«Nein, für das Geld mache ich das nicht» – ich wünschte, wir hätten alle den Mut, diesen Satz zu sagen, wenn wieder einmal Kreativ- oder Sozialleistung als selbstverständliches Ehrenamt oder Prekariat gesehen wird. Doch Mut ist hier nicht das richtige Wort. Es muss «Möglichkeit» heißen, denn es impliziert eine Position der sozialen Absicherung. Man möchte meinen: in Österreich kein Problem. Mitnichten! Das Phänomen ‹Working poor› ist seit Jahren auch bei uns messbar – also Armutsbetroffenheit oder -gefährdung trotz Erwerbstätigkeit (oft sogar in mehreren Jobs). Bereits Ende 2011 meldete die Statistik Austria, dass rund 500.000 Menschen den absoluten Mindestlebensstandard nicht finanzieren können. Aktuell gelten in Österreich 1.512.000 Menschen als armutsbetroffen oder -gefährdet.
Die Forderung eines Mindestlohns schaffte leider nicht den Sprung ins Regierungsprogramm. Eine Kernaufgabe des Sozialstaats wird wieder auf Institutionen, Vereine oder NGOs abgewälzt. Und nicht zuletzt auch an uns als Zivilgesellschaft und Bürger*innen. Wenn wir uns als Solidargemeinschaft verstehen, liegt es wieder an uns, Abwärtsspiralen, Lohndumping und idiotische Hetze zu stoppen (Stichwort ‹soziale Hängematte›).
Ich bin mir sicher: Unter den Leser*innen dieser Kolumne sind Menschen, die in Firmen Verträge abschließen, die andere Menschen beauftragen, die für Kreativleistungen angefragt werden, die ein Glied in einer Kette von Reaktionen sind. Nutzt diese Position! Sagt Nein, wo es möglich ist! Und unterstützt jene, die als Resonanzkörper für diese Forderungen einstehen. Fridays for Future hat bewiesen, dass etwas Großes mit einer ‹kleinen› Stimme beginnen kann.
Ich arbeite selbst ehrenamtlich für eine Organisation im Sozialbereich, um für andere ein lautes «Nein» auf die Straße zu bringen. Aus zahlreichen Erfahrungen und Begegnungen kann ich erzählen: Bei jeder Aktion im öffentlichen Raum gibt es immer, wirklich immer, mindestens einen Menschen, der mir zuflüstert: «Danke, dass ihr das tut, denn meine Stimme wird nicht gehört, ich bin aber betroffen.» Und so lange es diesen Menschen gibt, müssen wir – die wir es können – für andere Nein sagen.
Mit einem Comic von Stephan Gasser.