Gesellschaft unter Druck

Leitartikel von Dorothea Dorfbauer, Vorsitzende Sozialplattform Oö, Geschäftsführerin Verein Saum (Mitgliedsinitiative der KUPF), mit einem Comic von Stephan Gasser

Comic: Stephan Gasser

Die Rahmenbedingungen, unter denen Sozial- und Kulturarbeit erbracht werden, verschärfen sich fortschreitend. Insbesondere seit dem Jahr 2008 steigt der durch die Krise bedingte Konsolidierungsbedarf der öffentlichen Haushalte. Dies schlägt auf die finanzielle Ausstattung der TrägerInnen dieser Arbeit.

Parallel zur Verringerung budgetärer Spielräume steigen Bedarf und Ansprüche an diese Arbeit: Zum Beispiel bewirken die Veränderung der Altersstruktur in unserer Gesellschaft, hoher Leistungsdruck am Arbeitsplatz, strukturelle Arbeitslosigkeit und sich wandelnde Familienkonstellationen in einer schnelllebigen Gesellschaft, in der rasche Reaktion und Flexibilität gefordert sind, bei vielen Menschen Überforderung und Unterstützungsbedarf bei der Daseinsbewältigung.

Die Sozialplattform hat 2013 die Kampagne «Wir FAIRsichern die Gesellschaft» ins Leben gerufen. Zu diesem Zeitpunkt war klar, dass wir uns als Interessenvertretung intensiv auch der Interessenspolitik für die Einrichtungen der Sozialen Arbeit stark machen müssen.

Es geht uns mit FAIRsichern um das Sichtbarmachen der sehr guten, qualitätsvollen Arbeit, den Einsatz und das Engagement für Menschen, die Unterstützung benötigen, im Bereich Arbeit, Wohnen und Bildung in den Vordergrund zu rücken und die Bedeutung für die Betroffenen, aber auch für die Gesellschaft als Ganzes zu betonen. Die Sozialplattform hat sich die Aufgabe gestellt, in der Öffentlichkeit und bei politischen und institutionellen Verantwortlichen Bewusstsein für erforderliche faire Rahmenbedingungen zu schaffen. War vor ein paar Jahren der Budgetdruck das Hauptmotiv für die von uns wahrgenommenen Verschlechterungen, werden jetzt die Argumente stärker ideologisch eingefärbt.

Ein aktuelles Beispiel ist der Vorschlag von ÖVP und FPÖ, die Kürzung der Mindestsicherung für subsidiär Schutzberechtigte und anerkannte Flüchtlinge auf Zeit auf das Niveau der Grundversorgung von 320 Euro zu kürzen. Neben Argumenten wie «wir können uns das nicht mehr leisten» sollen Anreize für höhere Arbeitsmarktintegration geschaffen werden. Bei 62.835 Arbeitslosen (inkl. SchulungsteilnehmerInnen) im Jänner 2016 in Oberösterreich, denen 9.181 offenen Stellen gegenüber stehen, scheint eine Kürzung der Unterstützungsleistung kein adäquates Mittel für mehr Arbeitsmarktintegration zu sein. Es fehlt am Angebot von Arbeitsplätzen.

Offensichtlich geht es jenen, die diesen Vorschlag unterstützen, um die Demontage des Sozialstaates, beginnend bei den Notleidenden, die keine Lobby hin zum politischen Establishment haben. Es besteht die Gefahr, dass eine Klasse der Prekarisierten geschaffen wird, mit den Attributen: stigmatisiert, nachhaltig gesellschaftlich ausgegrenzt, ausbeutbar. Außerdem geht es um Entsolidarisierung: Jene, die gerade noch Arbeit haben und ohne Mindestsicherung auskommen können, sollen durch politische Rhetorik gegen die MindestsicherungsbezieherInnen ausgespielt werden. Entsolidarisierung spaltet die Gesellschaft und schafft Gräben, die ein friedliches Zusammenleben gefährden.

Interessenvertretungen wie Sozialplattform Oö und KUPF haben die Aufgabe, den Umbau der sozialen Sicherung, den Umbau in der Kultur der Verantwortlichkeit der Politik sichtbar zu machen, von den Konsequenzen für die Menschen und die Gesellschaft zu berichten. Protest sehe ich als unseren Auftrag. Die Mittel, die wir dafür einsetzen, gilt es gut hinsichtlich Wirksamkeit auszuwählen. Die Kooperation zwischen den verschiedenen Interessenvertretungen trägt dazu bei, stärker zu sein und mehr Menschen für unsere Anliegen zu gewinnen.

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Dorothea Dorfbauer, Vorsitzende Sozialplattform Oö, Geschäftsführerin Verein Saum (Mitgliedsinitiative der KUPF). →sozialplattform.at