Vom Bibliothekenverband und der Bauernkapelle über den Wirtschaftsprofessor zum Landeskulturbeirat herrscht Einigkeit: Es braucht Kultur in Oberösterreich. Wie, warum und wo?
Hemma Schmutz, Paul Stepanek, Markus Siller, Christine Dollhofer, Alexander Jöchl, Sebastian Höglinger, Peter Schernhuber, Hannah Bruckmüller und Gerhard Bruckmüller nehmen Stellung.
Zentralismus tut der Kunst nicht gut
In meiner relativ kurzen Zeit in Linz habe ich das kulturelle Klima hier als sehr positiv und kooperativ wahrgenommen. Bei einer Reihe von Projekten haben die Museen der Stadt, also das LENTOS und das NORDICO, mit anderen Institutionen zusammengearbeitet bzw. werden dies auch in Zukunft tun. Bis dato haben wir das zum gemeinsamen Vorteil getan. Eine lebendige Kunstszene lebt von einem Zusammenspiel von aktiven Institutionen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Häuser mit eigener Identität sind attraktiv, da das Publikum weiß, was es zu erwarten hat. Diese Diversität gilt es meiner Meinung nach zu erhalten. Zentralismus tut der Kunst nie gut und macht die einzelnen Institutionen behäbig und im schlimmsten Fall verschwinden sie unter einer Dachmarke. Einer vernünftigen Neuordnung der Museumslandschaft mit dem Ziel der gegenseitigen Stärkung und Schärfung der Aufgaben stehen die Museen der Stadt Linz positiv gegenüber. Aber bitte keine Schnellschüsse um des Sparen willens und Veränderung nur mit kompetenter Begleitung durch Fachleute.
Hemma Schmutz
Künstlerische Direktorin der Museen der Stadt Linz
Blauäugigkeit
Werter KUPF-Vorstand, lieber Thomas Diesenreiter, ich möchte Euch allen ein Kompliment machen und danken. Ein Kompliment dafür, dass Ihr schnell und sauber recherchiert und als erste konkret nicht nur auf die Problematik des nunmehr vorliegenden Kulturbudget-Entwurfs hingewiesen, sondern dessen alarmierende Inhalte in den Auszügen auch korrekt veröffentlicht habt.
Besonders danken möchte ich – nicht zuletzt auch im Sinne der Empfehlungen des Landeskulturbeirats, die mit deutlicher Mehrheit beschlossen wurden – dafür, dass die KUPF in ihrem Protest über den Tellerrand geblickt und ganz klar dargestellt hat, dass die quasi «klassischen» Kultursparten besonders von den Kürzungen der Kulturförderung betroffen sind. Das ist durchaus nicht selbstverständlich und kommt selbstloser und solidarischer Gewerkschaftsarbeit gleich, die unter der bunten Schar der Kunst- und Kulturschaffenden nicht sonderlich verbreitet ist; dort neigen gar nicht wenige zu einer gewissen Blauäugigkeit, die erst dann von heftigem Jammern abgelöst wird, wenn Tatsachen an die Stelle von nicht wahrgenommenen Prognosen treten. Mir fällt da nur ein Gegenbeispiel ein: Es ist dies der legendäre Literat, Filmregisseur und Univ.Prof. Walter Wippersberg, der sich in den späten Neunzigern die Mühe machte, den damals noch existierenden Kultur-Förderbericht des Landes zu analysieren, die richtigen Schlüsse zu ziehen und dieselben konsequent zu verwerten.
Paul Stepanek
Vorsitzender des Landeskulturbeirats, Träger des Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst
Sparen – ja!, aber am richtigen Fleck!
Das Land OÖ sponserte bisher rund € 194 Mio. für «die Kultur». Mehr als 90 % davon, also rund € 177 Mio. verschlingen landeseigene Institutionen. 2018 sollen für diese € 175 Mio. aufgewendet werden. Für die vielen im ganzen Land verteilten, volksnahen, lebendigen und kritischen Kulturbetriebe hatte das Land OÖ bisher € 17 Mio. übrig. Diese Förderungen sollen 2018 auf unter € 12 Mio. gekürzt werden. Meiner Meinung nach ist das der völlig falsche Sparansatz. Wenn die Landesregierung glaubt, auch im Kulturbereich sparen zu müssen, – dann sollte sie das Landesmusiktheater zusperren. Diese Art der «Hochkultur» wird in Wien und Salzburg ausreichend angeboten. Das Land OÖ würde sich so € 40 Mio. ersparen.
Markus Siller
Bürgermeister der Marktgemeinde Ebensee am Traunsee
Was haben wir denn falsch gemacht?
Kalt erwischt und verunsichert hat uns wohl alle die Ankündigung von massiven Kürzungen im Kulturbudget des Landes Oberösterreich, auch weil die Tragweite solcher Einschnitte mehr als «nur» weniger Geld bedeutet, sondern damit der gesellschaftliche Mehrwert von Kunst und Kultur an Bedeutung verliert.
Warum, fragen sich nun viele, was haben wir denn falsch gemacht? – Nicht nur, dass die Zuwendungen in den letzten Jahren sukzessive stagnierten (von einer Wertanpassung ganz zu schweigen) und wir Kulturvermittler*innen ohnehin sparsamst und erfindungsreich gearbeitet haben und auch ernstzunehmende (volks-)wirtschaftliche Effekte vorzuweisen haben. Uns wurde ob der Finanzkrise und Konjunkturschwäche Nachsicht auferlegt – sollen wir jetzt nochmals den Gürtel enger schnallen? Wie werden andere Förderstellen auf europä- ischer, lokaler und Bundesebene darauf reagieren? Wird es zu einem Dominoeffekt kommen?
Als «Linderung» wird die Akquise sogenannter «Drittmittel» empfohlen, so werden wir, die unabhängigen Kulturveranstalter*innen, auf Sponsorensuche geschickt (wo sind übrigens die kulturaffinen Stiftungen, wie in anderen europäischen Ländern?) und müssen jedoch allzu oft hören, dass schon landeseigene und städtische Veranstaltungen und Häuser Unterstützung erhalten und daher leider keine Mittel für weiteres kulturelles Engagement vorhanden ist.
Christine Dollhofer
Festivalleiterin Crossing Europe Filmfestival
Nicht „Ihr“ Stein und auch nicht „Ihre“ Krone
Ob die Institutionen dem Land oder der Stadt gehören, interessiert niemanden außerhalb der Politik. Kollaborationen sollten selbstverständlich sein. Ihnen fällt sicherlich kein Stein aus der Krone, Herr Stelzer, wie Sie es einmal formuliert haben, wenn diese kooperieren. Vielmehr ist es nicht «Ihr» Stein und auch nicht «Ihre» Krone. Es ist Ihre Verantwortung, bestmögliche Voraussetzungen für die Kunst und Kultur zu schaffen!
Die Einbindung aller Beteiligten unter Begleitung externer Expert*innen wäre eine professionelle und demokratische Herangehensweise. Das Ziel muss sein, hervorragende Bedingungen für Qualität zu schaffen. Kunst und Kultur kosten Geld, Unkultur noch viel mehr.
Alexander Jöchl
Künstler, Kurator für zeitgenössische Kunst, Vorsitzender der IG Bildende Kunst
Kulturland kultivieren
Wenn die unterschiedlichen Akteur/innen des Kunst- und Kulturbetriebs derzeit eines eint, dann ist es das Ringen um gesellschaftliche Relevanz, um ein neues, nicht selten junges Publikum – kurzum, das Ringen darum, gehört, gesehen, gelesen zu werden. Man tut Szene und Branche nichts Gutes, wenn man den Status Quo blindlings fortschreibt. Es ist dringend notwendig, sich für die Neugierde stark zu machen und im Zweifel für den Zweifel einzutreten, sich für eine Kulturpolitik zu engagieren, die Errungenschaften als solche erkennt und dabei aber nicht davor zurückscheut, einen Nährboden zu schaffen, auf dem Neues gedeihen kann. Das «Kulturland Oberösterreich» will fruchtbar bleiben, dafür muss man es kultivieren. Derzeit jedoch ist man dabei, es auszutrocknen und regelrecht zu vergiften.
Der gegenwärtig so laute Ruf nach dem vermeintlich Neuen und nach der Veränderung hat nämlich keinerlei Interesse an Kunst und Kultur. Er ist diffus und somit gefährlich. Er erkennt die bisherigen Errungenschaften und die daraus resultierenden notwendigen Veränderungen nicht an, er ist ihr Feind. Die pauschalen Kürzungsvorhaben des Landes Oberösterreich sind alles andere als eine neugierige, interessierte oder gar wertschätzende Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur, sie sind sozial fahrlässig, wirtschaftlich kurzsichtig und gesellschaftlich antiintellektuell. Wir stellen uns entschieden dagegen und wünschen unseren Kolleginnen und Kollegen sowie all jenen, denen etwas an einem liberalen und vielseitigen Kulturland Oberösterreich liegt, viel Kraft und Durchhaltevermögen.
Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber
Intendanten der Diagonale – Festival des österreichischen Films
Prekärer Boden
Durch die Bereitschaft zu hohem persönlichem Einsatz bergen gerade regionale Kulturinitiativen für Kunstprojekte ein herausragendes Potenzial. Das habe ich selbst während meiner beruflichen Laufbahn immer wieder erfahren: Viele, darunter vor allem innovative, experimentelle und internationale Projekte konnte ich nur in diesem Setting realisieren. Die kulturelle Arbeit mit und vor Ort stellt für mich eine Grundfeste unseres sozialen und gesellschaftlichen Lebens dar, deren Bildungskompetenz nicht überschätzt werden kann. Leider stehen diese außergewöhnlichen Projekte ohnehin auf finanziell höchst prekärem Boden. Sie bauen maßgeblich auf ehrenamtlichem Engagement und sind auf jede, noch so kleine finanzielle Stütze angewiesen. Jeder weitere finanzielle Einschnitt gefährdet ihren Weiterbestand. Überzeugt von den einzigartigen Erfahrungen und den unsere Gesellschaft außerordentlich bereichernden regionalen Kulturinitiativen unterstütze ich diese Petition.
Hannah Bruckmüller
Kunsthistorikerin & Mitherausgeberin von all-over | Magazin für Kunst und Ästhetik
Einzigartigen Begegnungsraum erhalten
Ausstellungsprojekte, Interventionen im öffentlichen Raum, Malschulen, international besetzte Vorlesungsreihen, Artists in Residence aus europäischen Ländern: Kulturelle Projekte, wie wir sie im MUFUKU umsetzen konnten, vermögen zu begeistern, zu erstaunen, Perspektiven aufzuzeigen und Horizonte zu erweitern. Die hier geleistete kulturelle Wertschöpfung ist nicht zu überschätzen. All diese Projekte sind nur dank des unermüdlichen Einsatzes zahlreicher freiwillig Engagierter möglich. Sie sind grundlegend auf jede finanzielle Unterstützung angewiesen, da die Budgets schon jetzt äußerst knapp bemessen sind. Ich halte es für wesentlich, den einzigartigen Begegnungsraum, den Kunst und Kultur in unserer Gesellschaft zu eröffnen vermögen, zu erhalten.