gerade virtuell absolvierten ‹Degrowth› Konferenz in Wien in aller Munde. Die Coronakrise ist aus keinem der Beiträge wegzudenken; sie beschäftigt, betrifft (S. 8) und verändert uns wohl nachhaltig. Diese kollektive Erfahrung des Ver-Wachsens (S. 16), dieses ‹Mehr›, das sich paradoxerweise in einer fundamentalen Vereinzelung und einem kulturellen/ gesellschaftlichen ‹Weniger› ausdrückt, gilt es nach wie vor zu beschreiben (S. 27), zu analysieren und auf seine Konsequenzen abzuklopfen. So stellen viele Texte die Frage nach dem ‹Danach›: Welche längerfristigen Auswirkungen hat COVID-19 auf Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft? (S. 13) Was findet im Sommer an kulturellen Veranstaltungen unter welchen Umständen statt? (S. 30 f.) Wie verändern sich unsere Begriffe von ‹privat› und ‹öffentlich›? (S. 22 f.) Können oder wollen wir diese Kulturszene überhaupt durch diese Krise retten? Dabei wird das system-immanente Konstrukt der ‹Krise› kritisiert (S. 10), aber auch als Chance in Hinblick auf eine (Re-)Demokratisierung von Kunst und Kultur begriffen (S. 9). Mit dem Wolf Haas-Zitat «Jetzt ist schon wieder was passiert» begann mein erstes Editorial als KUPFzeitungsleiterin – gemeint war der balearische Niedergang von Schwarz-Blau II. Genau ein Jahr später steht durch Corona eine kulturpolitische und -praktische Neuordnung bevor, die mit dem Rücktritt Ulrike Lunaceks als Staatssekretärin für Kunst und Kultur erst ihren Anfang genommen hat. Alles neu macht(e) der Mai, was für die KUPFzeitung weiterhin heißt, die Entwicklungen wachsam und kritisch zu verfolgen. Schreiben Sie uns gerne jederzeit an zeitung@kupf.at, wenn Sie sich auch aktiv am Diskurs beteiligen wollen. An dieser Stelle möchte ich zuletzt noch den KUPFkolumnist*innen Eva Egermann und Walter Ego für ihr Engagement in Sachen gemeinsame Kultur der Inklusion und ihre schriftliche Bereicherung unserer Zeitung danken. Dass wir diese Perspektive nicht verlieren, garantieren künftig Elisabeth Löffler (S. 29) und Eliah Lüthi als alternierende Autor*innen der neuen Crip & Mad Kolumne. Wir freuen uns über diesen Zuwachs im Team!
Nicht pflanzen, sondern wachsen lassen!
Katharina Serles für die Redaktion