Die Kulturplattform Oberösterreich machte im Sommer 2019 erstmals die Zuwendungen des Landes OÖ aus dem Kulturbudget an die KTM Motohall publik. Ein ihr nun vorliegendes Gutachten zeigt, dass diese Förderungen klar rechtswidrig und damit rückzufordern sind.
Im Sommer 2019 kritisierten wir als KUPF OÖ im Rahmen einer Pressekonferenz die drastischen Kürzungen bei zeitgenössischen Kunst- und Kulturvereinen (2018 wurden mehr als 2,4 Mio. € an Förderungen gestrichen!). Dass der KTM Konzern für sein Werbeprojekt der KTM Motohall im selben Jahr eine Förderung in Höhe von 600.000 € erhalten hatte, war für uns umso unverständlicher. Doch diese 600.000 € stellten nur die Spitze des Eisbergs dar.
Mit der Zeit wurden immer mehr Details bekannt: Die aus unterschiedlichen Töpfen gewährten Förderungen der Motohall belaufen sich laut Medienberichten mittlerweile auf insgesamt 6,7 Mio. €: 1,8 Mio. € aus dem Kulturbudget des Landes OÖ, 1,8 Mio. € aus Bedarfszuweisungen aus Gemeindemitteln, 200.000 € aus dem Bereich Wirtschaft und Touristik, weitere 700.000 € flossen über die Gemeinde Mattighofen, die zusätzlich noch 2,2 Mio. € für die Tiefgarage spendierte. Schließlich stellte sich heraus, dass das Grundstück, auf dem die Motohall errichtet wurde, unterhalb des üblichen Marktpreises von der Gemeinde an KTM verkauft worden war.
Prüfung notwendig
Schnell wurden weitere fragwürdige Aspekte der Förderungen der Motohall bekannt. Wir hielten eine gründliche, unabhängige Prüfung der gewährten Förderungen für notwendig und wandten uns am 13. August 2019 an den Landesrechnungshof (LRH). Eine eingehende Prüfung des Sachverhalts wurde vom LRH schließlich Ende August zugesagt. Die Veröffentlichung ist bis spätestens Mai zu erwarten.
Egal, was dabei herauskommt: Der LRH kann nur unverbindliche Empfehlungen aussprechen. Selbst in dem Fall, dass der LRH Verstöße des Landes OÖ gegen geltende Rechtsgrundlagen feststellt, ergeben sich daraus keine unbedingten Rechtsfolgen. Anfang September beschlossen wir daher, ein Rechtsgutachten in Auftrag zu geben. Dieses sollte die rechtliche Situation des Förderfalls fachlich fundiert erheben und unsere weiteren rechtlichen Möglichkeiten abklären. Dabei sollte die Förderung auf Einhaltung der sie berührenden Rechtsgrundlagen – wie das EU-Wettbewerbsrecht, das Kulturfördergesetz OÖ oder das Haushaltsgesetz OÖ – geprüft werden.
Zur Finanzierung des Gutachtens rief die KUPF OÖ ein Crowdfunding ins Leben. Das Crowdfunding war ein voller Erfolg: Innerhalb einer Woche spendeten über 200 Personen, Vereine und Wirtschaftsbetriebe mehr als 6.000 €.
Mit einem elf-seitigen Fragenkatalog gingen wir ab Oktober auf die Suche nach einer Kanzlei, um das Gutachten zu beauftragen. Etwas überraschend gestaltete sich diese Suche schwieriger als gedacht: Sechs Kanzleien lehnten den Auftrag aus Angst vor Konsequenzen durch das Land OÖ oder KTM ab. Im November entschieden wir uns für eine Beauftragung der Wiener Kanzlei von Peter Thyri, einem international renommierten Experten für Kartell- und Wettbewerbsrecht.
Das Prüfungsergebnis
Das nun vorliegende Gutachten kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Die vom Land OÖ als Kulturförderungen gewährten Beihilfen sind aus mehreren Gründen EU-wettbewerbsrechtswidrig:
Der Tatbestand des Beihilfenverbots ist erfüllt, da die Beihilfe von einer öffentlichen Stelle an eine einzelne, wirtschaftlich tätige Organisation geht und dieser einen wirtschaftlichen Vorteil bietet, der zu einer Wettbewerbsverfälschung oder Handelsbeeinträchtigung führt. Damit unterliegt die Beihilfe einer Anmeldepflicht, was bedeutet, dass vor Gewährung der Förderung die Freigabe durch die EU-Kommission einzuholen gewesen wäre. Eine solche Einzelanmeldung wurde vom Land OÖ aber nicht vorgenommen.
Von der Anmeldepflicht befreit wäre die Beihilfe nur gewesen, würde sie unter die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) fallen. Dafür müssten die Fördermaßnahmen einen expliziten Anreizeffekt haben und als Kulturbeihilfe qualifizierbar sein. So argumentiert auch das Land OÖ. Doch auch dieses Argument ist in zweierlei Hinsicht nicht tragfähig:
Erstens bestand nie ein Anreizeffekt, wie der zeitliche Verlauf zeigt: Der KTM Konzern begann bereits deutlich vor der Gewährung der ersten Förderung mit dem Bau der Motohall – und zwar laut öffentlich einsehbaren Informationen spätestens im Jahr 2016, eventuell aber schon früher. Der Förderbeschluss der Landesregierung wurde allerdings im ersten Halbjahr 2018 getroffen, die Fördererklärung von KTM selbst datiert auf September 2018. Der Brief von Landeshauptmann Pühringer an KTM Chef Pierer aus dem Jahr 2015, in dem eine Förderung «in Aussicht gestellt» wurde, stellt laut Aussagen des Landes OÖ keine Förderzusage dar. Kein Wunder, denn so hätte der Landeshauptmann seine Kompetenzen überschritten (mehrjährige Förderzusagen müssen zwingend vom Landtag getätigt werden).
Zweitens ist es nach AGVO fraglich, ob die Förderung überhaupt als Kulturbeihilfe zu bewerten ist, was wiederum davon abhängt, ob die KTM Motohall ein Museum ist oder nicht. Hier wird der Sachverhalt (nur theoretisch) etwas verzwickter: Laut Thyri liefert das Beihilfenrecht selbst keine Museumsdefinition. Auch mag sich manch gelehrte Debatte eine Ausweitung des Museumsbegriffs wünschen. Trotzdem handelt es sich nach allen gängigen Kriterien und Definitionen – nur darum kann es hier gehen – bei der Motohall nicht um ein Museum. Eine Förderung, die vom Status der ‹Museenhaftigkeit› abhängt, darf sich nicht auf intellektuelle Spielereien einlassen, sie braucht praktikable und nachvollziehbare Richtlinien der Einordnung. So sahen es auch etliche Museumsexpert*innen: Weder der Verbund oberösterreichischer Museen noch der Internationale Museumsverbund ICOM wurden bisher mit einer offiziellen Prüfung der Motohall beauftragt. Beide haben von sich aus festgehalten, dass die Motohall in ihren Augen kein Museum ist. Inzwischen ist übrigens auch bei der EU-Kommission eine Überprüfung im Gange: Das Land OÖ muss dabei beweisen, dass die Beihilfe an KTM tatsächlich eine Kulturförderung gewesen ist. Dieser Beleg wird kaum zu erbringen sein. Es ist höchst wahrscheinlich, dass sich die EU-Kommission der Meinung der Expert*innen anschließt und die Motohall nicht als Museum qualifiziert. In der Folge könnte die EU-Kommission dann eine Rückzahlung der Förderungen anordnen.
Als wäre all das nicht genug, ist schließlich sogar davon auszugehen, dass mit der Beihilfe gegen das Kulturfördergesetz OÖ verstoßen wurde. Dieses sieht analog zum EU-Wettbewerbsrecht ausdrücklich eine subsidiäre Förderung vor; das heißt gefördert wird nur, wer ein Projekt ohne zusätzliches Geld nicht umsetzen könnte. Es bedarf nicht einmal besonderer intellektueller Fähigkeiten, um nachzuvollziehen, dass ein Konzern, der jährlich 130 Mio. € operativen Gewinn verzeichnet, keine subsidiäre Förderung für seine Motohall braucht.
Was nun?
Das Gutachten wurde sowohl dem Landesrechnungshof als auch der EU-Kommission übermittelt. Ob es nach diesen beiden Prüfungsprozessen noch weitere rechtliche Schritte einzuleiten gilt, werden wir sehen. Wir als KUPF OÖ sind mit dem Ergebnis jedenfalls in unserer Position bestärkt. Wir sind von Anfang an dafür eingetreten, dass das Land OÖ die Förderungen an den milliardenschweren KTM Konzern zurückfordern muss. Es wird Zeit, dass das Kulturbudget wieder den Kulturvereinen zu Gute kommt, die die Mittel auch wirklich brauchen. Konkret kann das heißen: Das Land erhöht das Förderbudget der zeitgenössischen Kunst und Kultur generell und nachhaltig um 5 Mio. € (wir fordern das seit 2017). Dass die rechtswidrig an KTM ausgeschütteten 1,8 Mio. € Kulturförderung an jene Vereine rückgeführt werden, deren Förderungen vor zwei Jahren gekürzt wurden, wäre ein erster Schritt.