Das Jazzfestival Saalfelden ist eines der renommiertesten Festivals in Europa. Internationale Künstler*innen
spielen jedes Jahr im August inmitten der Bergkulisse im Salzburger Pinzgau. Vor 15 Jahren geriet die Jazzinstitution in finanzielle Turbulenzen und stand vor dem Aus. Intendant Mario Steidl hat bei der Wiedergeburt angepackt. Im Gespräch mit Journalistin Stefanie Ruep erzählt er, wie das Festival zu einem offenen Treffpunkt für ein breites Publikum geworden ist und wie er es weiterentwickeln will.
Stefanie Ruep: Heuer geht das Internationale Jazzfes tival Saalfelden zum 41. Mal über die Bühne. Sehr viele mittelgroße Städte machen ein Jazzfestival – wodurch unterscheidet sich Saalfelden von anderen Festivals?
Mario Steidl: Was Saalfelden immer ausgemacht hat, ist, dass die Besucher*innen dort Musik finden, die sie noch nicht kennen. Es ist zentral für das Publikum, Neues zu entdecken. Zudem sind wir immer unserer Linie treu geblieben und haben nicht irgendwelche Popgrößen eingeladen, um mehr Publikum anzuziehen. Und die Lage inmitten der Berge macht uns aus. Es ist eine Kombination aus Landschaft, Programm und neuen Projekten.
Wie schafft man die größtmögliche Akzeptanz für ein Festival bei der Bevölkerung?
Das dauert. Am Anfang gab es Schilder, wie «Besucher des Festivals in diesem Gastbetrieb nicht erwünscht». Da kommen die wilden, langhaarigen Leute daher, das war für die Lederhosenträger*innen in den 70er Jahren ein totaler Kulturschock. 2004 hatte man auch keine Skrupel, das Festival aufzulösen. Aber wir haben es geschafft, die Leute durch unser Angebot mitzunehmen. Es ist kein «Closed Shop», bei dem sich zwar in der Stadt etwas rührt, aber keine*r etwas mitbekommt. Durch die Konzerte auf Almen, am Stadtplatz und im Park mit freiem Eintritt reichen wir den Einheimischen die Hand und geben ihnen die Möglichkeit, in die Musik einzutauchen. Das Festival ist partizipativ gestaltet. Das ist voll aufgegangen. Jetzt sagen die Leute: «Das ist unser Festival».
Es gab 2004 einen großen Einschnitt für das Jazzfestival Saalfelden. Es geriet in finanzielle Turbulenzen und musste 2005 ausfallen. Was ist da passiert?
Es wurde von den Vorgänger*innen schlecht kalkuliert, aber man hätte völlig anders reagieren können. Wir haben 2004 ein Krisenfestival veranstaltet, es in kürzester Zeit aus dem Boden gestampft und trotz der Altlasten waren wir nur 10.000 Euro im Minus. Trotzdem haben viele Stimmen eiskalt gesagt: «Das brauchen wir nicht». Das Festival gab es bis dahin schon 25 Jahre lang. Ein Ende wäre eine Katastrophe gewesen.
Was hat das Jazzfestival Saalfelden schlussendlich gerettet?
Wenn Christian Kresse vom Tourismusverband Saalfelden nicht gesagt hätte, sie übernehmen das, dann hätte es das Festival nicht mehr gegeben. Damals hat der Vorstand vom Verein, der auch das Kunsthaus Nexus betrieb, privat für das Festival gehaftet. Die Gemeinde wollte die Haftung nicht übernehmen. Nach der Zusage des Tourismusverbands sagte auch Wilfried Hauslauer 80.000 Euro aus dem Tourismusförderungsfonds zu. Nun hat sich das gedreht und wir haben eine sehr breite Unterstützung.
Wie haben Sie als Intendant die Herausforderung angepackt, das Festival neu aufzustellen?
Ich war gerade 30 Jahre alt und mit dem Studium im zweiten Bildungsweg fertig. Es war eine Herausforderung. Große Schuhe, aber wir versuchten, darin zu gehen. Im ersten Jahr war es nur wichtig, das Festival durch den Ausgleich zu pushen. Es war nix da, kein Geld, um etwas Neues zu machen. Die Voraussetzungen waren denkbar schlecht. Wir sind dann mit den Kosten runter, haben das Festival ins Zentrum, ins Kongresshaus verlegt, statt draußen auf der Wiese die große Zeltstadt aufzubauen und damit das Budget von 800.000 auf 500.000 gesenkt. Es war viel zu tun. Jetzt ernten wir die Früchte.
In Saalfelden werden ungewöhnliche Bühnen bespielt. Was macht es mit dem Publikum und den Musiker*innen, wenn das Konzert im Bezirksgericht oder einer Buchbinderei stattfindet?
Anfangs hatten wir das steife Konzept mit 30 Konzerten fortgeführt. Irgendwann war das zu wenig, mit so großartigen Künstler*innen. Deshalb haben wir vor drei Jahren Versuchsballons steigen lassen und Konzerte in der Buchhandlung und im Museum veranstaltet. Da war der Anklang sehr gut. Wir haben den Park, der lange brach lag, drei Tage mit DJs bespielt und dazwischen Impro-Sessions von Jazzmusiker*innen. Es war eine Art Zwangsbeglückung des jungen Publikums, um das Bild von Jazz in den Köpfen neu zu formatieren. Anstatt es als schräges Gedudel oder die Musik ihrer Großeltern zu sehen, sollten sie erkennen, dass Jazz neu, cool und hip ist. Viele Konzerte sind auch kostenlos verfügbar. Das hat funktioniert. Gleichzeitig wollten wir den Musiker*innen Räume bieten, wo ihre Musik reinpasst. Sie kommen nicht nur für einen Gig, sondern haben in Saalfelden auch Bühnen, wo sie experimentieren und sich musikalisch begegnen können. Die Musiker*innen nutzen das, um neue Projekte zu kreieren.
Frauen sind nicht gerade überrepräsentiert im Jazz. Wie schafft man es, mehr Frauen einzubinden?
Letztes Jahr hatten wir eine Quote von 30 Prozent Frauen. Ich schaue ganz bewusst darauf. Aber ich stelle keine Frau auf die Bühne, nur weil es eine Frau ist. Es ist eine permanente Suche, um nicht immer die gleichen Frauen zu bringen. Aber es ist wichtig, Frauen zu präsentieren und das versuchen wir auch.
Mit dem Jubiläum im Vorjahr wurde erneut ein Kurs der Erweiterung und Erneuerung eingeschlagen. Wie geht das jetzt weiter?
Das wird so bleiben. Die vielen Konzerte gab es nicht nur zum Jubiläum. Wir werden weiter neue Räume bespielen und Artists in Residence haben. Ich möchte das Festival noch interdisziplinärer gestalten und auf andere Kunstformen ausdehnen. Street Art, Visual Arts oder Installationsprojekte – das wäre mein Traum für das Festival in den nächsten zehn Jahren – hin zum Kunstfestival.