„Wenn du nur brav und hart genug arbeitest, wirst du etwas erreichen, gehört werden und irgendwann mitreden können.“ Ein Satz, den ArbeiterInnenkinder und People of Colour von kleinauf hören. Und später irgendwann auch glauben müssen, um in diesem System nicht unterzugehen. Sie werden es meistens trotzdem, nur wird das vielen erst spät bewusst.
Der Hashtag #MeTwo, bei dem Menschen über ihre rassistischen Diskriminierungserfahrungen twitterten, brachte – mir zumindest – diese Erkenntnis. Angesichts der ohrenbetäubenden Fülle an Ausgrenzungsmechanismen und -erfahrungen bleibt die Frage: Wozu das Ganze? Und vor allem die Gewissheit: Mir, und uns allen, reicht’s. Es reicht damit, höflich zu denen zu sein, die uns unterdrücken. Es reicht damit, uns zu verbiegen, um diesem System und dieser Normalität zu gefallen. Es reicht auch damit, keine unverhohlene Kritik mehr zu äußern – aus Angst anzuecken. Aus Angst vor noch mehr Ausgrenzung und Rassismus.
Diese Obsession des „artigen Redens“ mit Menschen, die „anderer Meinung“ sind, kann nur von weißen, privilegierten Menschen kommen. Für marginalisierte und diskriminierte Gruppen bedeutet es fast immer: Rede mit Menschen, die dich dein Leben lang wie Dreck behandelt haben. Es ist nicht für jedeN sicher, sich mit Rechten zu unterhalten. Für vom System Ausgegrenzte ist es keine „spannende, neue Erfahrung“. Sie leben damit jeden Tag. Gezwungenermaßen. Weil Austausch nicht im luftleeren Raum passiert. Sondern inmitten von Machtverhältnissen.
Die Gesellschaft wird nicht geeint, indem Rassismus, Sexismus, Homo- und Transhass zur „Meinung“ werden und versucht wird, „Ängste zu verstehen“. Diese Dinge wird es noch sehr lange geben und sie müssen verurteilt werden. Immer und kompromisslos. Es ist auch nicht die Aufgabe von PoC, Feminist*innen, und LGBTQI-Personen, ständig und überall unbezahlte Sensibilisierungsarbeit zu leisten.
Die kritischsten antirassistischen Stimmen im Netz sind bewusst anonym. Und sie werden regelmäßig aus der Debatte verdrängt, attackiert, bedroht. Denn sie sind es, die eine Revolution auslösen könnten. Kritik an den Herrschenden darf nicht höflich, nett und lieb sein. Sie muss sitzen. Und wehtun. Denn nur so kann sie etwas verändern.