Empörung

Barbara Eppensteiners neue Kommunikationskolumne

In der dritten Folge der zweiten Staffel der BBC-Serie ”Sherlock” (The Reichenbach Fall, 2012) zeigt sie sich besonders deutlich: die dramaturgisch lohnende Figur des ”Guten”, dessen besessene Beschäftigung mit dem ”Bösen” diesem immer ähnlicher macht. Medien spielen da auch eine Rolle. Sie verbreiten und verstärken das vom Superschurken Moriarty in die Welt gesetzte Narrativ, Sherlock habe sein dunkles Spiegelbild selbst kreiert und von einem Schauspieler darstellen lassen. Da keimt der Zweifel bald sogar bei den engsten Vertrauten. Die perfide Strategie lässt sich in der filmischen Erzählung als spannender Konflikt genießen. Wenn derartige Verdrehungen und Verleumdungen aber via Medien Teil unserer Wirklichkeit werden, empören wir uns. Und zwar zurecht.

Aber was dann? Wie den ebenso selbstgenügsam wie politisch gefährlichen Mechanismen, die diverse Empörungsplattformen wie Facebook und Twitter nahelegen, entkommen? Wie deutlich machen, dass der Empörung mehr folgen muss, als die Zufriedenheit damit, sich auf der moralisch richtigen Seite zu wissen? Und wie der politischen Gefahr begegnen, dass das Teilen und Kommentieren des Empörenden diesem vor allem eines bringt: noch mehr Aufmerksamkeit in einer Welt, in der diese ein ohnehin knappes Gut ist.

Eine mögliche Strategie schlägt die SOS Mitmensch Kampagne ”Populistenpause” vor. Wer einen Monat lang darauf verzichtet, die Knochen zu apportieren, die die politischen Gegner ins Spiel bringen, gewinnt möglicherweise Zeit. Und die ließe sich zum Beispiel nutzen, um Stéphane Hessels Aufsatz “Empört euch!” (wieder) zu lesen. Und dabei fest zu stellen, dass sein Empörungsbegriff nicht selbstgenügsam bleibt, sondern Engagement evozieren will. Damit das gelingen kann, braucht es positive Begrifflichkeiten und euphorisierende Geschichten, die von sozialer Gerechtigkeit, Menschenwürde, Solidarität und Empathie handeln.

Anregungen dazu, wie ein stabiles sprachliches Fundament für die eigenen Visionen guter (Kultur)Politik ausschauen könnte, finden sich etwa in Elisabeth Wehlings Buch ”Politisches Framing”. Denn um zum Eigenen zu finden, müssen wir die besessene Abwertung der Abwertenden überwinden. Wir können das!