Die nachmittägliche Betreuung von Kleinkindern wird in Oberösterreich nach fast einem Jahrzehnt des kostenlosen Angebots wieder etwas kosten. Generell wolle man mit den Kürzungen weg von der „Gratismentalität“, „Leistungen“ sollen wertgeschätzt werden. Also dann: Sprechen wir über Leistungen, nämlich über die der Frauen in diesem Bundesland, und darüber, wie wir sie honorieren.
Die liebe Familie
Die oberösterreichischen Kindergärten haben österreichweit die kürzesten Öffnungszeiten, lange Ferienschließzeiten und landen auf dem vorletzten Platz beim Betreuungsangebot für Unter-Dreijährige. Familien stehen vor einem hohen Koordinationsaufwand: Wo können Kinder während der mehrwöchigen Kindergartenferien bleiben? Wie gehen wir mit der einen Stunde zwischen Kindergarten- und Betriebsschluss um? 5, 10, 15, 20 Kilometer: Welche Entfernungen bin ich bereit, auf dem Weg zur Krabbelstube zu überwinden? Das sind die Zeitfragen. Dazu kommen die Geldfragen: zig Euro für das Kindertheater, zig Euro für Materialkosten, das Faschingskostüm, die Gatschhose. Bald stellen sich aufgrund der kostenpflichtigen Nachmitagsbetreuung auch noch folgende Fragen: Wie viele Stunden Betreuung am Nachmittag sind wirklich notwendig? Kann ich da eine Stunde mit der Kollegin tauschen? Geht sich dort eine Stunde Homeoffice aus? Es sind viele Fragen. Und sie alle führen zu einer ultimativen Gegenüberstellung: Zahlt es sich noch aus? Auf der einen Seite der 20-, 30-, eventuell sogar der einigermaßen flexible 40-Stunden-Job, Sozialversicherung, Pensionsversicherung. Auf der anderen Seite die halbstündigen Autofahrten, um die Kinder von A nach B zu bringen. Die quälenden Diskussionen, Telefonate und Bitten, wer das Kind wann wo abholt. Und was tun, wenn es krank wird? Dazu die finanzielle Belastung durch das Zweitauto, die Aufwendungen für den Kindergarten und schlichtweg die unzähligen Nerven, die das alles kostet.
Daheim bleiben
«Da bleibe ich doch lieber daheim!», denken sich manche. Und in Zukunft denken sich das wahrscheinlich einige Frauen mehr. Die oberösterreichischen Frauen verdienen 38 % weniger als die oberösterreichischen Männer. Das ist der höchste Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern in allen österreichischen Bundesländern. Selbst bei Vollzeitbeschäfigung macht der Unterschied mehr als ein Viertel aus, so der Frauenmonitor-Bericht der AK OÖ. Es sind die Gehälter der Frauen, die für den Vergleich herangezogen werden: Zahlt es sich für sie noch aus, arbeiten zu gehen? Oder bleibt sie lieber bei den Kindern? Diese Frage aber können sich manche Familien gar nicht leisten: Beide Elternteile gehen arbeiten, um überhaupt für die Familie aufkommen zu können. Die Gebühren für die Nachmitagsbetreuung im Kindergarten belastet sie zusätzlich – auch, wenn sie nach sozialer Verträglichkeit gestaffelt werden.
Früher war es auch nicht gratis
Früher habe der Kindergarten, auch am Vormitag, etwas gekostet. In fast allen anderen österreichischen Bundesländern koste der Kindergarten – am Vor- und am Nachmittag. Damit relativiert Landesrätin für Bildung, Kinder, Gesundheit und Frauen, Christine Haberlander (ÖVP), die Vorwürfe, ÖVP und FPÖ wollten Frauen wieder zurück an den Herd drängen. Die Nachfrage nach Kinderbetreuung steige. Mit einem großen Investitionsvolumen werde die Kindergarteninfrastruktur weiterhin ausgebaut, um zusätzliche Plätze anbieten zu können. Bauen tut man in Oberösterreich gerne. Gerne auch einen Kindergarten, der dann den halben Tag leer steht. Dann haben der Bauarbeiter und Diplomingenieur weiterhin Vollzeit zu tun, der Bürgermeister und die Ländesrätin etwas zu eröffnen. Die Kindergärtnerin soll aber Teilzeit arbeiten.
Gratis, aber nicht umsonst
Mit dem freundlichen Gesicht der Christine Haberlander konfrontiert, denken sich viele Frauen: Das muss doch zu schaffen sein. Irgendwie muss ich das doch alles unter einen Hut bringen können. Ah und den Kuchen für das Buffet der Freiwilligen Feuerwehr am Sonntag, den muss ich auch noch … Dabei wissen wir: Wenn Frauen für Lohn arbeiten, verdienen sie weniger als Männer. Wenn sie den restlichen Tag arbeiten, gar nichts. Putzen, Kochen, auf die Kinder aufpassen, bei den Großeltern vorbeischauen, den Einkauf erledigen: Das machen zum Großteil die Frauen – kostenlos. Statistisch gesehen arbeiten Frauen in Österreich wöchentlich 18,7 Stunden bezahlt, unbezahlt 27 Stunden im Haushalt und mit den Kindern, kommen dabei auf insgesamt 45,7 Arbeitsstunden. Männer arbeiten in der Woche 30,7 Stunden bezahlt, unbezahlt 11 Stunden – insgesamt 41,7 Stunden – so die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin im «Standard» anhand der Studie des österreichischen Instituts für Familienforschung.
Freiwillig
Zur bezahlten Lohnarbeit und zur unbezahlten Haushaltsarbeit gesellt sich auch noch die freiwillige Arbeit. Etwa gleich viele Männer und Frauen in Österreich engagieren sich in der Nachbarschaftshilfe. Die konkreten ehrenamtlichen Tätigkeiten sind geschlechtsspezifsch. In der Katastrophenhilfe und bei den Retungsdiensten (z. B. Freiwillige Feuerwehr, Rotes Kreuz) engagieren sich 77 % Männer, 23 % Frauen. Einen Männerüberhang gibt es auch bei Sport und Bewegung (69 % Männer, 31 % Frauen) sowie in der politischen Arbeit und in der Interessenvertretung (62 % Männer, 38 % Frauen). Das Geschlechterverhältnis des freiwilligen Engagements ist in Kultur, Umwelt und Bildung annähernd gleich. Deutlich mehr Frauen engagieren sich im kirchlichen Bereich (59 % Frauen, 41 % Männer) sowie im Sozial- und Gesundheitsbereich (64 % Frauen, 36 % Männer). (Daten aus dem Freiwilligenbericht des Sozialministeriums)
ÖVP und FPÖ werden in Oberösterreich kräfig kürzen. Besonders hart trifft das Kultur, Kirche und den Sozialbereich, wo sich mehrheitlich Frauen engagieren. Im Sicherheitsressort könne man nicht sparen, «weil das subjektive Sicherheitsempfinden so wichtig ist», bedauert Sicherheitslandesrat Elmar Podgorschek (FPÖ) bei der Pressekonferenz zum Landeshaushalt. Die Männer bei der Freiwilligen Feuerwehr bleiben also verschont.
Die Landflucht ist weiblich
Gerade in strukturschwachen Regionen wandern mehr Frauen als Männer ab. «Wenn die Frauen gehen, stirbt das Land»: Eine Negativspirale für die Entwicklung der Gemeinden setze ein, prognostiziert die Raumplanerin Gerlind Weber im kommunalen Zukunfsbericht 2013 des österreichischen Gemeindebunds. Um die Frauen zu halten, bräuchte es beispielsweise ein ansprechendes Freizeitangebot sowie ein gesichertes Betreuungsangebot für Kinder. Der angekündigte Ausbau des Breitbandinternets allein wird junge und gut ausgebildete Frauen nicht am Land halten.
Das subjektive Sicherheitsgefühl der Frauen
Das Land Oberösterreich setzt bald viele Maßnahmen, die Frauen empfindlich treffen werden. Das subjektive Sicherheitsgefühl der einen Hälfe der oberösterreichischen Bevölkerung, nämlich der Frauen, scheint in der Budgetplanung für das Jahr 2018 keine große Rolle gespielt zu haben. Oder es wurde bewusst gefährdet. Die Leistungen der Frauen, ihre unbezahlte Arbeit und ihr ehrenamtliches Engagement werden gerne in Reden, aber selten in Taten wertgeschätzt.
Edith Huemer wünscht sich mehr Frauen im Bürgermeisteramt und als Gewerkschaftsfunktionäre. Sie empfiehlt als Neujahrsvorsatz für 2018: das Frauenvolksbegehren zu unterstützen! → frauenvolksbegehren.at