Seit 1989 haben sich in OÖ insgesamt vier Freie Radios und eine ebensolche Fernsehstation entwickelt. Unter dem Label “Freie Medien” versuchen sie auch, kulturjournalistische Lücken aufzufüllen. Ein Interview mit Elisabeth Neubacher von Radio B138.
Gibt es deiner Meinung nach in der oö. Medien- und speziell der Radiolandschaft einen qualitativ hochwertigen Kulturjournalismus, der dieser Bezeichnung gerecht wird?
Die Frage heißt für mich: Gibt es eine Auseinandersetzung mit dem Kulturschaffen, das in Oberösterreich geboten wird? Gibt es einen Diskurs, der über reine Vorberichterstattung hinausgeht? Gibt es Kritiken? Gibt es ein kritisches Hinterfragen des Kulturangebots? Gibt es das auch zum Kulturschaffen abseits von Linz? Abseits der großen Kulturbetriebe? Gibt es einen Diskurs darüber, was Kultur leisten kann und warum wir uns Kultur leisten?
Einen solchen Kulturjournalismus kann ich im öffentlich-rechtlichen und privat-kommerziellen Rundfunk in Oberösterreich eigentlich kaum erkennen. Auch nicht in den Printmedien.
Ist das eine Rolle, die die Freien Medien übernehmen können oder sollen?
In den Freien Medien gestalten zum einen ehrenamtlich Sendungsmachende im offenen Zugang Radiosendungen. Wir stellen Infrastruktur und Know-how zur Verfügung, um diese Radiosendungen zu ermöglichen. Hier sind die Schlagworte „BürgerInnenjournalimus“ und „Selbstformulierung der Standpunkte“. Diese kulturjournalistisch gestalteten Sendungen unserer Sendungsmachenden sind in jedem Fall eine Bereicherung für die oö. Medienlandschaft.
Freie Radios sind unabhängige selbstbestimmte, „offene“ Massenmedien, die nichtkommerziellen, basisdemokratischen Gesellschaftsrundfunk betreiben, der sich kritisch mit den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen auseinandersetzt und nach eigener Aussage die freie Meinungsäußerung fördern soll.“ Wikipedia, Mai 2016
Zum anderen betreut jede Freie Station in irgendeiner Form auch redaktionelle Sendeformate. Weil wir darin einen Auftrag zur publizistischen Ergänzung sehen: Themen zu beleuchten, die sonst nicht oder zu wenig vorkommen. Hier wird durchaus einiges an kulturjournalistischer Berichterstattung produziert. Wir übernehmen diese Rolle, weil wir den Kulturjournalismus als zu wenig erfüllt sehen.
In welcher Form ist Kulturjournalismus im engeren Sinn in den Freien Medien zu finden, also eine Berichterstattung über und Auseinandersetzung mit kulturellen und kulturpolitischen Geschehnissen und Entwicklungen?
Manche Sender legen den Schwerpunkt auf regelmäßig produzierte Sendeformate wie zum Beispiel die FROzine in Linz oder der Widerhall im Salzkammergut. Andere machen eher Vor-Ort-Berichterstattung. In unserem Radio B138 begleiten wir verstärkt Kulturfestivals, die in unserem Sendegebiet stattfinden. In Zusammenarbeit mit unseren ehrenamtlichen Sendungsmachenden senden wir via Außenstudio von den Festivalstätten. Täglich mehrere Stunden. Da passiert natürlich auch viel Diskurs über das Kulturschaffen an sich, über Kunst- und Kulturverständnis. Das sind immer ein paar schöne Tage für uns, ein regelmäßigeres Format in der eigenen Redaktion zu betreuen, ist aber finanziell nicht drin.
Wie finanzieren sich die fünf Freien Medien in OÖ? Welche Tendenzen sind auszumachen, wenn du die letzten Jahre und die Zukunft betrachtest?
Wir bekommen Förderungen aus Bundesmitteln, die Geldmittel aus dem fixen Projekttopf des Landes Oberösterreich, der ursprünglich für drei Freie Radios eingerichtet wurde, müssen sich jetzt vier Freie Radios und ein Community TV teilen. Dafür kann es aber sein, dass er um 10 % gekürzt wird. Zugesichert wird nur noch jährlich und nicht wie zuvor für eine gesamte Legislaturperiode. Vom Sozial- und Integrationsressort des Landes gibt es auch noch Mittel.
Ansonsten setzen wir Projekte um, meist auf Bundes- oder EU-Ebene.
Tendenz für die Zukunft: Leichter wird‘s ned!
Ist es ausschließlich Aufgabe der öffentlichen Hand, Freie Medien zu finanzieren? Beschäftigt ihr euch mangels adäquater Förderungen mit alternativen Finanzierungsmodellen?
In Max Frischs Theaterstück „Andorra“ gibt es eine Stelle, in der Andris Vater mit dem Tischler das Lehrgeld verhandelt. Wohlgemerkt: darüber, wieviel Geld der Vater für die Berufsausbildung zu zahlen hätte. Ich hab das Buch gelesen als ich 15 war, aber an mein unverständiges Lächeln über die gesellschaftliche Ordnung dieser Zeit kann ich mich noch sehr gut erinnern.
Vielleicht wird jemand, der in 50 Jahren in dieser KUPF Zeitung schmökert und diese Frage liest das gleiche Lächeln im Gesicht haben.
Ja, ich sehe die Förderung der Freien Medien als Aufgabe der öffentlichen Hand. Und: Ja, natürlich denken wir darüber nach, was wir machen können, um unseren Aufgaben auch mit unsicherer werdender Unterstützung aus der Politik weiterhin nachgehen zu können. Was hätte der Vater von Andri denn machen sollen? Dem Buben seine Berufsausbildung vorenthalten?