Mitgegeben

Mit dem Rückgang öffentlicher Förderungen werden Kulturjobs noch prekärer, die Selbstausbeutung in der Kunst wird noch alltäglicher. Zugleich schaffen es kaum Kinder aus finanzschwachen Familien an die künstlerischen Ausbildungsstätten. Was passiert, wenn sich bald nur noch die Kinder reicher Eltern leisten können, Kunst und Kultur zu schaffen? Werden die Rich Kids of Kulturarbeit den Kulturbetrieb übernehmen?


Lottogewinn oder Familienerbe?

Kunst- und Kulturarbeit ist eine Arbeit. Auch wenn über diese Feststellung wenige streiten würden, müssen sich Kunst- und Kulturarbeiter_innen selbst finanzieren, besonders am Anfang ihr Karriere. Das kann bedeuten entweder in Teilzeit einer Lohnarbeit nachzugehen, im Lotto zu gewinnen oder sich, wie häufig üblich, auf das Sicherheitsnetz einer bürgerlichen Familie zu verlassen. Je weniger Zeit in die Lohnarbeit für Grundbedürfnisse geht, desto mehr Zeit hast du, deine Fähigkeiten zu verfeinern. Die Lücke ist nicht nur eine finanzielle, sondern geprägt vom Klassen-Habitus. In den Familien, die meistens bürgerlich, akademisch, künstlerisch oder eine Kombi aus all dem sind, kennt man die Kodes und man weiß zu fordern und gefördert zu werden. Wir müssen neu über diese Selbst-Finanzierunsmodelle nachdenken. Weil Kunst und Kultur ohne unterschiedliche Sichten fad sind.

Sheri Avraham ist Künstlerin und Theatermacherin, Vorstandsmitglied der IG Bildende Kunst.


Wie offen sind wir wirklich?

Dass angesichts der politischen Lage in Österreich die öffentlichen Förderungen im Kulturbereich zurückgehen werden, hat wahrscheinlich niemanden überrascht. Trotzdem besteht sicherlich keine Gefahr, dass nur mehr jene Kulturarbeit machen werden, die hohe ökonomische Ressourcen zur Verfügung haben. Die zentrale Frage ist jetzt: Was tun?

Und vielleicht müssen wir uns dabei selbst einige – teilweise schmerzhafte – Fragen stellen: War der Kultursektor jemals ein durchlässiges System? Geht es nicht eigentlich um wesentlich mehr als nur um ökonomische Fragen? Spielt nicht die Milieu-Zugehörigkeit eine wesentlich größere Rolle, als wir uns zugestehen wollen? Wie offen sind die offenen Häuser und Initiativen wirklich? Welche Rolle spielt die politisch-ideologische Abgrenzung? Suchen wir den aktiven öffentlichen Diskurs, der auch unangenehm sein kann?

Florian Huber ist promovierter Sozialwissenschafter in Wien, war viele Jahre Mitglied der Linzer Band Valina und ist nun als Bassist bei My House in Spain aktiv.


Kein Luxus!

Um die Frage beantworten zu können, müssten wir uns zuerst auf einen gemeinsamen Kulturbegriff verständigen. Und das ist bekanntlich gar nicht so einfach. Kultur ist nämlich vieles!

Darum scheint mir die Gefahr, den Kulturbetrieb zur Gänze wenigen Privilegierten zu überlassen, relativ klein. Unterschiedliche Menschen werden sich immer an der Produktion und Rezeption von unterschiedlichen Kulturformen beteiligen. Einige in Erwerbsarbeit, andere (wahrscheinlich eine Mehrzahl) im Ehrenamt oder im Privaten. Wichtig ist aber im Auge zu behalten – insbesondere angesichts von finanziellen Kürzungen und politischen Debatten – dass Kultur egal welcher Art vor allem eines nicht sein soll: Luxus.

Martina Schöggl ist als freie Kuratorin und Projektmanagerin im Kulturbereich tätig. Sie ist Obfrau des branchenübergreifenden Frauennetzwerks Sorority.


Widrige Zeiten – Kämpferische Kultur

Wird Kulturproduktion gerade wieder zu jenem Luxus, der sie historisch gesehen zumeist gewesen ist? Schließt sich jenes Zeitfenster, in dem sich unsere Gesellschaft diesen Luxus ein paar Jahrzehnte lang – durch Förderungen und Stipendien, aber eben auch Prekariat – geleistet hat?

Ich möchte es nicht ausschließen, sehe es aber optimistischer: Gerade in Zeiten, in denen die Verhältnisse am widrigsten sind, werden sich die Kulturschaffenden von ihrer kämpferischsten Seite zeigen, sie werden sich – ob Rich Kid oder nicht – behaupten, dabei den Stellenwert eines offenen, aufgeschlossenen Kunst- und Kulturbegriffs herausstreichen, seine Bedeutung für die Entwicklungsfähigkeit und letztlich das Gleichgewicht einer Gesellschaft. Und damit auch Argumente für einen erneuerten gesellschaftlichen Konsens liefern, dass Kulturförderung kein Selbstzweck, sondern im Sinne aller ist.

Manuel Fronhofer ist Herausgeber und Mitbegründer des Popkulturmagazins The Gap.