Die Frau von Fano

Zuerst kommt der Geruch, der einen dorthin zurückbringt, wo man herkommt. Diese Mischung aus Wurst und Kaffee, das ist Österreich, denke ich, als ich nach fünfeinhalb Wochen Italien in einer Kärntner Raststation stehe, das Gefühl des ungewohnten Vertrauten, es hält nur für wenige Sekunden an. Dann kommen die Worte, das kurze Überraschtsein, dass hier jemand die Sprache spricht, in der man zu Hause ist. Austria, they speak German there, hörte ich einige Wochen zuvor einen Amerikaner flüstern und wenig später das anerkennende Brummen seiner Frau.
38 Tage habe ich mit einem Stipendium in Umbrien verbracht, 38 Tage im Juni und Juli 2016, in denen die Welt von Woche zu Woche stolperte – der Brexit, die Terroranschläge in Istanbul, Dhaka, Bagdad, Nizza, Würzburg und Ansbach, der Putschversuch in der Türkei, die Kür Donald Trumps zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Eine einzige Österreicherin traf ich in dieser Zeit, am Strand von Fano zeigte sie dem Bademeister Pepe stolz ihre große Wunde am Unterarm, die langsam verheilte.

What is happening in our beloved Austria?, fragte eine Amerikanerin am Abend, nachdem der österreichische Verfassungsgerichtshof die Bundespräsidenten-Stichwahl aufgehoben hatte. Es war vier Wochen, bevor Donald Trump in die Trickkiste der FPÖ griff und erklärte, im Fall einer Niederlage die Wahl anfechten zu wollen. Ich dachte an die Szene in der U-Bahn-Station Schwedenplatz, am Tag als Alexander Van der Bellen die Wahl gewann und eine Frau in ihr Telefon sprach: „Das ist nicht möglich, das ist nicht möglich. Hast du ATV geschaut? Dort lag er viel weiter vorn. Nichts als rote Pharisäer beim ORF.“ An diesem Montagabend im Mai wusste ich zuerst nicht, ob ich weinen oder lachen sollte, dann stellte sich ein Gefühl der Erleichterung ein, die Gespenster für eine Weile abgeschüttelt zu haben.

What is happening in our beloved Austria? Es ist Sommerpause und es ist still, unheimlich still. Dabei sollten wir alles tun, um letztlich wie die Frau von Fano sprechen zu können. Siehst du, Pepe, würden wir sagen und unsere Wunde zeigen: Von hier bis hier, so weit ist es aufgerissen, wie es blutete, wie unerwartet der Eiter kam, obwohl wir damit gerechnet hatten, aber dennoch – Pepe, schau, jetzt heilt es endlich wieder ab.