Barbara Eppensteiner liefert einen Debattenbeitrag mit medienpolitischen Überlegungen – auch zur Rolle des nichtkommerziellen Rundfunks.
Aktuell schlagen die medienpolitischen Wogen hoch. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht im Fokus politischer Begehrlichkeiten. Was soll Medienpolitik wie regeln? Die seit Jahren angekündigte Enquete zu Medienfragen hat bei Redaktionsschluss noch nicht stattgefunden. Führt sie eine Trendwende zum Besseren herbei? Das darf bezweifelt werden. Zu lange dauert das schlampige Verhältnis zwischen Medien und Politik in Österreich schon an.
Medien und Politik – ein schlampiges Verhältnis
Medienpolitik war seit Beginn der zweiten Republik eine zähe, über weite Strecken unerfreuliche, weil vor allem interessengeleitete Angelegenheit. Als ob
die Auseinandersetzungen des kalten Krieges, in dem erbittert um Einflusssphären gerungen wurde, nach dem Abzug der Alliierten als Geist der letzten Weihnacht weiter wirkten. Getreu dem Motto: Welche Rahmenbedingungen stellen sicher, dass ich und meine Partei möglichst oft vor- und möglichst gut wegkommen? Dass meinem politischen Gegner eher wenig oder nur kritische Aufmerksamkeit zuteil wird? Gestaltungswille wich einem uninspirierten Pragmatismus, in dem persönliche Befindlichkeiten politischer EntscheidungsträgerInnen mehr zählen als demokratiepolitische Überlegungen. Medienpolitik war – unter Beteiligung der Medien selbst – jahrzehntelang als diskrete Machtpolitik angelegt. Genutzt hat das in erster Linie dem Boulevard, der großzügig mit Inseraten versorgt wurde. Geschadet hat sie der Glaubwürdigkeit aller öffentlich-rechtlichen Unternehmungen und damit letztlich auch jedem ernstzunehmenden Journalismus. Geschwächt wurde und wird die Demokratie. Es braucht jetzt Gestaltungswille – und die Bereitschaft, auf inhaltliche Einflussnahme zu verzichten.
Ohne Infrastruktur geht’s nicht
Müllabfuhr, Straßenbau, öffentlicher Verkehr, Schulwesen und vieles mehr: Auch wenn der Bildungssektor ebenfalls unter politischer Einflussnahme leidet, organisatorisch funktionieren all diese Bereiche gut bis sehr gut. Und es ist weitgehend unumstritten, dass sie mit Steuergeld zu finanzieren sind. Rein marktwirtschaftlich lässt sich keine dieser Infrastrukturen allgemein zugänglich oder auch nur einigermaßen gerecht organisieren. Roms Müllberge und Englands marode Schienen legen davon ebenso Zeugnis ab wie das Schulsystem der USA. Wo Privatisierung und profitorientierte Ökonomisierung bestimmen, erodieren wichtige Grundlagen des Gemeinwesens. Auf der Strecke bleiben dann nicht nur die Sauberkeit oder die sichere Reise von A nach B. Eine ansatzweise Chancengleichheit und längerfristig auch der soziale Frieden leiden darunter. Damit gerät letztlich auch die Demokratie in Gefahr.
Populismus vs. demokratische Öffentlichkeit
Demokratie braucht eine Öffentlichkeit, die tatsächlich als solche funktioniert, in der Interessengegensätze unaufgeregt dargestellt und zivilisiert ausgetragen werden. Öffentlichkeit kommt nicht ohne eine sorgsam gepflegte Infrastruktur aus und darf nicht allein dem Markt überlassen werden. Was ihre Privatisierung bewirkt, wird aktuell deutlich sichtbar. Die privatkommerziellen, internationalen Netzplattformen produzieren Newsfeeds voller Hass und Verleumdung und verkaufen ihre immer diffizileren Werbestrategien um teures Geld. Facebook ist eine große Werbeagentur, die stetig an der Verbesserung ihrer Strategien arbeitet. Mittels Mikrotargeting werden Menschen mit individuell passender Botschaft beschickt, die sich nicht an den Verstand, sondern an die Emotion richten. Ergebnis sind die bekannten, emotionalen Debatten im Netz. Die passen perfekt zu den Kommunikationsstrategien der populistischen Parteien, deren Erfolg auf einem ähnlich emotionalisierten Geschäftsmodell beruht. Beobachten lässt sich das an der Diskussion um Fluchtrouten, AusländerInnenBenachteiligung oder Sozialleistungskürzungen. Diskurse, mit denen dieses Business täglich weiter genährt wird.
Was tun, um dem entgegenzuwirken? Wir müssen uns wieder mit den Aufgaben von Medien auseinandersetzen: Wieso es so gefährlich ist, wenn ihre Organisation, Struktur und Finanzierung dem Markt überlassen werden? Es braucht ein neues Bekenntnis zur Medienkompetenz – die Fähigkeit, zu erkennen, wer mit welchem Interesse was kommuniziert.
Mediale Infrastruktur vor Ort
Die Orte, an denen das passiert, gibt es bereits. Denn allen widrigen Umständen zum Trotz hat sich in Österreich ein vielfältiger und widerstandsfähiger nichtkommerzieller Rundfunk entwickelt. Seit nunmehr 20 Jahren stellen 14 Freie Radios und drei TV-Sender lokale Kommunikationsinfrastruktur bereit, die offen zugänglich ist und allen BewohnerInnen der jeweiligen Region zur Verfügung steht. Dieses demokratiepolitische Angebot wird gut und gern angenommen. Menschen wollen gehört werden. Sie erleben es als Gewinn an Lebensqualität, wenn sie sich aktiv und kreativ einbringen können.
Right to public expression
Nach 20 Jahren kann der nichtkommerzielle Rundfunk viele Erfolge vorweisen. Die reichen von zahlreichen Preisen und Auszeichnungen bis hin zur Anerkennung auch auf internationaler Ebene: Der Europarat schätzt die Bedeutung zugangsoffener Medien sehr hoch ein. Im «Orientierungsrahmen für eine Medienpolitik im Sinne der Europäischen Menschenrechte» soll aus dem «Freedom of expression» ein «Right to public expression» werden – also das Recht
aller Bürgerinnen und Bürger, sich am öffentlichen Kommunikationsprozess zu beteiligen. Die jüngste Empfehlung des Ministerkomitees des Europarats weist ebenfalls auf die Bedeutung von gemeinnützigen Community-Medien als Gegengewicht zur Medienkonzentration hin – und auf ihre besondere Eignung zur Befriedigung der Informationsbedürfnisse und -interessen aller Teile der Gesellschaft. So schön diese Anerkennung ist, so wenig monetären Niederschlag findet sie bislang.
Was wir jetzt medienpolitisch bräuchten: Eine echte Debatte zur demokratischen Funktion von Öffentlichkeit. Die Bereitschaft dazu Mittel für die Entwicklung und den Ausbau von Public Open Spaces, also nichtkommerziellen digitalen Räumen, zur Verfügung zu stellen. Und den Willen zur Kooperation all jener, die hier beitragen können und wollen. Der nichtkommerzielle Rundfunk muss dabei eine wichtige Rolle spielen.